Saturday, December 29, 2007

Happy New Year


Allen Leserinnen und Lesern einen guten Start in das neue Jahr und dass es ein erfolgreiches und gesundes wird.

Und diesmal gibs keinen alten Gassenhauer, sondern einen Hochgenuss der Geigenmusik
David Garrett "La Califfa"


Ein gesundes, erfolgreiches und frohes 2008.

Wahlkalender 1/2008


Ausblick
  • 3.1.2008: USA - Primary Elections in Iowa
  • 5.1.2008: Georgia - Presidential Elections
  • 5.1.2008: USA - Primary Elections in Wysconsin

Rückblick
  • 24.12.2007: Pitcairn Island - Parliamentary Election
  • 27.12.2007: Kenya - Presidential and Parliamentary Elections
Die Berichte zum Wahlrückblick werden am 7.1.2008 nachgereicht.

Thursday, December 27, 2007

Blutige Wahlschlacht in Pakistan

Der wohl bekannteste failure state ist zwischenzeitlich Pakistan. Die Macht von Präsident Musharaf ist seit rund einem halben Jahr erodiert und mit der Verhängung des Ausnahmezustand vor einigen Wochen ist er auch seine wichtigste Verbündete Benazir Bhutto verlustig gegangen.


Nun wurde die Galionsfigur der Opposition ermordet. Bhutto hat nicht nur Musharaff gezwungen, zur Demokratie zurück zu kehren. Sie hat - zumindest in ihrer Wahlkampfrhetorik - den Kampf gegen den fundamentalistischen Islam im Land angekündigt. Dies ist bitterer notwendig als je zuvor.
Pakistan ist ein Land am Abgrund. Aus den Wirren der indischen Teilung hervorgangen, die bereits damals religiös motiviert war, ist es seither nicht wirklich zur Ruhe gekommen. Nicht nur die Abspaltung Bengalens - des heuten Bangladesh - war für Pakistan ein nationales Trauma. Auch die ständigen Militärputsche, Gewaltherrschaften und die tief verwurzelte Korruption sorgen dafür, dass die Atommacht in Südasien eher einem dauernden Unruheherd als einem Hort stabiler Entwicklung gleicht. Die Provinzen im Nordwesten des Landes sind der Regierung bereits seit langem entglitten, die Herrschaft haben die Fundamentalisten übernommen und kein Soldat traut sich mehr über die Provinzgrenzen. Aber auch der Rest des Landes wird von Islamisten beherrschaft, der Ausnahmezustand hat entgegen den Ankündigungen hier keine Abhilfe geschafft.

Wie es weitergeht in Pakistan ist ungewisser den je. Man kann Bhutto wie ihrem Widersacher Sharif Korruption vorwerfen, sie waren ein Schimmer demokratischer Hoffnungen für eine stabile Regierung und den Übergang in demokratische Strukturen. Es steht zu befürchten, dass Pakistan nach Bhuttos Tod eine neue Phase der Gewalt erlebt und dass sich der Machtkampf radikalisiert. Das ist zumindest angesichts der großen inneren Gegensätze nicht auszuschließen, und es wäre vermutlich ganz im Sinne des Mörders von Rawalpindi und seiner Hintermänner.
Die Absage wäre deshalb eine weitere Katastrophe für das Land und ganz im Sinne der Mörder. Dabei geht es weniger um die Frage, ob Musharaff mit dem Anschlag etwas zu tun hat, was eher unwahrscheinlich ist. Es geht hier darum, den Übergang zu gestalten. Ob Wahlen jetzt oder in einem halben Jahr oder später abgehalten werden, wird an der drohenden Gewaltwelle wenig ändern. Allerdings ist ein Übergang notwendiger den je: für Pakistan, für das benachbarte Afghanistan und für die gesamte Region. Je eher er kommt, desto besser.

Benazir Bhutto

Ankunft in Nizza: Am 6. November 1985 nehmen Benazir Bhutto und ihr Schwager Nasser Hussain am Prozessauftakt in Frankreich teil. Das Gericht versucht zu klären, unter welchen Umständen Bhuttos Bruder Shahnawaz ums Leben kam. Seine Leiche war im Juli 1985 in Cannes gefunden worden.

Trauer um eine Anhängerin: Im April 1986 zeigt Benazir Bhutto das Foto einer Anhängerin der Pakistan People's Party (PPP), die bei Protesten gegen die Inhaftierung der Politikerin von Polizisten getötet worden war.

Hochzeit in Karachi: Am 18. Dezember 1987 heiratet Benazir Bhutto den Zementfabrikanten Ali Asif Zardari.

Höhepunkt der politischen Laufbahn: Am 2. Dezember 1988 wird Bhutto als Ministerpräsidentin vereidigt. Sie wird die erste weibliche Regierungschefin in einem islamischen Staat. Bei den Parlamentswahlen vom 16. November 1988 erreichte Bhuttos PPP landesweit 43,9 Prozent der Stimmen.

Reise nach Washington: Im Juni 1989 spricht Bhutto während ihres Antrittsbesuchs im Weißen Haus an der Seite des US-Präsidenten George Bush.

Besuch in Beijing: Im September 1989 trifft Bhutto den chinesischen Präsidenten Li Peng.

Bhutto und ihre Mutter Nusrat: Nach der Verhaftung ihres Mannes engagierte sich Nusrat Bhutto in der Parteiarbeit und wurde zu einem führenden Mitglied der PPP.

Französischer Gast: Im Februar 1990 empfängt die Präsidentin ihren französischen Amtskollegen François Mitterand in Islamabad

Gefängnisbesuch: Das Foto aus dem Jahr 1997 zeigt Benazir Bhutto und ihre Kinder Bilawal (links) und Bakhtawar (rechts) vor dem Haupteingang des Gefängnisses von Karachi. Dort saß Bhuttos Ehemann Asif Ali Zardari seine Strafe ab.

Tränen bei der Ankunft: Nach acht Jahren im Exil kehrt Benazir Bhutto am 18. Oktober 2007 nach Pakistan zurück.

Anschlag am Tag der Ankunft: Nur knapp entgeht Bhutto am 18. Oktober einem Anschlag in Karachi. Dutzende Menschen werden verletzt.

Bad in der Menge: Bhutto besucht im Oktober 2007 eine Wahlkampfveranstaltung in Lahore.

Ankunft in Rawalpindi: Knapp zwei Wochen vor der Parlamentswahl wird Bhutto bei einer Wahlkampfveranstaltung von einem Attentäter erschossen. Der Mann sprengt sich anschließend selbst in die Luft.

Angie Bashing


Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck scheint ein verzweifelter Mann zu sein. Weder das neue Grundsatzprogramm noch die neue Führungsmannschaft mit den SPD-Quereinsteigern Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück und der Berufslinken Andrea Nahles scheinen die Partei aus ihrem 30-Prozent-Tief herausführen zu können. Nun soll helfen, was Deutschland bislang noch nicht gesehen hat: negative campaigning. In den USA ist diese Form des Wahlkampfes gerade zu beobachten, in deutschen Wahlauseinandersetzungen hatte man dies bislang - wohl auch aufgrund der damit verbundenen persönlichen Angriffe teilweise unter der Gürtellinie - immer vermieden. Die "Anti-Angie-AG" der SPD ist nun beauftragt, im Privatleben der Kanzlerin zu stöbern und schmutzige Wäsche schmutzig zu waschen.

Es zeigt jedoch vor allem, dass der SPD und ihrem Vorsitzenden die Themen ausgegangen sind. Die internationale Politik - eigentlich das Feld des Aussenministers - hat die Kanzlerin geschickt selbst übernommen. Die innere Sicherheit ist schon lange ein Thema der Union, während der Gegenpart der Bürgerrechte spätestens mit Otto Schily bei der SPD ihre Glaubwürdigkeit verloren hat. Und auch sonst fällt auf, dass die SPD keine inhaltlichen Themen mehr vorzuweisen hat.
Gehen einem die Themen aus, geht man ins persönliche. Dabei sagte der SPD-Vize Klaas Hübner höchstselbst, amerikanische Wahlkampfformate seien auf Deutschland nicht übertragbar. Denn während in den USA es keine Koalitionen gibt, müssen deutsche Parteien auch nach einer Wahl zusammenarbeiten - auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Ein negative campaining hätte hier gravierende Folgen: persönliche Angriffe auf eine Person machen es im Anschluss schwierig, mit dieser auch vertrauensvoll zusammen zu arbeiten.
Die SPD-Führung sollte daher ihre Pläne schnell wieder in der Schublade verschwinden lassen. Aus dem Tal der Tränen kommt sie inhaltlich vielleicht wieder heraus. So verliert Deutschland vielleicht eine Kanzlerin, die SPD gewinnt jedoch keinen Bundeskanzler.

Chinas Zug nach Afrika


Paradox scheint es auf den ersten Blick: ein Entwicklungsland wie China leistet umfangreiche Unterstützung in Afrika. Wo immer man zwischenzeitlich in Afrika hinschaut, ist auch China präsent - vor allem in den rohstoffreichen Ländern südlich der Sahel-Zone. Zumindest noch ist die Sahel weiterhin das Feld für westliche Entwicklungshelfer.

Während die westlichen Entwicklungshelfer ein Wechselspiel zwischen eigenen Wirtschaftsinteressen und Entwicklungsinteressen der Partnerländer offenbaren, ist dies bei China anders. Menschenrechte und Demokratie spielen nur eine untergeordnete Rolle. Dies ist nicht verwunderlich, steht China doch selber regelmäßig auf den roten Listen der Menschenrechtsorganisationen.
China´s Interesse an Afrika folgt dabei seinem rasanten Aufstieg als "Werkbank der Welt". Zwar besitzt das volkreiche Land ein fast unerschöpfliches Reservoir an Menschen, an den wichtigsten Energie- und Rohstoffträgern fehlt es jedoch. Afrika hingegen ist reich an Rohstoffen, besitzt jedoch aus finanziellen Gründen kaum die Möglichkeit, diese in eine hinreichenden Form auszubeuten. Dabei geht China nicht zimperlich vor und finanziert wie in Namibia nicht nur wirtschaftliche Betriebe, sondern auch gleich den Bau des State House. Freunde werden so geschaffen. Der Blick auf die Haupttätigkeitsländer zeigt jedoch die strategischen Überlegungen der chinesischen Führung:
Laut einer Aufnahme der deutschen ,,Wirtschaftswoche" haben sich während der letzten sieben Jahre 750000 Chinesen auf dem Kontinent niedergelassen. Sie konzentrieren sich vorrangig auf die Länder Südafrika, Angola, Kongo, Nigeria und den Sudan, aber das Engagement gilt als flächendeckend.
(Allgemeine Zeitung Windhoek, 23. Januar 2007)
Südafrika und Kongo sind wegen seiner reichhaltigen Diamantenreserven und zahlreichen anderen Rohstoffen interessant, die drei anderen genannten Staaten vor allem wegen ihrer reichhaltigen Ölvorkommen. China sichert sich diese im großen Umfang, beteiligt sich an ihrer Exploration und baut so seine Substitute aus. Das es hier in direkter Konkurrenz mit den USA und der EU tritt, wird deutlich und dies eine der Folgen ein steigender Rohölpreis ist, versteht sich von selbst.

Vollständiger Beitrag: China in Afrika . Symbiose von afrikanischen und chinesischen Interessen?


Literatur
Denis M. Tull: Die Afrikapolitik der Volksrepublik China, SWP Studie 20/2005
Stephan Kaußen: Zehn Jahre nach der Apartheid, SWP Studie 12/2004
Peter Rudolf: Die USA und der Aufstieg Chinas, SWP Studie 9/2006

Monday, December 24, 2007

Wahlkalender 52/2007


Mit einer neuen Rubrik starten wir in das neue Jahr. Der Wahlkalender gibt einen Ausblick auf die Wahlen der kommenden Woche und einen Rückblick auf die Wahlen der vergangenen Woche. Die kurzen Einschätzungen speisen sich weitgehend aus fremden - kenntlich gemachten - Quellen. Unbenommen werden wichtige Ereignisse jedoch kommentiert.

Ausblick
  • 24.12.2007: Pitcairn Island - Parliamentary Elections
  • 27.12.2007: Kenya - Presidential and Parliamentary Elections
    >> Kenia vor den Wahlen . Präsident Kibaki vor dem Aus?

Rückblick
  • 16.12.2007: Kyrgystan - Parliamentary Elections
    Snap elections held this past Sunday for Kyrgyzstan’s 90 parliamentary seats awarded an astounding victory to President Kurmanbek BAKIYEV’s Ak Zhol party, according to early preliminary results. Of the 12 parties competing, only one other party, Ata Meken, garnered the 5% threshold of national votes. The new constitution introduced in October also requires parties to achieve 0.5% of the vote in each of Kyrgyzstan’s seven regions and two main cities; a requirement only attained by the President’s party in this election. Kyrgyzstan’s Supreme Court ruled Tuesday to strike down the regional requirements of the contentious election law. This decision will allow a better possibility for Ata Meken to secure seats in the legislature based on their national support in the election. Election officials have yet to certify vote results but preliminary results tally Ata Meken support at 9% nationwide. The Organization for Security and Cooperation in Europe (OSCE) and Kyrgz opposition parties, have criticized the elections for major violations of international electoral standards. (Quelle: ElectList, 19.12.2007)
    BISCHKEK: Im künftigen Parlament der ehemaligen Sowjetrepublik Kirgistan werden nur Abgeordnete sitzen, die Präsident Kurmanbek Bakijew nahestehen. Nach Angaben der nationalen Wahlkommision entfielen bei der Wahl am Sonntag 71 der 90 Mandate auf die Partei Ak-Schol von Bakijew. Elf Sitze errangen die Sozialdemokraten, acht die Kommunistische Partei. Die größte Oppositionspartei Ata-Meken habe nicht in allen Regionen die erforderliche Anzahl von mindestens 0,5 Prozent der Stimmen erreicht, hieß es weiter. Landesweit hatte Ata-Meken neun Prozent bekommen. Anhänger der Opposition in Kirgistan drohten mit einem Hungerstreik. (Quelle: DW Newsletter, 20.12.2007)
  • 19.12.2007: South Korea - Presidential Elections
    SEOUL: Südkoreas neugewählter Präsident Lee Myunk Bak will in der Frage der Menschenrechte Druck auf das kommunistische Nordkorea ausüben. Kritik an Nordkorea grundsätzlich zu vermeiden, sei nicht angemessen, sagte der konservative Politiker in Seoul. Die Frage der Menschenrechte könne nicht ausgeklammert werden. - Lee hatte die Präsidentschaftswahl am Mittwoch mit 48,7 Prozent der Stimmen klar für sich entschieden. (Quelle: DW Newsletter, 20.12.2007)
    >> auch: Wirtschaft oder Moral? Der Sieg Lee Myung-Baks und die Folgen
  • 20.12.2007: South Africa - ANC-President
    JOHANNESBURG: Der neue Chef der südafrikanischen Regierungspartei ANC, Jacob Zuma, hat innenpolitischen Gegnern und internationalen Investoren eine versöhnliche und verlässliche Politik versprochen. Er wolle den Kampf gegen Armut, Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Aids verstärken und sei sich bewusst, dass er dafür mit der Wirtschaft zusammenarbeiten müsse, sagte der umstrittene Politiker in seiner ersten programmatischen Rede zum Ende des ANC-Parteitages in Polokwane im Norden Südafrikas. Der 65-Jährige versicherte, unter seiner Führung werde es keinen grundlegenden Kurswechsel in der Politik des Afrikanischen Nationalkongresses geben. Kurz zuvor hatte die Justiz des Landes von neuen Korruptionsbeweisen gegen Zuma gesprochen und eine Anklage in Aussicht gestellt. Der neue ANC-Chef will im Falle einer Verurteilung von seinem Amt zurücktreten. (Quelle: DW Newsletter, 20.12.2007)
    >> auch: Jakob Zuma gewählt . Polarisierung im ANC
    >> weiterlesen
  • 23.12.2007: Thailand - Parliamentary Elections
    Aus der Parlamentswahl in Thailand sind die Anhänger des gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin als Sieger hervorgegangen. Wie die Wahlkommission in Bangkok mitteilte, verfehlte die "Partei der Volksmacht" aber die absolute Mehrheit. Den zweiten Platz belegte die Demokratische Partei. Ihr wird am ehesten zugetraut, zusammen mit kleineren Parteien eine Regierung zu bilden. - Der scheidende Ministerpräsident Chulanont, der nach dem Militärputsch im September 2006 eingesetzt wurde, erklärte, er hoffe auf einen friedlichen Übergang zur Demokratie. Sowohl gegen Thaksin als auch gegen den jetzigen Vorsitzenden der Partei der Volksmacht wird wegen Korruption ermittelt. (Quelle: dlf.de, 23.12.2007)
    >> auch: Thailand vor den Wahlen . Auf dem Weg zur Demokratie
    PPP surges into the led (Bangkok Post)
    >> Video-Bericht auf heute.de und cnn.com
  • 23.12.2007: Uzbekistan - Presidential Elections
    Der usbekische Präsident Islam Karimow hat sich am Sonntag (23.12.2007) zu einer dritten Amtszeit wählen lassen. Obwohl zu der Präsidentenwahl drei weitere Kandidaten zugelassen waren, gab es für die meisten Beobachter keinen Zweifel über den Sieger. Karimow sagte im Staatsfernsehen nach der Wahl: "Ich glaube, die Leute wussten selbst, wofür sie zu stimmen hatten." Es sei um die Zukunft, den inneren Frieden, Entwicklung und Wohlstand gegangen, fügte der ehemalige kommunistische Parteichef zu sowjetischen Zeiten hinzu. >> weiter lesen
    >> Audio-Bericht von Stephan Laack, ARD-Büro Moskau

Sunday, December 23, 2007

Putsch ohne Folgen?


Als im September 2006 das thailändische Militär gegen den Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatre mit Unterstützung des Königs putschte, ohne absetzte und wegen Korruption unter Anklage stellte, konnte niemand ahnen, dass Thaksins politische Karriere nicht beendet war. Das Militär hatte seine Thai rak Thai verboten und eine Verfassung erlassen, die ihm selber mehr Rechte und die Demokratie insgesamt schwächte.

Dieses Manöver scheint mit den Wahlen an diesem Sonntag gründlich misslungen zu sein. Die Folgen der Parlamentswahlen sind jedoch für das politische System des südostasiatischen Staates noch nicht absehbar. Samak Sundarave, nominaler Parteivorsitzender von Thaksins Peoples Power Party und ehemaliger Gouverneur von Bangkok, hatte bereits im Wahlkampf deutlich gemacht, dass er sich nur als Platzhalter für den im Hongkonger Exil lebenden Star der Landbevölkerung ist. Damit gibt es zwei Ziele: die Bildung einer Koalitionsregierung unter Führung der PPP und die Schaffung der Voraussetzung für die Rückkehr von Thaksin. Thaksin dürfte damit auch wieder Ministerpräsident in Bangkok werden, gerade jenes wollten die Militärs jedoch verhindern.

Die Wahlen haben damit drei Verlierer produziert.
Da ist an vorderster Stelle das Militär mit Putsch-General Sonthi. Sie hatten sich an die Spitze der vor allem städtischen Gegner Thaksins gesetzt und gegen den Ministerpräsidenten geputscht. Ihr vorderstes Ziel war die Wiederherstellung der staatlichen Handlungsfähigkeit. Aber war der Putsch bereits im September 2006 unverständlich, obwohl das gesamte Land nach den Wahlen im Frühjahr 2006 vor dem politischen Ausnahmezustand stand. Diese war jedoch einer Lösung zum Greifen nahe, hatte das Verfassungsgericht doch die Frühjahrswahlen nach dem Boykott durch die Opposition bereits für ungültig erklärt und Neuwahlen für Dezember 2006 angesetzt. Eine politische Lösung war absehbar, ein Putsch zu seiner Klärung nicht erforderlich. Und an Stabilität hat es dem Land seit langem nicht gefehlt.
Der zweite Verlierer ist die Democratic Party, die zwar mit 166 Sätzen zweitstärkste Kraft werden wird, aber sich dennoch etwas ins Aus manövriert hat. Zu stark wurde sie vom Militär hofiert und nachdem dieses wirtschaftlich keinen Aufschwung erreichen konnte, mit dem Niedergang in Verbindung gebracht.
Der dritte Verlierer jedoch ist der König, der Inbegriff der Integrität und Unantastbarkeit in Thailand. Kein Postbeamter würde einen Stempel auf eine Briefmarke mit seinem Angesicht schleudern. Bhumipol hatte sich 2006 erst auf die Seite der oppositionellen Wahlboykotteure gestellt und dann offen für die Putschisten Partei ergriffen. Vor einem Jahr war er es noch, der durch sein Eintreten zugunsten des Putsches verhindert hat, dass es zu Unruhen kam und sich gegen die verfassungsmässige Ordnung gestellt. Thaksin kann damit auch über ihn triumphieren und es wird sich zeigen müssen, ob die Autorität des Monarchen nicht langfristig darunter leiden wird. Für Thailand ist die gefährlich, ist der König doch der ruhende Pol, der über den politischen Zänkereien besteht.

Noch am Wahlabend hat Wahlsieger Samak Sundarave Koalitionsverhandlungen aufgenommen. Militär, Opposition und König sind gut beraten, dieses Wahlergebnis hinzunehmen und auch Thaksin als Ministerpräsident anzuerkennen. Das Ausland hat vor einem Jahr nur widerwillig und vor dem Hintergrund von Thailands regionaler Bedeutung in einer unruhigen Region nicht lautstark gegen den Putsch protestiert. Wollen die westlichen Staaten ihr Gesicht und ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren, können sie einen weiteren Putsch nicht akzeptieren.
Und auch das Wahlvolk hat gezeigt, dass es sich einen Kandidaten nicht aufzwingen lassen will. Während die Militärs weder einen Aufschwung in Ansätzen verbuchen konnten noch die Kämpfe mit den muslimischen Rebellen im Süden des Landes auch nur im Ansatz lösen konnten, scheint Thaksins wirtschaftlicher Erfolg zu Beginn seiner ersten Amtszeit immer noch ein Vertrauen zu erzeugen, dass er es auch diesmal packen könnte.

weiter
Audio-Bericht von Bernd Musch-Borowska, ARD-Hörfunkstudio Singapore

Denkzettel für das Militär, tagesschau.de 23.12.2007
Thaksins Verbündete gewinnen die Wahl, deutsche-welle.de 23.12.2007

Saturday, December 22, 2007

Vom Prekariat und den Besserverdienenden


Deutschland ist im Aufruhr: die einen wollen Mindestlöhne und die anderen Höchstlöhne. Meist sind diejenigen, die beides wollen oder ablehnen vereint in der ein und der selben Person. Selbst Der Spiegel hat in seiner vorletzten Ausgabe des Jahres dem Gerechtigkeitsempfinden eine ganze Titelstory unterm Weihnachtsbaum gewidmet.

Der Partei- und Fraktionsvorsitzender der FDP, Guido Westerwelle, meinte zum Thema Mindestlöhne in der vergangenen Woche im Deutschen Bundestag:
"Mit diesem Gesetz verfolgte man also das Ziel, deutsche Unternehmen zu schützen, und zwar vorzugsweise vor osteuropäischer Dumpingkonkurrenz. Jetzt verwenden Sie das Entsendegesetz, um einen deutschen Monopolisten vor deutscher Konkurrenz zu schützen, und das zulasten von Zehntausenden Arbeitsplätzen, die dadurch über die Wupper gehen."
(Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 134. Sitzung der 16. Legislaturperiode, S. 14104C)

Wenn der Oppositionschef zu solch drastischen Worten greift, muss etwas los sein mit dem Gerechtigkeitsempfinden in einem Land, welches weltweit als Beispiel für seinen sozialen Ausgleich immer an oberster Stelle genannt wurde. Einerseits kann ein Teil der Arbeitnehmer von seinem regulärem Einkommen nicht mehr existieren und ist auf staatliche Hilfe angewiesen, andererseits finden die Gehälter des obersten Managements immer weniger öffentliche Anerkenntnis, was vielfach auch mit dem Timing zu tun hat.

Die Mindestlohndebatte ist ein klassisches Beispiel für eine fehlgeleitete Diskussion in diesem Land, deren eigentliches Grundproblem im Hickhack des Gezänks der Parteien untergeht. Während die FDP - durchaus konsequent - die Einführung von Mindestlöhnen kategorisch ablehnt und dabei das Entsendegesetz jedoch etwas vergisst, ist die Union noch sehr unentschlossen und lässt sich durch den kleineren Koalitionspartner SPD treiben. Die SPD hat ein Thema gefunden, um wieder Profil zu gewinnen, hier fehlt es jedoch an der strategischen Diskussion. Die Linke ist immer dafür, wenn es gegen die "kapitalistischen Ausbeuter" der Arbeitgeber geht und die Grünen lavieren wie die SPD wieder nach links, ohne ein tragfähiges Arbeitsmarktkonzept zu präsentieren.
Der Diskussion fehlt die Leitlinie über die wahltaktische Manöver hinaus.
Die USA, Frankreich und Grossbritannien haben gezeigt, dass ein Mindestlohn die WIrtschaft nicht hemmt - alle drei grossen Volkswirtschaften sind in ihrer Substanz robust und leistungsstark. Und in der Tat: ein Arbeitnehmer, der voll berufstätig ist und von seinem Einkommen nicht leben kann, verdient des staatlichen Beistandes. In Deutschland galt hier lange Zeit eine laissez faire-Politik, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer darin einig waren, dass eine Wirtschaft nur funktionieren kann, wenn beide Seiten am wirtschaftlichen Erfolg partizipieren. Seit fast sieben Jahren wurde von einigen Seiten dieses gemeinsame Grundverständnis aufgekündigt und Dumpinglöhne durchgesetzt. In deren Ergebnis ist der Staat gezwungen, den Sozialstaat agieren zu lassen. Gewinne werden privatisiert, die Kosten der Arbeit jedoch sozialisiert. Das der Staat durch seine eigene Vergabepolitik von Reinigungs-, Wach- und Postaufträgen nicht ganz unschuldig ist, kann zunächst dahin gestellt werden - ein Versagen der Politik ist es denoch.
Nutzt die Ökonomie die soziale Verantwortung der Gesellschaft jedoch aus, ist der Staat gezwungen, gegenzusteuern. Die Existenz von Mindestlöhnen ist daher nicht da wahre Problem und würde in der Summe auch nur wenige Unternehmen treffen. Mindestlöhne sind eine Folge fehlender Verantwortungsbereitschaft auf Seiten eines kleinen Teil der Unternehmerschaft. Das wahre Problem ist die fehlende Strategie der Politik.
  1. Ist sie für die Einführung von Mindestlöhnen, so kann sie dies unabhängig von Tarifpartnern etablieren. Es kann bei dieser Massnahme nur darum gehen, einen existenzsichernden Lohn zu garantieren. Die Post ist jedoch ein klassisches Beispiel, in dem ein Wettbewerber den Mindestlohn nutzt, um seine Konkurrenz aus dem Rennen zu stechen. Ein Arbeitgeberverband mit nur einem faktischen Arbeitgeber ist kein Arbeitgeberverband, sondern eine Unternehmensabteilung.
    Auch wenig einsichtig ist, warum der Mindestlohn nur für Postbeschäftigte gelten soll, für Reinigungs- und Wachpersonal jedoch nicht. Will man einen Mindestlohn einführen, dann konsequent, flächendeckend und für alle Arbeitsverhältnisse. Daher wäre die Union letztlich strategisch gut beraten, wenn sie der SPD das Heft des Handelns aus der Hand nehmen würde und die Salami-Taktik der Partei des "demokratischen Sozialismus" eine sachgerechte Politik entgegensetzt. Die SPD hätte hier verloren, in einem ihrer wichtigsten politischen Felder.
  2. Die Einführung von flächendeckend gleichen Löhnen hat etwas von der nicht versuchten Quadratur des Kreises. Zuletzt wurde auch durch das Bundesverfassungsgericht anerkannt, das die Lebenshaltungskosten in Deutschland unterschiedlich sind. Während der nun vereinbarte Mindestlohn an der mecklenburgischen Küste ein auskömmliches Leben in bescheidenem Wohlstand garantiert, reicht dieser in München hinten und vorne nicht. Bundeseinheitliche Mindestlöhne machen daher genauso wenig Sinn wie bundeseinheitliche Gehaltstabellen, ohne die regionalen Unterschiede zu gewichten. Eine neue Gerechtigkeitslücke würde mit der Schließung der einen gleich wieder aufgemacht.
    Der Zweck des Mindestlohnes kann nur das Ziel der Existenzsicherung verfolgen. Ist dies jedoch so anerkannt, so muss dies auch die regionalen Unterschiede berücksichtigen. Dies wäre die wahre Aufgabe der Politik, diese zu definieren. Hier scheut sich die Politik - wie auch die öffentlichen Tarifpartner - bislang kategorisch davor.
Neben Mindestlöhnen wird zwischenzeitlich auch über Höchstlöhne in deutschen Unternehmen gesprochen. Bemerkenswert dabei auch von denjenigen, die erst in den vergangenen Monaten - berechtigt oder nicht sei an dieser Stelle einmal dahin gestellt - von der Lohnzurückhaltung verabschiedet haben. Fakt ist jedoch auch, dass die Manager der deutschen Unternehmer immer wieder in ein schiefes Licht rücken durch ein etwas missglücktes Timing. Ein Bahnvorstand, der mit der GDL über Löhne seiner Beschäftigten verhandelt und wohl zu Recht eine 30 prozentige Lohnsteigerung ablehnt, kann die Erzielung eben jener Erhöhung selber nur schwer erklären. Da kommt es dann gar nicht darauf an, dass hier bereits bestehende Vertragsregelungen greifen, wie die Personalchefin Margot Sukale ausführte. Ein Eindruck bleibt hängen und ob diese Gehälter berechtigt sind, spielt im Ergebnis keine Rolle mehr.
Es ist vielfach diese Kombination aus verschiedenen Ereignissen, die die Debatte über Höchst- und Mindestlöhne auslösen. In der Tat problematisch bleiben jedoch Abfindungsregelungen auch für solche Vorstände, die wegen erwiesener Unfähigkeit entlassen wurden oder Gehälter, die in solche Höhen ansteigen, dass sie beim blossen betrachten auch als nicht mehr gerechtfertigt erscheinen. Hier muss jedoch wieder der Managertyp einkehren, der sich als "Firmenpatriarch" im besten Sinne sieht und für den das Wohl des Unternehmens auch vom Wohl der Mitarbeiter abhängt. Die meisten Manager sind hieran interessiert, der Shareholder Value hindert sie jedoch zwischenzeitlich vielfach daran, dies auch umzusetzen. Zu hohe Zielvorgaben machen hier schnell geschaffenes Vertrauen kaputt.
Höchstlöhne bleiben jedoch ebenso wie einheitliche Mindestlöhne in sich ein Unsinn. Die Diskussion darüber wird ein Sturm im Wasserglas bleiben.

Vergütungsstudie 2007 . Vorstandsvergütung und Personalkosten der DAX30-Unternehmen 1987-2007

Friday, December 21, 2007

Streikrecht

Es ist das Recht einer Gewerkschaft, für die Interessen ihrer Mitglieder zu streiken. Es zeigt sich jedoch derzeit sehr deutlich, dass Gewerkschaften auch nur Vereinigungen sind, in der sich machthungrige und medieninteressierte Funktionäre existieren können, die ohne Rücksicht auf die Dritte und ein gewisses Augenmass agieren. Derzeit führt einen solchen Tanz die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer - auf GDL genannt - auf.

Ihre Selbsteinschätzung nach ist sie die älteste deutsche Gewerkschaft und scheinbar leidet sie damit nicht nur an extremer Demenz, sondern auch an heftigem Alterstarrsinn. Was der Republik von ihr derzeit zugemutet wird, umschreibt die Financial Times Deutschland zu Recht mit den Worten:
Die GDL ist genau jene unzuverlässige, unseriöse und unprofessionelle Gewerkschaft, als die sie in den letzten Monaten nie gelten wollte. Der Dilettantismus der Gewerkschaftsspitze ist nicht zu übertreffen.
Faktisch erpresst eine Funktionärsclique aus zwei Personen - Manfred Schell und Claus Weselsky - derzeit 80 Millionen Menschen und noch ein paar mehr. Offiziell geht es um einen eigenen Tarifvertrag und 31 Prozent mehr Lohn. Faktisch geht es jedoch darum, seine Macht zu demonstrieren - gegenüber dem Bahnvorstand, den beiden Konkurrenzgewerkschaften, der Politik und dem 80 Millionen Volk. Für die Funktionärsclique ist der Tarifvertrag nicht mehr Mittel zum Zweck, sondern nur noch reiner Selbstzweck. Würde es der GDL um die Sache gehen, könnte sie - wie in den vergangenen Jahren die DBB Tarifunion für den öffentlichen Dienst - einen parallelen Tarifvertrag neben TRASNET / GDBA schließen.
Die GDL-Führung hat mit der Aufkündigung sämtlicher Streitschlichtungsinstrumente gezeigt, dass es ihr nicht mehr um die Sache geht. Die Bundesregierung sollte daher schnellstens eingreifen, nicht um eine Einigung herbei zu zubauern, sondern die GDL-Führung an die der Tarifautonomie innewohnende Gesamtverantwortung zu erinnern.

Wednesday, December 19, 2007

South Africa: Zuma auf Mbeki


Die Regierungspartei Südafrikas, der Afrikanische Nationalkongress (ANC), befindet sich in einer schweren Krise. Ausgelöst wurde jene durch die Suspendierung von ANC-Vize Jacob Zuma Ende 2005, seither ist die Partei gespalten. Denn ein Großteil der Mitglieder bezweifelt, ob sich hinter den Korruptionsvorwürfen gegen Zuma nicht politisches Kalkül rund um das Lager des Präsidenten Thabo Mbeki versteckt.
(Der Standard, 13.1.2007)
Der Beitrag des österreichischen Standard machte noch einmal deutlich, dass es zwischen Staatspräsident Mbeki und seinem ANC-Vize Zuma seit Jahren nicht ganz koscher zugeht. Zuma ist der linke Populist, der eher für den alten, sozialistischen ANC steht. Mbeki, auch ein alter ANC-Kämpfer, hatte in den vergangenen sieben Jahren einen liberalen Kurs in der Wirtschaft propagiert und war damit in den Augen vieler ANCler gescheitert. Noch immer lebt gut die Hälfte der - schwarzen - Bevölkerung des Kap-Staates in bitterer Armut und obwohl in einigen Townships wie Soweto bei Johannesburg oder Kayelitsha in Cape Town in den vergangenen Jahren massiv in die Infrastruktur investiert wurde, fehlt der Bevölkerung Arbeit, um die Lebenshaltungskosten decken zu können.
Südafrikas Probleme sind insgesamt in den vergangenen Jahren gewachsen, als dass sie gelöst wurden. Die Arbeitslosigkeit unter der schwarzen Bevölkerung ist immer noch ein ebenso wenig gelöstes Problem wie die trotz der affirmation policy (Stichwort: A better life for all) die weiterhin bestehenden Auswirkungen der früheren Apartheid-Politik. Schwarze findet man in den Führungsebenen Südafrikas immer noch recht selten und die vom ANC favorisierte Landumverteilung ist noch nicht ansatzweise begonnen worden.

Aber wird Zuma die Probleme lösen können? Dies ist ist eher unwahrscheinlich, den Zuma setzt auf Rezepte, wie sie im Nachbarstaat Namibia unter dem dortigen ehemaligen Präsidenten Sam Nujoma gescheitert sind und Simbabwe ins internationale Aus gesetzt haben.
Südafrika wird die Landfrage beispielsweise endlich angehen müssen und dazu gehört auch, dass bisherige vor allem weisse Farmer enteignet werden. Anders als aber in Simbabwe bedarf es hierfür klarer Regelungen und Verfahren, eine Entschädigung der bisherigen Besitzer und eine Ausbildung der Neubesitzer.

  1. Die bisherigen Landbesitzer haben - unabhängig von den Verteilungsregelungen unter der Apartheid - ihr Land meist von ihren Familien übernommen, sind Verpflichtungen eingegangen und haben hier Leben einschließlich ihres Lebensabends auf die Farmen abgestellt. Eine Enteignung ohne angemessene Entschädigung würde nicht nur eine neue Klasse unzufriedener Bevölkerungsteile schaffen, sondern auch eine Schicht von verarmten Ex-Farmern, die auf Unterstützung des Staates angewiesen sind. Dies mag zunächst günstiger erscheinen, mit den generationsweiten Folgen, unter denen bis heute auch die schwarze Bevölkerung zu kämpfen hat, wird dies jedoch langfristig deutlich teurer.
    Die Erfahrung in den Nachbarstaaten hat gezeigt, dass die Farmbesitzer zwar des Druckes bedürfen, jedoch durchaus bereit sind, einen fairen Ausgleich zu zulassen. Zuma, sollte er Präsident werden, sollte hier die angebotene Hilfe der internationalen Gemeinschaft - vor allem zur Finanzierung dieses Programmes - annehmen und auf die Farmer entsprechend zugehen.
  2. Namibia hat gezeigt, dass die schwarze Bevölkerung derzeit nicht ausreichend qualifiziert ist, um effizient Landbau zu betreiben. Die Verödung ganzer Farmen im Osten Namibias macht deutlich, dass hierfür Hilfe und Ausbildung zwingend erforderlich ist. Zuma wird also nicht umhinkommen, dies auch seinen Anhängern deutlich zu machen und hier massiv in diese Programme zu investieren. Geschieht dies nicht, wird sich an der Verarmung der schwarzen Bevölkerung nichts ändern. Jedoch um den Preis, dass dann auch die enteigntene Farmen auch nicht mehr arbeiten werden und veröden.

Zuma hat auf Populismus gesetzt, am ANC-Präsident zu werden und die Präsidentschaft Südafrikas zu erlangen.
Öffentlich gibt sich Zuma gerne volksnah, tanzt in Leopardenfellen und singt Kriegslieder. Über Simbabwes Tyrannen Robert Mugabe äußerte in er in einem SPIEGEL-Interview nachsichtig: "Die Menschen lieben ihn, wie können wir ihn da verdammen?"
(SPIEGEL online
, 19.12.2007)
Er wird jedoch nicht umhin kommen, Mbekis Kurs inhaltlich fortzusetzen:
Nun scheint Zumas Ära gekommen - doch die Frage bleibt, ob es demnächst noch viel zu verteilen gibt zwischen Kapstadt und Durban. Die weiße Intelligenz verlässt in Massen die selbsternannte "Regenbogennation", weil sie nach den herrschenden Gesetzen kaum noch Chancen auf attraktive Arbeitsplätze hat.
(SPIEGEL online, 19.12.2007)
Südafrikas Entwicklung ist jedoch nur gemeinsam mit allen Bevölkerungsteilen möglich. Der bisherige Kurs Jacob Zumas hat nicht nur die eigene weisse Bevölkerung, sondern auch internationale Investoren vorsichtig werden lassen.

Dabei spielt auch Südafrikas Verantwortung für Afrika insgesamt eine zentrale Rolle, der Zumas Populismus bislang nicht wirklich gerecht geworden ist. Mbeki war einer der Triebkräfte von NePAD, die gerade von abging, auf die Folgen des Kolonialismus hinzuweisen und die african ownership propagierte. Obwohl Defizite in Afrikas Interessenvertretung deutlich wurden, hat Mbeki auf internationaler Bühne Gehör gefunden. Seine regelmässigen Einladungen auf die G8-Gipfel sind hier beredetes Beispiel.

Zuma hat zunächst die Schlacht zwischen der elitären, gebildeten und eleganten Klasse innerhalb des ANC, die von dem kühl und technokratisch wirkenden Mbeki repräsentiert wurde, und den Armen in den Wellblechsiedlungen und Fabriken lebenden Mitgliedern vorerst gewonnen. Und darin steckt auch eine Chance für Südafrika, trotz der wirtschaftlichen Risiken. Das Land kennt seit 15 Jahren faktisch keine Opposition und mit der Zweidrittelmehrheit im Parlament und der Mehrheit in allen neun Provinzen kann er schalten und walten, wie es ihm beliebt.
Nun geht die Befürchtung um, dass der ausgetragene Kampf den ANC spalten könnte. Die Folge wäre die Chance einer neuen multipolaren Gesellschaft, die aus ANC-Land ein politisches South Africa macht, welches demokratischen Strukturen eher angemessen ist. Der Kampf zwischen den Meinungen ist nichts schlechtes und die Dominanz des ANC hat dies bisher verhindert. Bricht der ANC nunmehr auseinander und entwickelt sich daraus neben Zuma's ANC auch ein ANC Mbekis ist der erste Schritt zu einer pluralen Demokratie gelegt. Meinungen werden offen und nicht mehr in den Hinterzimmern ausgetragen. Das Parlament in Cape Town würde die eigentliche Bühne der Nation.

Eine Präsidentschaft Zumas wird daher ein ganzes Bündel von Aufgaben beinhalten. Denn neben Demokratisierung und dem Landanbau wird sich das Land am Kap der Guten Hoffnung weiter diservifizieren müssen: Tourismus, Weinanbau und Rohstoffe sind für zu wenig und bislang ist Zuma ein Programm schuldig geblieben, wie er Südafrikas Probleme lösen will. Nachdem er nun die Macht im ANC gewonnen hat, muss er die zwei verbleibenden Jahre dafür nutzen.


Weiterlesen: Zuma kommt, die Probleme wachsen, SPIEGEL Online 19.12.2007

Tuesday, December 18, 2007

Frankfurts Flughafen: Freigabe zum Wachstum


Lange hat es gedauert, bis auch der Frankfurter Flughafen wachsen konnte. Es ist eine typisch deutsche Krankheit, dass Grossprojekte massiv bekämpft werden und sich grossartige Bürgerintiativen bilden.

Nun hat die hessische Landesregierung des Planfeststellungsbeschluss gefasst, dass die vierte Start- und Landebahn nun doch kommt. Mit dem Ausbau des Münchner Flughafens werden dabei zwei grosse Infrastrukturprojekte angegangen, die für den Standort Deutschland unerlässlich sind.
Man kann nur hoffen, dass FRAPORT damit auch übersichtlicher wird.


Dokumentation
Frankfurts Flughafen wird ausgebaut, ftd.de
Historischer Tag für Frankfurter Flughafen, sueddeutsche.de

Sunday, December 09, 2007

Ein guter Tag für Afrika


Eigentlich sollte Angela Merkel nur den Einführungsvortrag halten. Zwei Sätze sorgten jedoch dafür, dass die deutsche Grand Dame diesen Gipfel positiv dominierte:
"Deshalb dürfen wir nicht wegschauen, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden – wo auch immer dies geschieht ... Simbabwe schadet dem Bild des neuen Afrikas"
Javier Solana betonte wenig später, dass Angela Merkel für die EU insgesamt gesprochen und damit deutlich gemacht hatte, dass die Gespräche zwischen den beiden benachbarten Kontinenten wichtig sind, aber auch für kritische Töne gedacht sind.
Verwundern tut hier eigentlich die Kritik an Merkel von Abdoulaye Wade, dem sengalesischen Präsidenten. Schließlich kann er sich recht beruhigt zurücklehnen, steht sein Land doch nicht so schlecht da was Demokratie und Menschenrechte betrifft - wenn es auch einige Schönheitsflecken gibt. "Ungenaue Information" war er der Bundeskanzlerin vor. Auch Südafrikas Mbeki, Vermittler zwischen Regierung und Opposition in dem nördlichen Nachbarland, war nicht wirklich glücklich.
Mugabe selber war offenbar so überrascht, dass er rund einen Tag brauchte, um sich zu fangen und von "Arroganz" und der "Viererbande" aus Deutschland, Dänemark, Schweden und den Niederlanden zu sprechen. Merkel fand auch hier die richtigen Worte:
"Mugabe hat wohl gerade gesprochen. Das, was ich gesagt habe, das steht in diesem Zusammenhang fest."
Seine Worte "Wir haben nicht schon seit 100 Jahren eine Demokratie." dürften für die heimische Opposition wie Hohn und Spot klingen, war Simbabwe doch einmal so etwas wie ein Musterschüler in Afrika. Erst der Alterstarrsinn machte das Land zum Outsider in der Welt. Man könnte Mugabe mit auf den Weg geben, dass auch in Europa die meisten Staaten noch keine 100 Jahre demokratisch sind, aber dennoch nicht brutal gegen Opposition und bei - gewiss berechtigten - Enteignungen vorgehen.
Weniger erfreulich ist jedoch, dass die anderen afrikanischen Potentanten zu Lasten Mugabes eher verschont geblieben sind: Tschad, Zentralafrika, Gabun, Togo, Elfenbeinküste ... Die Liste wäre länger und nicht unbedeutender als der Fall Simbabwe.

Zu Recht haben die Afrikaner in der Freihandels-Frage Selbstbewusstsein gezeigt. So berechtigt Freihandel ist, so wenig sind die afrikanischen Ökonomien darauf vorbereitet. Bereits heute überschwemmen europäische Hilfstextilien die heimischen Märkte und machen damit die einheimische Industrie kaputt. Auf absehbare Zeit wird es daher beim Freihandel keine Gegenseitigkeit geben, denn während Europa die rund fünf Prozent Freihandels-Importe aus Afrika verträgt, verträgt Afrika die europäischen Importe bislang relativ wenig. Will Europa Freihandel mit Afrika und den AKP-Staaten, wird es zunächst die Bedingungen dort verbessern müssen helfen - gemeinsam mit den Afrikanern.

Friday, December 07, 2007

Die EU und Afrika reden wieder miteinander


Als 2000 in Kairo der erste Gipfel zwischen der EU und der AU stattfand, wurde dies als hoffnungsvoller Auftakt gesehen. In Anlehnung an ASEM soll auch mit Afrika der Dialog institutionalisiert werden: Europa ist nicht nur der grösste Geldgeber in Afrika, sondern für Afrika auch der grösste Handelspartner.

Nach sieben Jahren treffen sich in Lissabon nun erstmals wieder die Staats- und Regierungschefs beider Kontinente zu einem gemeinsamen Meeting. In sieben Jahren ist viel passiert und dass man sich nicht traf wurde fordergründig mit dem simbabwischen "Diktator" Robert Mugabe begründet. Das man sich gleichzeitig mit zahlreichen anderen fragwürdigen Gestalten - sei es Togos Eyadema oder dem guineer Conté - an einen Tisch setzte, schien dabei nur mässig interessant und deshalb auch wenig glaubwürdig.
Europa besitzt bislang keine Strategie über den Umgang mit Afrika. So wird überall beklagt, dass China in Afrika aktiv sei und unkonditioniert Gelder für Öl vergebe. Nicht erwähnt wird jedoch, dass eben wegen der fehlenden Afrika-Strategie Europa gar nicht weis, wie es reagieren soll. Selbst die noch unter Außenminister Fischer 2002 vorgestellten Strategiepapiere sind nur eine Auflistung von Wunschvorstellungen, ohne Interessen und Instrumente zu definieren. Auch das 2005 vorgestellte EU-Papier enthält Aussagen dieser Art nicht. Zu sehr ist man darauf beschränkt, Afrika als Empfänger von Entwicklungshilfe darzustellen als als strategischen Partner.
China wie die USA sind da deutlich weiter. China sucht den Kontakt nicht nur, um seinen Öl- und Energiebedarf zu decken. Afrika ist für die Pekinger Regierung auch politikstrategisch in das Blickfeld gerückt: Mit 52 Staaten im Rücken kann in UN und anderswo viel erreicht werden. China macht dies deutlich und auch die afrikanischen Staats- und Regierungschefs können sich aussuchen, ob sie dies wollen oder nicht.
Auch die USA machten in den vergangenen Jahren deutlich, dass Afrika nicht mehr nur der arme Kontinent, der Hilfe braucht, für sie ist. Zwar haben die Ränkespiele des Kalten Krieges - zum Wohle des Kontinents - ein Ende gefunden. Dennoch sieht die USA Afrika auch als Verbündeten. Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus erfordert ein Ende der Gebiete ohne Regierungsgewalt und um hier die Staaten des Schwarzen Kontinents besser unterstützen zu können, wurden die strategischen Ressourcen zusammengefasst. Auch wenn AfriCommand in Afrika niemand einen Stützpunkt geben will, so zeigt dies doch die neue strategische Ausrichtung U.S.-amerikanischer Afrikapolitik.

Europa hat dies noch nicht erkannt. Da nützt es auch nichts, wenn die Entwicklungshilfeministerin ständig in Afrika unterwegs sind. Sie und ihre europäischen Kollegen haben ihre Hausaufgaben bislang nicht gemacht.
Die Person Robert Mugabe war ein vorgeschobener Grund, in sieben Jahren kein Treffen durchzuführen. Europa hat drastisch reagiert und klar gemacht, dass es mit Mugabes Politik nichts zu tun haben will. Wegen einer Person jedoch einen ganzen Kontinent vom Dialog auszuschließen, entspricht nicht einer gezielten Politik.
Daher muss sich die EU nun klar positionieren: Was will sie, wie will sie dies erreichen. Die EU-AU-Gipfel müssen zur ständigen Erinnerung an dieses zwingende Erfordernis wie ursprünglich geplant jährlich stattfinden.

Thursday, December 06, 2007

Chavez und das Ende der Diktatur


Hugo Chavez hätte sich sicher den Montag anders vorgestellt: Referendum gewonnen, macht ausgebaut, Präsident auf Lebenszeit gewonnen. Es kommt aber häufig anders, als man denkt und dies sagte sich auch die venezolanischen Wähler und meinten, sie wollten keinen dauerhaften Chavez, der ihnen den Fernsehabend durch stundenlange Reden vermiest.

Die Demokratie scheint in südamerikanischen Öl-Staat Venezuela also nicht nicht ganz ad acta gelegt zu sein und damit auch die Einführung des bolivarischen Sozialismus zumindest verschoben. Dabei scheinen selbst eingefleischte Chavistas nicht sonderlich begeistert gewesen zu sein, dem Möchtegern-Diktator noch mehr Vollmachten geben zu wollen. Chavez scheint den Bogen ein wenig überspannt zu haben: die Entlassung unbeliebter Staatsbediensteter und eine Aussenpolitik, die mehr verprellt und langfristig den Wohlstand des Landes gefährden könnte. Die letzte Entgleisung gegenüber dem spanischen König dürfte nicht nur die Beziehungen zum Königreich abflauen lassen - übrigens parteiübergreifend im fernen Madrid -, sondern auch die Europäer nicht wieder gewogener für den Fidel Castro des Festlandes machen. Die USA, deren Präsident er einmal vor der UN als den Teufel bezeichnet hat, steht sowieso auf seinem und Venezuela auf ihrem Index der weniger freundlichen Beziehungen.
Und auch die Wohlverhaltensgeschenke, wie an Boliviens Präsident Evo Morales, mögen zwar den Interessen einer Abhängigkeitspolitik Chavez dienlich sein. Eine gezielte Politik oder gar Entwicklungspolitik ist dahinter jedoch nicht erkennbar. Hier fehlt es an der Nachhaltigkeit und an einem anderen Zweck als der Gegnerschaft zu den USA. Das Ziel einer südamerikanischen Entwicklungsgemeinschaft jedenfalls verfolgt Chavez bislang erkennbar nicht.

Das venezolanische Wahlvolk hat also im wohlverstandenen Eigeninteresse entschieden. Chavez hat zwar im Vorfeld bereits angekündigt, dass Votum in irgendeiner Art und Weise umgehen zu wollen. Das Volk und die Opposition gehen jedoch gestärkt aus dem Urnengang und werden einen solchen Versuch zu verhindern wissen. Die Einigkeit der Opposition - in Venezuela wie vielerorts immer wieder eines der Kernprobleme funktionierender Diktaturen - ist jedoch unabdingbar.

Tuesday, December 04, 2007

Was am Krieg im Irak falsch war


Während die Irak-Politik der USA von vielen Seiten heftig kritisiert wird, bleibt die Irak-Politik zahlreicher europäischer Regierungen nahezu kommentarlos. Bei den Präsidentschaftsbewerbern in den USA geht es daher vielfach nur noch um die Frage, wie haben sie 2002 abgestimmt oder wie hätten sie abgestimmt. Diese Frage ist letztlich zu kurz gegriffen, bleibt sie doch die grundlegende Antwort nach Kriegsgründen und Kriegsberechtigungen schuldig. Es stellt sich jedoch insgesamt die Frage: War der Krieg gegen den Irak falsch? Die Antwort wie in vielen anderen Fragen: Jein, da man die globale Irak-Kriegsfrage in mehrere Teilfragen aufspalten muss.


Gab es einen Kriegsgrund?

Die Frage lässt sich nicht mit einem ausschließlichen Focus auf den Irak beantworten. Mit dem Ende des Kalten Krieges endete die Zeit, als sich die Weltgemeinschaft für die inneren Verhältnisse in einem Land nicht interessierte. Es gab daher in den letzten fünfzehn Jahren zahlreiche Konflikte - in Europa Bosnien, Kroatien und das Kosovo, in Asien Kambodscha, in Afrika den Kongo und Somalia -, bei denen durch die internationale Gemeinschaft interveniert wurde. Dabei kam es nicht immer auf die Zustimmung der Regierung an und insbesondere der Krieg gegen Serbien um das Kosovo 1999 wirft die Frage der formalen Rechtmäßigkeit bereits deshalb auf, da die UN ihm gerade nicht zugestimmt haben. Zurecht bezeichnen viele in den USA die Empörung in Europa als Scheinheilig, haben doch 1999 Schröder und Chirac dem Kosovo-Einsatz der Nato zugestimmt und der damalige Außenminister Fischer musste sich für seine Gewissensentscheidung mit Farbbeuteln beschmeißen lassen.
Dabei stellte sich die Situation im Kosovo 1999 und im Irak nicht erst 2002 durchaus ähnlich dar: die Regierung in Bagdad unterdrückte in massiver Form die Bevölkerungsmehrheit. Betrachtet man die Methoden, so kann wohl getrost gesagt werden, dass der Schlechter von Bagdad um einiges brutaler Vorging: Giftgaseinsatz, Tötung von Schwangeren und andere Greueltaten. Es hätte also unter den gewandelten Vorzeichen mehr als einen Grund gegeben, den Tyrannenmord von Bagdad zu begehen.
Allerdings: genau jener Grund wurde nur in einem sehr schmalen Zeitfenster im Januar 2003 durch die U.S.-Regierung genannt und dann recht schnell wieder in der Überlegungskiste versenkt. Stattdessen präsentierte Außenminister Colin Powell am 5. Februar 2003 ein von Halb- und Falschwahrheiten nur so gespickte Kriegsbegründung, wonach der Irak über Massenvernichtungswaffen verfügte. Selbst die UN-Waffeninspektoren konnten derartige Belege nicht liefern und die Zeit, gründliche Untersuchungen anzustellen, wurde ihnen seitens der USA nicht gewährt.
Es gab insofern einen triftigen Kriegsgrund, nur war dieser nicht Auslöser des Krieges.


Kanzler Schröders "Nein" auf dem Marktplatz von Goslar

Schröders Antwort auf eine deutsche Beteiligung kam zu einer Zeit, als diese Frage noch nicht virulent war und auch noch nicht alle Fakten auf dem Tisch lagen. Mit seinem kategorischen Nein, welchem weder der französische Staatspräsident Chirac noch sein russischer Amtskollege Putin folgten, nahm sich Schröder jedoch in einem erheblichen Maße die Handlungsfreiheit und muss sich schließlich zurechnen lassen, einer der Verursache des Iraq-Krieges zu sein.
Schröder folgte hier einem innenpolitischen Anliegen: dem eigenen Wahlsieg. Und zeigte damit, dass ihm die internationale Politik nur als Vehikel seiner Machtansprüche diente, er diese jedoch nicht zu gestalten gewillt und in der Lage war.
Die Folgen warn jedoch gravierend. Schröder nahm mit seiner genauso voreiligen wie unüberlegten Äußerung seiner Regierung jegliche Handlungsfreiheit. Formell spielte die Bundesrepublik als Sicherheitsratsmitglied noch mit, tatsächlich hatte sie nichts mehr anzubieten und wurde nicht mehr gehört. Die Bundesrepublik hatte sich ins Abseits gestellt.
Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hatte damit ohne Not die Handlungsfähigkeit der Außenpolitik seiner Regierung riskiert und verloren. Das die Bundesregierung zwingend Truppen stellt, wäre nicht einmal erforderlich gewesen. Mit dem Hinweis auf die zahlreichen anderen Einsätze hätte die Bundesregierung eine Überdehnung der Leistungsfähigkeit der Armee berechtigt ins Feld führen können. Damit hätte sie sich gleichzeitig die politische Option offengehalten - Außenminister Fischer hatte dies auf der Sicherheitskonferenz 2003 noch versucht zu retten. Gelungen ist es ihm nicht.

Bush´s fehlender Multilateralismus

Der Irak-Feldzug des U.S.-amerikanischen Präsidenten war schlussendlich zu einem Schlagabtausch zwischen den USA und Europa verkommen. Bush´s Administration hatte, obwohl es ihn gab, keinen wirklichen Kriegsgrund nennen können. Bush hatte sich in die Argumentation versteift: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Und fand hieraus keinen Ausweg mehr, den er gesichtswahrend hätte bewerkstelligen können. Dies war in letzter Konsequenz der eigentliche Kriegsgrund, den die USA wie ihre europäischen Gegenspieler gemeinsam heraufbeschworen hatten.
Präsident Bush jr. Interesse an Außenpolitik war von Anbeginn recht gering und viele Zusammenhänge blieben ihm unverständlich. Über Condolezza Rice, seine Sicherheitsberaterin sagte er nicht zu Unrecht: „Sie erklärt mir die internationale Politik so, dass ich sie verstehe.“ und dies war nicht ein Ausdruck mangelnden Sachverstandes generell, sondern vor allem bezogen auf die Beziehungen der USA nach außen. Bush wie Rice waren weder NeoCons noch Realisten, sondern vor allem Rice betrachtete Außenpolitik von innen heraus als Ziel der Durchsetzung U.S.-amerikanischer Interessen und Ideale. So interpredierten sie die Verhandlung von Madeleine Albright in Pjöngjang über die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen nicht nur als gegen die U.S.-Interessen gerichtet, sondern auch gegen ihre Ideale einer freien Weltgesellschaft und Rückkehr zum Kampf gegen den Kommunismus. Die Sichtweise der Partner - China, Süd-Korea und Japan - interessierte dabei wenig.

Dies verhielt sich in der UN genauso. Die UN war nur dann akzeptabel, wenn sie den Willen D.C. exekutierte. Donald Rumsfeld drückte dies plastisch mit den Worten aus: „Endweder sie stehen an unserer Seite, oder die UN wird untergehen.“ Ebenso sah die Administration von Präsident Bush jr. andere internationale Organisationen und konsultierten die Nato aufgrund der absehbar fehlenden Einstimmigkeit bereits gar nicht.
Bush war im Sommer 2002 über die Widerstand aus Europa überrascht. Dies hatte nicht nur etwas damit zu tun, dass Schröder im bei einem Besuch in Washington im Frühjahr noch versichert hatte, die Iraq-Frage aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Bislang hatten die Europäer vielmehr den USA recht blind vertraut und waren zumindest von Regierungsseite niemals offen gegen die USA aufgetreten. Schon gar nicht Deutschland. Dieses Selbstbewusstsein verstörte eine Politik, die nach den Anschlägen vom 11.9.2001 bereits tief verunsichert war und nach Antworten suchte. Damit wurde offenbar, dass die U.S.-Politik auch in der Vergangenheit nie multilateralistisch ausgelegt war, sondern vielmehr ihr von vielen Seiten Zustimmung oder kein Widerstand entgegen gebracht wurde.
Bush jr. und seine außenpolitischen Berater wussten aus dieser Situation keinen wirklichen Ausweg und trieben den Konflikt auf die Spitze - gemeinsam mit Europa. Ein Nachgeben wurde von ihnen als Scheitern inteprediert, so dass es letztlich nicht mehr um den Iraq, sondern die Machtprobe zwischen den USA und ihren europäischen Verbündeten ging.


Die NeoCons

Den entscheidenden Anstoß zum Krieg im Iraq gaben die NeoCons, wenn sie letztlich mit dem Angriff auch selbst nichts mehr zu tun hatten. Sie hatten bereits Anfang der 1990er Jahre eine Entwicklung im Grunde vorweg genommen, die der Rest der internationalen Politik erst Jahre später nachvollzog: ein Krieg aus humanitären und menschenrechtsorientierten Gründen. Paul Wolfowitz hatte bereits 1991 einen Angriff auf den Iraq gefordert, war damit jedoch in der Administration von Präsident Bush sen. gescheitert. Wolfowitz kam mit seinem Grundanliegen zu früh, wenn dieses auch einige sehr gravierende Fehler beinhaltet hatte.
Mit dem 11. September 2007 sah Wolfowitz und das Project of a new American Century seine Chance gekommen. Präsident Bush jun. brauchte sehr rasch einen Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus. Zwar war Afghanistan rasch geschlagen, die eigentlichen Drahtzieher der Anschläge jedoch unerreichbar. Wolfowitz lieferte mit dem Irak eine zentrale Figur in der von David Frum kreierten „Axes of Evils“. Saddam Hussein lieferte mit seiner Verweigerung der Waffeninspektionen zudem den besten Grund, ihn der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen zu beschuldigen und war generell als Bösewicht bekannt. Präsident Bush jr. hatte den Feind, den er brauchte - innen- wie außenpolitisch.
Hussein eignete sich dafür aus mehreren Gründen und wäre auch für die Europäer ein akzeptabler Grund gewesen. Schlimmer noch als im Kosovo missachtete der Schlächter von Bagdad jegliche Menschenrechte und scheute auch vor Morden in der eigenen Familie nicht zurück. Eine Opposition im Land gab es nicht und die kurdische Aufstandsbewegung war bereit niederkartecht. Europäer, die in den Kosovo einmarschiert waren, konnten also schlecht einen Einmarsch in den Iraq moralisch ablehnen. Die NeoCons vertraten hier ur-amerikanische Werte, wie sie seit der Gründung der USA vertreten waren.

Aber
: Sie ließen sich vor einen Karren spannen, der nicht der ihre war. Das U.S.-Volk benötigte 2002/2003 einen Anker, um den Schock des 11. September verarbeiten zu können. Saddam war die fleischgewordene Symbolfigur, mit deren Ausrottung scheinbar auch der Terrorismus besiegt und die Bedrohung beseitigt werden könnte. Die NeoCons haben damit allzu leicht eine Projektionsfläche geboten, bei der jedoch ihre Ziele und die der Bush-Administration nicht mehr übereinstimmten.


Wiederaufbau

Unabhängig von einem uni- oder multilateralen Vorgehen bedarf der Krieg in einem fremden Land mit dem Ziel eines regime change eines Konzeptes, wie dieser vonstatten gehen soll. Dies hat noch nichts mit der Frage zu tun, wie die politische Landschaft - hier im Iraq - aussehen sollte, aber ein Fahrplan hin zu dieser Landschaft. Den jedoch hatten die USA nicht, das einzigste Kriegsziel war damit tatsächlich am 5. April 2003 mit dem Sturz des Diktators Hussein erreicht und eigentlich hätten die USA wieder das Land verlassen können.
Zurück blieb jedoch ein Land, welches im inneren verfallen war und dessen Führung, so sie überhaupt als solche bezeichnet werden kann, nur unter dem Eindruck massiver Sicherheitsvorkehrungen in der Grünen Zone existiert. Bedenkt man, dass das irakische Volk und alle seine Einzelteile mit demokratischen Verfahren keine Erfahrungen haben, war diese Entwicklung absehbar und ist in anderen Fällen belegt. Nicht nur die bekannten Fälle Afghanistan, das Kosovo oder Bosnien-Herzegowina sind hier Beispiele, sondern auch Deutschland und die in die Unabhängigkeit entlassenen Staaten Afrikas. Jüngstes Beispiel auch hier Timor Leste. Alle diese Staaten haben eines gemeinsam: sie sind aus dem Stand der Unfreiheit in die Eigenstaatlichkeit entlassen worden. Sie sind aber auch vielfältig different, da sie eine unterschiedliche Entwicklung mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen genommen haben.
Die westlichen Alliierten bauten nach 1945 Deutschland langsam von unten - den kommunalen Strukturen - her auf. Erst nach einer langen Übergangsphase mit dem Prinzip der Parteilizenzierung wurde die junge demokratische Bundesrepublik in die (Halb-) Souveränität entlassen.
Anders Afrika: die Kolonialisatoren zogen von heute auf morgen ab. Nur in einem Teil der neuen Staaten kamen Eliten an die Macht, die eine fundierte Ausbildung in der Verwaltung eines Staatswesen und Erfahrung mit demokratischen Strukturen besaßen. Die Folge war eine nahezu flächendeckend
e Ausbreitung von Autokratien und Diktatoren. Das Volk kam quasi vom Regen in die Traufe und eine wirkliche Verbesserung der Lebenssituation wurde nicht erreicht. Erst mehrere Jahrzehnte später nahmen die Staaten, wie in Nigeria unter teilweise erheblichen Restriktionen des Parteibildungsprozesses im Gesamtsstaatsinteresse, eine Wende und orientieren sich hin zu einer pluralen Gesellschaft. Lediglich Namibia schaffte hier einen Übergang ohne eben solche Brüche, aber unter dem wachsamen Auge der internationalen Gemeinschaft.