Monday, April 30, 2007

JungLiberale Außenpolitik


Wenn (Spitzen-) Politiker zur Feder greifen, so ist dies in der Regel etwas durchaus bemerkenswertes. Man erfährt unmittelbar, was der Kurs ist. Wenn jungliberale Politiker einen Gastbeitrag in Welt, einem der grossen Blätter dieser Republik, schreiben dürfen, so ist dies schon etwas besonderes. Johannes Vogel, derzeit Oberhaupt der 9.000er Truppe, hatte nun eine solche und beteiligte sich an der aussenpolitischen Debatte:

Liberale ohne außenpolitisches Leitmotiv
Die Überschrift versprach einen spannenden Beitrag aus dem Ressort "Sex and Crime". Suggerierte er doch, dass da einer mit seiner Partei abrechnete.

Fast 30 Jahre stellte die FDP den Außenminister. Den sicherheitspolitischen Herausforderungen des 21. aber scheint sie nicht immer gewachsen. Sie täte gut daran, ihre Kritik am Abwehrsystem der USA zu überdenken.

Der einleitende Absatz jedoch zeigt, dass alte Reflexe immer noch greifen. Quasi der Kampf links gegen Rechts, ohne zu hinterfragen, ob ein Abwehrsystem in der diskutierten Form und der Art und Weise der Umsetzung sinnvoll und stabilitätsfördernd ist.
Aufgabe der Opposition ist es, die parlamentarische Mehrheit zu kontrollieren. Als Regierung im Wartestand muss man aber auch deutlich machen, wofür man streitet. Nur so lassen sich gute Umfragewerte ausbauen und Wahlen gewinnen. Eine Domäne der FDP ist - schon alleine aus der Parteigeschichte heraus - die Außenpolitik.
Man merkt, da hat jemand die Grundlagenvorlesung "Politische Systeme" im Fach Politische Wissenschaften gehört. Aber richtig verinnerlicht hat er sich scheinbar nur bedingt, denn eine "Regierung im Wartestand" gibt es nur in Großbritannien. Ein Schattenkabinett hat selbst die FDP nicht, wenn sie auch zwischenzeitlich nur mehr ein Schatten ihrer eigenen programmatischen Vergangenheit geworden ist.
Und ein Politikressort als Domäne einer Partei zu bezeichnen ist dann doch etwas verwegen. Niemand käme auf die Idee, die Friedenspolitik als Domäne der PDS oder die Umweltpolitik als eine solche der Grünen verstanden zu wissen (höchstens diese selber).

Die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit Homburger, hat das von der Bundesregierung vorgelegte „Weißbuch der Sicherheitspolitik“ zu Recht mit den Worten „In diesem Weißbuch ist keine gesamtpolitische Konzeption erkennbar“ kritisiert. Doch auch für uns Liberale gilt: Nur mit einem Blick für die Gesamtsituation können Fehlentscheidungen vermieden und die Regierung in die richtige Richtung getrieben werden. Welche Antworten gibt die FDP aber auf die aktuellen Fragen der Außenpolitik? Was sollte gerade liberale Außenpolitik auszeichnen?

Nun. Liberale Politik sollte vor allem auszeichnen, dass sie Politik ist. Aber hier hat man seit Jahren schon nichts mehr vernommen. Das Zweite, was liberale Politik sein sollte, ist, dass sie sich an Werten orientiert und Interessen formuliert. Aber insbesondere an letzterem Scheitern die Entertainer der deutschen Politik genauso wie der Rest des Parlaments.

Einigkeit über außenpolitische Werte

Deutschland kann und darf den Problemen der Welt nicht den Rücken zukehren. Das heißt aber, neben ökonomischen und sicherheitspolitischen Interessen auch für eine Verbreitung der Freiheit in der Welt Verantwortung zu übernehmen. Wir müssen daher zunächst auf europäischer und dann auf transatlantischer Ebene wieder Einigkeit darüber gewinnen, welche Werte unserer Außenpolitik zugrunde liegen. Gemeinsam müssen wir uns dann humanitären Katastrophen entgegenstellen und die Verbreitung von Menschenrechten und Demokratie vorantreiben.

Deutschland kann der (ganzen) Welt schon gar nicht den Rücken zukehren, ist es doch umzingelt von der Welt. Und was die Interessen anbelangt ist es spannend von einem deutschen (Entertainment-) Politiker zu hören, dass es solche gibt, im Gegensatz zu anderen Staaten dieser Welt lässt es aber auch die FDP seit Jahrzehnten vermissen diese auch nur ansatzweise zu definieren. Die Welt wird quasi im unklaren gelassen, rhetorisch der Rücken zugekehrt, was dieses Land überhaupt beabsichtigt.
Und die Werte? Die Waren selbst zu ärgsten Zeiten der NeoCon´s immer die Selben: Achtung von Menschen- und Bürgerrechten, Demokratie und Freiheit. Die NeoCon´s wollten sie lediglich auf eine andere Art und Weise umsetzen als die Mehrzahl der Europäer. Das war´s aber dann auch schon mit den Differenzen in den Grundsatzfragen.

Macht der Westen aktuell aber im Rahmen der Vereinten Nationen genug Druck auf die sudanesische Regierung und deren Unterstützer in China, um das Morden in Darfur endlich zu beenden? Wird Russland genügend in die Pflicht genommen, sich dem UN-Plan für die wohl unumgängliche Unabhängigkeit des Kosovo nicht in den Weg zu stellen? Unternimmt der Westen genug diplomatische Anstrengungen für den Aufbau von funktionierenden Zivilgesellschaften im nahen und mittleren Osten? Wohl kaum.
Die Frage ist wohl eher mit einem geballten JAIN zu beantworten. Ein "Wohl kaum." greift da ziemlich kurz und geht an den Realitäten arg weit vorbei. Medias res:
(1) Darfur: Die Regierungen in Karthoum und Pekingen sind die eine Sache. Aber da gibt es immer noch eine im Tschad, die von Frankreichs Elyseé gestützt wird. Man muss also gar nicht den ausgestreckten Finger betrachten, sondern die drei, die auf einen selber gerichtet sind. Dies ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite wäre, dass man dann auch bereit sein muss, einen Willen ausserhalb des UN-Sicherheitsrates umzusetzen und die Bereitschaft, Deutschlands Truppen international einzusetzen ist gerade bei der oben bereits erwähnten Frau Homburger auf den Null-Punkt gesunken. Also auch hier wieder die drei auf einen selber gerichteten Finger betrachten! Es ist im übrigen noch gar nicht dazu gekommen, Peking´s Regierung vor die Qual der Wahl zu stellen ... und dass auch die Einheitsregierung in Karthoum zu Zugeständnissen bereit ist, hat der quälend lange Friedensprozess im Süden des Landes gezeigt.
(2) Kosovo: Wer sagt denn eigentlich, dass das natürliche Ende des Kosovo in seiner Unabhängigkeit liegen muss. Eigentlich nur Herr Athissari und dies auch vor allem aus der Überlegung heraus, dass die UN-Truppen nicht dauerhaft für Ruhe sorgen können. Rein logisch betrachtet schreibt er nämlich ebenso, dass das Unabhängige Kosovo ebenso wie das Protektorat Kosovo ein dauernder Kostgänger der Weltgemeinschaft sein wird. Das dies nicht sonderlich staatsbildend ist, liegt auf der Hand. Insofern könnte der Widerstand Russland´s durchaus berechtigt sein und über neue Lösungen nachzudenken angebracht wie beispielsweise eine Vereinigung mit Albanien - schließlich die Titularnation der Kosovaren - und im besten Fall Mazedoniens, wo eine nicht unbeträchtliche Zahl von Albanern lebt. Aber vielleicht auch ein Staatenverbund mit Serbien unter Einschluss Albaniens und Mazedoniens. Die notwendige Anstrengung hierzu könnte sich langfristig bezahlt machen.
(3) Naher und Mittlerer Osten: Eigentlich sollte sich im Iraq gezeigt haben, dass es in den wenigsten arabischen Staaten überhaupt eine Zivilgesellschaft, ein Wortungetüm westlicher Prägung gibt. Selbst in so freien Gesellschaften wie Jordanien und Ägypten sind diese westlichen Denkmuster wenig ausgeprägt, wie Volker Perthes in seinen Orientalien Promenaden mal wieder hervorragend beschrieben hat. Das Wort des Pharao´s (oder eben des Königs) hat seinen Wert, der Rest zählt nichts. Wesentlich wichtiger wäre daher daran zu gehen, ein stärkeres Bild von Meinungs- und persönlicher Freiheit zu etablieren als eine neue Spielwiese der politischen Stiftungen aufzubauen.

Positive Bewertung des Raketenabwehrsystems

Aber auch für unsere eigene Sicherheit stellen sich neue Herausforderungen. Die FDP reduziert ihre Position in der laufenden Debatte um das Raketenabwehrsystem leider auf die Forderung nach europäischer Einigkeit und die Verhinderung eines „neuen Rüstungswettlaufs“ durch die Einbindung Russlands. Beides ist natürlich wichtig, schließlich darf die Antwort auf neue Bedrohungen nicht zum Wiederaufflammen alter führen. Viel zu kurz kommt bei uns Liberalen bisher aber die positive Bewertung des Systems selbst.

Da stellt sich die grundsätzliche Frage, ob ein System überhaupt positiv bewertet werden kann. In einer Zeit, in der zwischenstaatliche Kriege und die Bedrohungsperzeption für Europa eher die Ausnahme sind und stattdessen Smartbombs und Terroristen eine ernst zu nehmende Gefahr darstellen darf die zu Recht gefragt werden, ob grossangelegte und teure Abwehrsysteme überhaupt noch in die Zeit passen. Selbst Nordkorea verfügt nicht über die Technologie (und auch nicht über einen wirklichen Willen), Europa mit Raketen zu beschiessen. Auch Russland kann dies nicht vorgeworfen werden und der so viel beschworene Iran besitzt weder die Waffen noch den Willen. Auch wenn die USA und einige Entertainmentliberale das Mullah-Regime gerne zu axis of evils rechnen, muss dies noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
Insofern: Auch die Entertainmentliberalen finden mal ein Korn und in diesem haben sie richtige gefunden.

Die Bedrohung durch einen nuklearen Iran ist eine andere als die des Kalten Krieges. Sicherheit durch Abschreckung funktioniert nicht bei unberechenbaren Akteuren. Dass die aktuelle iranische Regierung nicht immer verantwortlich agiert, hat die Geiselnahme von britischen Soldaten in den letzten Wochen erneut bewiesen. Müssen wir also im eigenen Sicherheitsinteresse nicht auch Vorkehrungen für den Fall treffen, dass diplomatische Bemühungen zur Verhinderung unkalkulierbarer neuer Atommächte scheitern könnten? Eine adäquate Antwort kann hier auch für ganz Europa ein funktionierendes Raketenabwehrsystem sein.
Da werden wieder einmal Äpfel mit Birnen verglichen. Denn was die "Geiselnahme" betrifft, so ist bis heute nicht eindeutig geklärt, wo diese überhaupt festgenommen wurden und dass es sich bei besagter Grenze um eine strittige Grenze handelt. Es könnte also durchaus der Fall sein, dass die Soldaten - wenn auch ohne Absicht - die von Iran angenommene Grenze überschritten haben. Lediglich die PR-Schlacht - auf beiden Seiten - ist dann noch kritisch zu hinterfragen.
Mit den Atomwaffen dürfte es sich dann wohl eher wie mit den WMD im Iraq des Saddam Hussein handeln. Oder noch schlimmer: jeder weiss es diesmal von vornherein, dass dergleichen Behauptungen schlicht die Grundlage fehlt. Der Bau eines Raketenabwehrsystems auf jener Basis steht damit nicht nur auf tönernen Füssen, sondern eher auf spanenen Füssen und droht schon beim Aufbau einzubrechen. Auch Deutschland hat sich hier eine Hysterie hingegeben, die nur mehr an die Unkenntnis des Landes in deutschen Politikerstuben erinnert als dem Willen zu ernsthafter Auseinandersetzung über legitime energiepolitische Interesse eines Landes (die der Iran zumindest schon einmal definiert hat).

Mehr Engagement in Afghanistan

Doch die außenpolitische Diskussion in Deutschland hat noch einen weiten Weg vor sich: Ist uns zum Beispiel wirklich klar, welche Verantwortung wir in den Vereinten Nationen für den Mittleren Osten und im Kampf gegen den Terrorismus übernommen haben? Die Nato steht in Afghanistan ganz offensichtlich an einem Wendepunkt. Entweder zieht sie sich auf mittlere Sicht zurück und überlässt das Land sich selbst oder sie intensiviert ihre Bemühungen und überarbeitet ihre Strategie.

Die Antwort dürfte einfach ausfallen: Nein, es ist der regierenden Klasse nicht bewusst. Und der Rest ist der Weisheit letzter Schluss.

Ersteres hieße, bei der Verbreitung der Freiheit in Afghanistans und der ganzen Region zu scheitern und dem Land zu erlauben, sich in einen Ausbildungsraum für Terroristen zurückzuverwandeln. Also muss man die zweite Alternative konsequent verfolgen. Das heißt zunächst aber, dass Deutschland zu zwei Einsichten kommen muss anstatt über abstruse Vorschläge zur Einbindung der Taliban zur diskutieren: Die zivilen Aufbaubemühungen und die Stärkung von staatlichen Strukturen zum Beispiel durch die Ausbildung und Ausstattung von Polizeikräften müssen erheblich erfolgreicher und effizienter werden als sie das bisher sind.
So schlecht ist Beck´s Vorschlag gar nicht. In dem man nämlich die Taliban an den Tisch des Dialogs holt, fehlt ihnen die Legitimation des Schiessens. Man nennt dies auch Re-Integration in die afghanischen Gesellschaftsstrukturen und nation building.

Aber auch um die militärische Komponente kommt man nicht herum. Der deutsche UN-Sonderbeauftragte Tom Koenigs tritt nicht ohne Grund für eine starke Nato-Präsenz und mehr Engagement der Europäer als bisher ein. Die Bundeswehr wird also bei der Unterstützung der Verbündeten im umkämpften Süden des Landes auch über die Tornados hinaus zunehmend dabei sein müssen. Hierüber offen zu reden, ist hierzulande mehr als überfällig. Es muss die Aufgabe liberaler Außenpolitik sein, in dieser Debatte klar für die deutsche Mitverantwortung in Afghanistan Partei zu ergreifen.
Das ist auch der erste wahre Satz in dem ganzen Beitrag ... aber ob der Vorsitzende der Spassjugendorganisation dafür den nötigen Rückhalt hat, ist doch fraglich. Beschäftigt sich seine Organisation doch bereits seit Jahren mehr damit, wie sie den richtigen Spassfaktor fabriziert als ordentliche Politik zu kreieren.

Umbau der Bundeswehr

Die Frage des Einsatzes der Bundeswehr führt unweigerlich auch zu einem letzten Thema: In der jüngeren Vergangenheit wurde viel über knappe Kapazitäten, mangelnde Ausrüstung und veraltete Strukturen der Bundeswehr diskutiert. Sicherheit gibt es nicht kostenlos; es ist inakzeptabel, das Leben von Soldaten leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Darf der Schluss daraus dann aber der Rückzug aus internationaler Verantwortung sein? Oder muss die Folgerung nicht viel mehr der konsequente Umbau der Bundeswehr zu einer schlanken, flexibel einsetzbaren und gut ausgebildeten Truppe ohne Wehrpflicht sein?

Allerdings müssten dazu mal die Konzeptionen wieder hervorholt werden. Schließlich gab es schon einmal einen Sonderparteitag und später auch das Votum für die Freiwilligenarmee. Daraus hat die Spassfraktion der deutschen Politik jedoch bislang nichts gemacht.

Deutschland steht in der Außenpolitik vor allem diplomatisch vor großen Herausforderungen. Die liberale Gesamtkonzeption hierfür sollte aber klar sein: Ein roter Faden der Freiheit ist das Leitmotiv, dass aller deutschen Außenpolitik zugrunde liegen muss. Es ist Aufgabe der FDP, für dieses Leitmotiv engagiert zu streiten.
Betrachtet man jetzt den SPD-Programmentwurf so könnte man meinen, da beschreibt einer die Leitgedanken der Sozi´s. Oder auch der anderen Parteien im Bundestag. Die nehmen allesamt für sich in Anspruch, dass die Freiheit ihr roter aussenpolitischer Faden ist. Was jedoch seit dem Abgang der letzten Aussenpolitiker eines Schlages Kinkel oder Irmer fehlt ist ein Gesamtkonzept anstatt ein Lavieren (übrigens auch der Jungen Liberalen, deren Antragsbücher im außenpolitischen Spektrum immer dünner geworden sind).

Das Problem ist doch nicht ein nuklearer Iran, genauso wenig wie ein nukleares Isreal, ein nukleares Indien, ein nukleares Pakistan, ein nukleares Nordkorea, ein nukleares Südafrika. Das Problem ist die ungenügende Einhaltung von Nichtverbreitungsverträgen. Anstatt also an den Symptomen herumzudoktorn einen Raketenschirm zu bauen, würde ich lieber wissen wollen, wie die Nichtverbreitung in Zukunft sichergestellt werden soll?

Gute Frage. Einerseits müsste man dazu erstmal zwei Fehler in der Denke aufklären. Nach offizieller Lesart ist weder Israel noch Südafrika ein Nuclearstaat. Während dies für Südafrika zutrifft, ist dies bei Israel nicht der Fall und wer dies in diesem Land anspricht hat sich umgehend einigen Ärger eingebrockt (und darf noch nicht einmal in die Nähe einer ausländischen Botschaft seinen Fuss setzen).
Was einen jedoch mehr wundert ist, dass oben für jenen Raketenschirm so intensiv geworden wird und dieser selbige an dieser Stelle für irrelevant erklärt wird. Aber um die Frage zu beantworten: so schlecht war das Nichtverbreitungsregime gar nicht aus dem Mix an dem Verzicht auf den Besitz von A-Waffen und der Kontrolle. Es haben jedoch zwei Dinge gefehlt: die Teilnahme beispielsweise Israels oder Indiens an diesem Vertragsregime und die Kontrolle auch der westlichen Staaten. Während zu erstererem es nun die vornehmste deutsche Aufgabe sein kann, beide Länder von einer Vertragsunterzeichnung zu überzeugen, würde letzteres zu einer erhöhten Akzeptanz seitens viele Entwicklungs- und Schwellenländer führen.

Auch ansonsten fehlen mir klare Aussagen: Was soll die Bundeswehr denn machen, wenn sie endlich eine "schlanke, flexibel einsetzbare und gut ausgebildete Truppe ohne Wehrpflicht" ist? Wo sind die deutschen Interessen? In Afrika? In Asien? Im Nahen Osten? Wie stark soll die deutsche Außenpolitik in der EU integriert sein? Wie stark in der UN? Unterstützt die FDP einen permanenten Sitz der BRD im UN-Sicherheitsrat? Wie soll das Verhältnis zu den USA sein? Wie zu Russland und China? Soll Deutschland in Zukunft mehr auf hard power setzen oder auf soft power? Das Auswärige Amt stärken oder das Verteidigungsministerium? Die Goethe-Institute oder die Investitionen in die Entwicklung von Militärtechnologie?

Manchmal hilft ein Blick in das eigene Parteiarchiv: während beispielsweise der Gottvater liberaler Außenpolitik der 1990er Jahre, Klaus Kinkel, für einen ständigen deutschen UN-Sitz plädierte, waren die Jungen Liberalen immer dagegen. Vielmehr sprachen sie sich für eine "Egalisierung" des UN-Sicherheitsrates aus. Die Konzepte liegen also vor und müssen nur aus der Schublade gezogen werden.
Was die Interessenlage anbelangt wäre es in der Tat mal ein Donnerschlag, wenn sich eine Partei dazu aufraffen würde, diese auch zu definieren. Dazu gehört jedoch immer noch Mut, da aussenpolitische Interessen immer noch mit Revanchismus und Nationalismus gleichgesetzt werden. Also nur zu.
Und zuguter Letzt: wieso sollte das AA gegenüber dem Verteidigungsministerium gestärkt werden, oder eben umgekehrt. Beide Ressorts haben ihre spezifischen Aufgaben und sieht man einmal von einer Eingliederung des BMZ in das AA - eine altbekannte liberale Forderung - ab, so ist die Kräfteverteilung durchaus austariert. Und eine inhaltliche Auseinandersetzung hat noch nie geschadet. Es ist also ein Problem erkannt worden, welches überhaupt nicht existent ist.

Bevor die FDP wieder den Außenminister stellt, sollte sie sich also nicht nur über die aktuellen Fragen der Außenpolitik Gedanken machen, sondern auch über die grundsätzlichen.

Dies ist wohl war. Dazu müsste sie jedoch auch erst einmal wieder fähige Aussenpolitiker besitzen, die nicht nur vermeintliches Expertenwissen zum besten geben, sondern konzeptionell denken.


PS: Was für die Aussenpolitik der Entertainment-Opposition gilt kann getrost auch für den Rest des Programm- und Personaltableaus gesagt werden.

Monday, April 23, 2007

Wahlwochenende I. Teil: Frankreich


Als vor fünf Jahren die Wahllokale in Frankreich schlossen, war die (bedenkenswerte) Sensation perfekt: aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen zogen Staatspräsident Chirac und Rechtsaussen Jean-Marie LePen in die Stichwahl ein. Der sozialistische Kandidat Lionel Jospin, bis dahin Premierminister, musste unter Aufgabe der Identität seiner eigenen Partei aber im Interesse des demokratischen Frankreichs zur Wahl Chiracs aufrufen, um LePen den Weg in den Elysee zu verbauen.
2007 sah die französische Parteienwelt etwas freundlicher aus: mit Nicolas Sarkozy und Ségoléne Royal besaßen beide grosse Parteien Frankreich Kandidaten neuen Typs: nur Royal war Absolventin der ebenso geachteten wie verhaßten Kaderschmiede ENA und sie waren beide gegend das eigene Parteiestablishment nominiert worden. Die Feindschaft zwischen Sarkozy und Chirac ist fast schon legendär.

Dabei ist die überraschend hohe Wahlbeteiligung eine der wesentlichsten Ursachen für das diesmalige Scheitern von LePen. Dieser hat es wieder darauf abgezielt in die Stichwahlen zu gelangen. Aber der Schock von 2002 sass tief im Herzen der Franzosen fest: vor allem die niedrige Wahlbeteiligung hatte LePen den einmaligen Triumph gewährt, Aug um Aug mit einem Vertreter der "etablierten" Parteien in den Kampf zu ziehen. Lionel Jospin war aus dem Rennen und eine wirkliche Alternative zu Chirac besassen die Franzosen damit nicht.
Die Franzosen haben gemerkt, dass ihre Stimme wichtig ist. Royal hat es vermocht, Stimmen der (zersplitterten) Linken auf sich zu vereinigen und wenn auch deutlich sich hinter Sarkozy und vor den anderen Mitbewerbern durchzusetzen. Mit Bayrou stand zudem ein liberaler Kandidat bereit, der quasi hätte einspringen können, wenn Royal die Stichwahl nicht geschafft hätte. Das demokratische Frankreich war somit abgesichert und die Franzosen zeigten, dass sie in der Lage sind, eine erneute internationale Blamage zu verhindern.

Wie es nun weitergeht ist offen. Sarkozy´s 31,11 Prozent und Royal´s 25,83 Prozent der Wählerstimmen langen beide nicht für den Elyseé. Und auch, wenn Sarko die Stimmen des Rechtsextremen LePen (10,81 Prozent) auf sich vereinigen kann, kann er nur von Frankreichs höchstem Staatsamt träumen. Royal kann dafür die Stimmen (14,01 Prozent) der anderen linken Kandidaten fest in ihr Resservoir verbuchen. Bleibt noch der liberale Francois Bayrou, der immerhin 18,55 Prozent vertreten hat. Betrachtet man Sarko´s Ausländer- und Minderheitenpolitik der starken Hand ist die Zurechnung von Bayrou nicht sehr wahrscheinlich und so werden die nächsten zwei Wochen ein Wettrennen sein. Bayrou hat dabei eine Wahlempfehlung ausgeschlossen, aber vielleicht ist Frankreich eine sozialistische Präsidentin zu wünschen, die sich neben der Liberalisierung und des Umbaus der Wirtschaft - ein Thema beider Kandidaten - auch für die Integration die vielen Minderheiten einsetzt. Diese leben vorwiegend banlieue ohne rechte Perspektive. Und während Sarkozy bei den Unruhen im vergangenen Jahr hart durchgegriffen hat, steht Royal eher für eine Hebung des Sozialstandards.
Royal hat hier einiges erreichen können. Sie hat bereits jetzt geschafft, in den banlieue Wählerstimmen gut zu machen.

Und: Mit einer Kandidatin Royal würden die beiden grossen Gründungsnationen der Europäischen Union von Frauen regiert.


Linktipp

Nach hoher Wahlbeteiligung wird ein "Sieg der Demokratie" konstatiert - jetzt Duell "Sarko-Ségo", CAP 23.4.2007
Wahlen in Frankreich 2007 . Wahldossier der SWP Berlin

Der Wochenaufreger


Und schon hat die Deutschland einen neuen Aufreger - und es scheint, es gibt nichts wichtiges. Wer in Deutschland sucht den Superstar mitspielt, bekommt Waschkörbeweise Schwärmbriefe und ist für einige Wochen in einem Medienhyp gefangen. Auch wenn meist nur einer einen Plattenvertrag und kurzfristigen Ruhm erntet, während der Show sind sie erstmal alle Superstars. Und immer wieder menschelt es auch.
Und nun: der Rocker ist ausgeschieden und das scheint eine grosse Gemeinheit zu sein. Genauer betrachtet hat man aber eigentlich bloss verpasst, rechtzeitig die beiderseitigen Vorstellungen zu klären. Während Buskohl wohl vor allem seine Band promoten wollte, wollte RTL eine tolle Show veranstalten und ein nettes Gesicht verkaufen.
Man kann da dem jungen Fast-Star nur wünschen, dass seine Träume in Erfüllung gehen. Einen gewissen Bekanntheitsgrad hat er jetzt und eine Fangemeinde auch.

Monday, April 16, 2007

New York Times im Future Building


Wenn eine Zeitung umzieht, ist dies normalerweise kein Ereignis von weltbewegender Bedeutung. Wenn die New York Times ein neues Gebäude bezieht, so ist dies ein Ereignis von epochalen Ausmaßen - zumindest für die Medienlandschaft. Der Umzug ist aus zwei Gründen ein Ereignis, welches die Medienwelt nicht unbeobachtet über sich gehen lassen.

Von einem Gebäude im Stile des New Yorker frühen 20. Jahrhunderts zieht die Zeitung in einen transparenten Glaspalast in Gestalt eines Zahnstochers. Es ist ein Gebäude, welches selbst multimedial gestaltet ist und in dem alle Arbeitsplätze bereits vernetzt sind. Eine der ältesten Traditionszeitungen geht damit einen Schritt, der die vernetzte Welt zum Inbegriff seiner selbst macht.
Und das neue Gebäude macht alle gleich. Vom Büroboten bis zum leitenden Redakteur ist das Mobiliar gleich. Die liebgewonnene Gewohnheit eigenen Mobiliars müssen die Redakteure aufgeben.

Medienpolitisch ist jedoch eine andere Entwicklung wesentlich wichtiger. Das Zusammengehen von Print- und Onlineredaktion in einen gemeinsamen Newsroom nimmt eine Entwicklung vorweg, die sich bereits seit einiger Zeit abzeichnet. Online-Medien werden immer wichtiger für die Meinungsbildung. In Deutschland stehen so Der Spiegel und Spiegel online in der Wahrnehmung an gleicher Stelle.
Und deshalb wurden auch in den vergangenen Jahren in die Online-Ausgaben der Zeitungen und Zeitschriften immer stärkere Investitionen getätigt. Beiträge werden ausschließlich für Online-Ausgaben geschrieben und sind weltweit abrufbar. Über Foren besteht ein direkter Austausch mit den Lesern. Zeitung wird damit interaktiv und das Meinungsbildungsmonopol der Redakteure durchbrochen.
Ob eines Tages Printausgaben ganz verschwinden, ist noch nicht entschieden. Das Zusammenziehen der Online- und Printredaktion verdeutlicht jedoch eine stärkere Verzahnung und eine Aufwertung des Online-Bereichs.
Aller Anfang ist... flach: "New York Times"-Gebäude an der Park Row 41 in Lower Manhattan. Hier hauste die Zeitung zwischen 1857 und 1888

Die (Noch-)Heimat der "New York Times" in der West 43rd Street

Bauarbeiten am "Times Tower": Erinnerungen an den Bau des "Empire State Buildings"

Sechs Stockwerke Atrium, Innenhof mit Birken: Auch für Kontemplation ist gesorgt (Computer-Entwurf)

ein bisschen Patriotismus darf auch dabei sein, wenn die "Old Gray Lady" umzieht

Entwurf der Arbeitsplätze für die Redaktion: Wahrgewordener Pixeltraum

Manhattan zu Füßen: Blick aus dem "Times"-Tower auf die Stadt

Konstruktion des filigranen Piano-Entwurfs: "Geradezu flipsig"

Blick auf die Stadt: Die "New York Times" belegt allerdings "nur" die ersten 27 Stockwerke, der Rest wird vermietet

Imposante Fassade: Renzo Pianos Prachtbau ist 348 Meter hoch

Arbeiten im Bauch des Gebäudes: Annie Leibovitz dokumentierte die Entstehung des Gebäudes mit eindringlichen Bildern

Viel Licht: Computersimulierter Blick auf die Glasfassade des neuen "Times"-Towers

Arbeiten bis in die Nacht: Dieses Bild erleuchteter Hochhaus-Fenster dürften die New Yorker zukünftig öfter sehen

Bauarbeiten am "New York Times"-Building, fotografiert von Annie Leibovitz

Baustelle im Nebel: Aufnahme von den Bauarbeiten von Star-Fotografin Annie Leibovitz, 2005

Transparenter Turm: Entwurfs-Grafik von Renzo Pianos "Times"-Tower

Geräumige Interieurs im neuen Tower: "Multimedia für alle"

Abschied vom Alten: Diesen Eingangsbereich am Times Square nutzen die "Times"-Redakteure nur noch wenige Wochen

Thursday, April 12, 2007

Witzeln über George W.



Die Witze über die technische Begabung von Politikern sind weit verbreitet. Über Klaus Kinkel wird immer wieder gern die Annektode erzählt, wie er eine Computermaus vor Journalisten bewegen sollte und die anhob. Angela Merkel´s SMS-Qualitäten sind ebenfalls allbekannt und damit hat sie sich in die vordere Reihe der technologiebegeisterten Politiker geschoben.

Auch U.S.-Präsident George W. Bush wurde gebeten, bei einer Autoschau die neueste Qualität des Automarktes zu testen und hätte damit fast sich und seine Umgebung in die Luft gesprengt. Ford-Chef Alan Mulally, dessen Firma das Wasserstoff- und Elektro-betriebene Auto konstruierte, scheint dieses Malleur gerade noch verhindert zu haben. Obwohl er damit der Welt einen Dienst erwiesen hat - der Tod eines amtierenden U.S.-Präsidenten lässt die Welt schließlich im Stillstand verharren - musste er sich nun entschuldigen. Er hatte schlicht den Fehler begangen, seine Heldentat auszuplaudern. Es gilt halt doch nicht immer das Prinzip "Tu gutes und rede darüber."

Thursday, April 05, 2007

Mauretanien von der Diktatur zur Demokratie


Die wenigsten in Europa dürften überhaupt von dem Land Kenntnis genommen haben, obwohl es in den vergangenen Jahren (negativ) in die europäischen Schlagzeilen geraten ist. Hatten sich doch von der Küste Mauretaniens zahlreiche Flüchtlinge aufgemacht, um auf den Canaren Asyl zu suchen.

Obwohl noch vor einiger Zeit eine respektable Diktatur hat es nun den afrikanischen Weg beschritten und in demokratischen Wahlen einen neuen Präsidenten gewählt. Nachdem bereits im vergangenen Sommer ein neues Parlament gewählt wurde, wurde nun am 11. und 25. März 2007 ein neuer ziviler Präsident gewählt. Das Militär, welches 2005 gegen den damaligen Präsidenten putschte, hatte sich bewusst nicht an den Wahlen beteiligt. Ein Wahlbeobachter hierzu:
"Die derzeitige Übergangsregierung hat sich in der Öffentlichkeit ganz klar zur Neutralität verpflichtet. Das war auch die klare Anordnung des Militärrats. Und es gibt bislang keine handfesten Beweise für einen Verstoß gegen diese Regelung."
Die Militärs hatte 2005 gegen den seit 1984 amtierenden Präsidenten Maaouya Ould Sid´Ahmed Taya geputscht, sich jedoch bereits früh auf die Einführung von demokratischen Zuständen verpflichtet. Taya hatte zwar mehrere Wahlen durchgeführt, diese galten jedoch weitgehend als gefälscht. Insofern konnte das Militär auf den Rückhalt der Bevölkerung zählen und führte mehrere Reformen in den Staatsaufgaben und den Staatsorganen durch. Unter anderem wurde die Amtszeit des Präsidenten beschränkt.
Mauretanien ist dabei ein Beispiel sowohl für Afrika wie auch für die islamische Welt. Zwar ist es nicht das erste Land, welches demokratische Wahlen durchführt. Aber es ist ein Erfolg, dass nach einem Militärputsch in kurzer Zeit die Rückkehr zur Demokratie möglich wurde. Der arme Wüstenstaat am Randa der Sahara hat damit gezeigt, dass Diktatur überwindbar ist und der neue Weg auch in der Bevölkerung Rückhalt finden kann.
Einzigster Schönheitsfehler ist, dass Präsident Taya in Qatar weiterhin im Exil lebt. Aber vielleicht ist dies ein Weg, um ein Land befrieden zu können.


Quellen:
Wie frei sind die Präsidentschaftswahlen?, DW World 10.3.2007
Thomas Schiller: Präsidentschaftswahlen in Mauretanien gehen in die 2. Runde, KAS International 13.3.2007
Favoritensieg bei Präsidentschaftswahlen in Mauretanien, KAS International 27.3.2007
Mauritania: Colonialism to dictatorship to democracy, Jerusalem Post 5.4.2007

Sunday, April 01, 2007

Qatar wählt


Auch die Golf-Emirate zeigen, dass bei Ihnen ein Reformprozess eingesetzt hat. Die absolute Macht ist vorbei.
"Doha: Qataris go to the polls today to renew the Central Municipal Council, a 29-member chamber with limited advisory powers.
Some 28,153 eligible voters are expected to flock to polling stations between 8am and 5pm. The final results of the vote are expected late in the evening.
All Qatari citizens, men and women aged above 18, and naturalised Qataris, who acquired nationality more than 10 years ago, are taking part in the vote. The armed forces and the interior ministry's officials cannot cast a vote.
Some 125 candidates including three women are contesting in 29 constituencies across the country. However, two candidates, Ali Al Kuwari from the Bin Omran constituency and Saqr Al Muhannadi from Al Khor, have already been awarded two of the 29 council's seats, after others running in their constituencies withdrew from the contest.
The election is considered by observers a "democratic exercise" as the country gears up to host parliamentary elections by year-end. But constraints imposed over the Council's powers have created disillusionment among voters and the turn-out today might be deluding, an official warned.

Drop in interest
"Many people might decide not to vote this year, like in the previous election of 2003, when there was a remarkable drop in people's interest in the election. Some Qataris are disappointed by the fact that the Council's operations have not met their expectations. Others complain it does not have enough powers to bring changes," said an official at the election department of the ministry of interior, who asked not to be named.
The council is elected every four years. In the first election in 1999, voters' enthusiasm was reflected in a high turnout at polling stations, with 17,531 Qataris voting out of 21,990. However, in the second election in 2003 only 7,742 Qataris voted out of 24,179 eligible voters.
Today, in each constituency a committee formed by a judge, an official of the ministry of interior and a civil society's representative will monitor the voting procedures. Qataris will be asked to register their names and present a valid identity card to the committee. The vote will be manual with voters asked to put a cross over the name and picture of the favourite candidate."
gulfnews.com, 1.3.2007