Monday, January 29, 2007

Die vierteljährliche Sau


Der frühere Innenminister Kanther sagte es einmal: Die Deutschen haben die Angewohnheit, alle Vierteljahre eine neue Sau durchs Dorf zu treiben. Diese Sau hat meist auch einen Namen. Im letzten Vierteljahr hieß diese Sau Klaus Kleinfeld und da Weihnachten war bekamen die Deutschen mit Heinrich von Pierer eine Zugabe.

In diesem Vierteljahr war eine neue Sau fällig und die Deutschen haben sich hierfür ihren Außenminister Frank-Walter Steinmeier ausgesucht. Mit was hat er nun eigentlich den Zorn des politischen Berlins und der Journalie auf sich gezogen: er war Kanzleramtsminister in einer nicht ganz einfachen Zeit und er war Geheimdienstkoordinator. Damit musste er sich auch mit Guantanamo beschäftigen, jener eher unappetitlichen Geschichte U.S.-amerikanische Menschenrechtspolitik.
Steinmeier kann für zweierlei Dinge nichts: dass es den 11. September gab und dass es Guantanamo gab. In jene zwei Ereignisse war wohl eher unbemerkt auch der gebürtige Bremer und mit türkischem Paß ausgestattet Murat Kurnaz hineingeraten. Jedenfalls spürten ihn die U.S.-Truppen irgendwo im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan auf und verfrachteten ihn kurze Zeit später in die U.S.-Enklave auf der cubanischen Caribicinsel. Dies sindd die Fakten und sie sind unbestritten.

Unbestritten ist auch, dass Steinmeier keine besonderen Anstrengungen unternahm, um Kurnaz nach Deutschland zurückzuholen und vielleicht auch dies zu verhindern versuchte. Die Begründung ist recht simpel für ihn:
Man muss sich ja nur vorstellen, was geschehen würde, wenn es zu einem Anschlag gekommen wäre und nachher stellte sich heraus: Wir hätten ihn verhindern können.
(Spiegel Online 27. Januar 2007)
Und er sagte einen weiteren wichtigen Satz:
Ich würde mich heute nicht anders entscheiden.
(Spiegel Online 29. Januar 2007)
Die Bundeskanzlerin sendet nahezu tägliche Treueschwüre aus, was im alltäglichen Leben faktisch schon das Todesurteil bedeutet, man erinnere sich an Edmund Stoiber. Und am treuherzigsten verhält sich der grüne Ex-Koalitionspartner, der zwischenzeitlich, obwohl für die Zeit mitverantwortlich, Rücktrittsforderungen aussendet.
Was aber eine besondere Bewertung verdient ist, dass Kurnaz türkischer Staatsbürger ist und in der Türkei scheinbar auch Frau und Kind hat. Im internationalen Recht ist es eigentlich üblich, dass sich zunächst einmal der eigene Staat um seine Staatsbürger kümmert. Jener hat sich aber ganz bewußt nicht für seine Freilassung eingesetzt und Kurnaz quasi seinem Schicksal überlassen, die Gründe hierfür sind eher spekulativ. Nun wird faktisch einem deutschen Kanzleramts- und heutigen Außenminister ein Vorwurf daraus gemacht, dass er sich nicht für einen fremden Staatsbürger einsetzt. Es fällt auf, dass die Türkei hier überhaupt keine Rolle spielt.
Es verwundert einen doch sehr, was so neuerdings das politische Berlin aufregt. Zieht man die richtigen Schlüsse daraus müssten sich künftig deutsche Regierungsstellen fortlaufend mit rund 6 Milliarden Menschen beschäftigen, wollen sie nicht in die Kritik der deutschen Opposition geraten und dies ist dann doch bereits zu viel des Guten. Steinmeier hat somit richtig entscheiden, egal ob es um den Einsatz von Kurnaz als V-Mann in Bremen ging oder nicht (die diesbezüglichen Schlagzeilen wären dabei ebenso ausmalbar und es zeigt sich: eine Regierung kann machen was sie will, sie macht es immer falsch). Denn es kann udn soll nicht Aufgabe deutscher Regierungsstellen sein, sich um jeden Weltenbürger persönlich zu kümmern, deutsche Staatsbürger geraten selbst bereits in ausreichend Missgeschicke und diese sind schon teuer genug.

Thursday, January 18, 2007

Stoiber und sein Rücktritt

14.00 Uhr Staatskanzlei München, Franz-Josef-Strauß-Ring 1
Zwar tritt Edmund Stoiber nicht das letzte Mal als Ministerpräsident auf. Aber alle weiteren Auftritte werden als Abschiedstour veranstaltet.

Edmund Stoiber erklärt seinen Rücktritt als CSU-Vorsitzender
und Bayerischer Ministerpräsident


Kurzportrait zu Edmund Stoiber und die Krise der CSU
Reaktionen zum Rücktritt: Angela Merkel

Die Rücktrittserklärung von Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber

"Der Erfolg und die Geschlossenheit der CSU, das Wohl und die Zukunftsfähigkeit des Freistaats Bayern waren stets mein oberstes politisches Ziel. Entsprechend dieser Zielsetzung habe ich mich entschlossen, bei der Landtagswahl 2008 nicht mehr anzutreten. Ich werde mein Amt als bayerischer Ministerpräsident zum 30. September 2007 abgeben. Ich werde auf dem CSU-Parteitag im September auch nicht mehr als CSU-Vorsitzender kandidieren. Wir haben in der CSU vereinbart, dass auf dem Parteitag im September der Parteivorsitzende gewählt und der Spitzenkandidat für die kommende Landtagswahl im September 2008 nominiert wird.

Diese Entscheidung habe ich getroffen, weil es mir wichtig ist, zum richtigen Zeitpunkt für Bayern und für die CSU zu handeln. Ich werde morgen die Spitzen unserer Partei in München und Berlin zu Gesprächen in die Staatskanzlei einladen, um die Entscheidungen für die künftige Spitze in Partei und Staat vorzubereiten. Mein Ziel ist, dass Bayern auch in Zukunft das erfolgreichste Land und die CSU die erfolgreichste Partei bleibt."

Wednesday, January 17, 2007

Am Ende war mal Schluß

Edmund Stoibers betende Hände

Irgendwann ist jede Party mal vorbei. So auch die von Edmund Stoiber und irgendwann muss auch der (ehemals) stärkste Ministerpräsident erkennen, dass seine Zeit abgelaufen ist. Auch wenn der Bayerische Rundfunk mitternächts am 16. Januar 2007 noch (!) etwas vorschnell Stoibers Rückzug bekanntgab, so bleibt es doch dabei, dass Stoiber politisch am Ende ist.

Als Stoiber am Montag im Fraktionsvorstand ankündigte, er müsse auch nicht zur Landtagswahl im Herbst 2008 antreten, wusste er wohl bereits selbst, dass er damit seinen Rückzug, wenn auch auf Raten, bekanntgegeben hat. Politiker müssen antreten, ohne Wenn und ohne Aber. Machen sie einmal einen Rückzieher oder einen Konjunktiv, sind sie am Ende ihrer politischen Karriere angelangt.
Die CSU kennt diesen Prozess. 1993 war Stoiber es noch, der sich gerade in der Korruptionsaffäre aus der Schlinge gezogen um das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten kämpfte und gewann. Max Streibl wollte auch nicht gehen, trotz zahlreiche Affären und insgesamt sechs Untersuchungsausschüsse im Landtag. Die CSU schaffte es trotzdem, Streibl zu überzeugen und zu drängen, sein Amt aufzugeben und den geordneten Rückzug anzutreten. Es scheint ein Grundproblem von Politikern zu sein, dass sie nicht wissen wann es Zeit zu gehen ist. Kohl, Schröder, Stoiber, Streibl, Fischer sind nur die wichtigsten Namen der vergangenen Jahre. Der einzigste Politiker, der aus freien Stücken sein Amt aufgegeben hat und den Zeitpunkt noch allein bestimmen konnte war Hans-Dietrich Genscher nach rund 18jähriger Amtsdauer als deutscher Außenminister.
Andere Länder haben dies besser gelöst: in Mexiko endet die Amtszeit eines Präsidenten nach exakt einer Legislaturperiode, Verlängerung ausgeschlossen. In den USA ist nach acht Jahren Schluss und auch die russischen Präsidenten dürfen sich nach acht Jahren auf einen geruhsamen Alterssitz zurückziehen. Selbst Unternehmen wie BMW haben zwischenzeitliche zumindest eine Altersgrenze gezogen, bis zu der ihr Spitzenpersonal im Amt bleibt, danach ist unweigerlich Schluss und Platz für neue Köpfe und neue Ideen. Die Financial Times Deutschland schrieb:
In Europa hingegen schien es für Amtszeitbeschränkungen lange keinen Grund zu geben. Schließlich gehörten einige der am längsten amtierenden Staats- und Regierungschefs wie Konrad Adenauer, Charles de Gaulle oder Margaret Thatcher zu den großen Politikern der europäischen Nachkriegszeit. Das ist heute anders.
Hat sie im ersten Teil ihrer Aussage noch Recht, so ist der zweite Teil ebenso falsch. Es gab und gibt einen Grund für eine Amtszeitbeschränkung, den die USA bereits seit 1947 im 22. Zusatzartikel, nach einer viermaligen Amtszeit von Präsident Franklin D. Roosevelt, kennen: der persönliche Verschleiß und der Tunnelblick. Kohl und Stoiber waren ebenso großartige Regierungschefs wie die genannten. Aber die Erfahrung lehrt, dass nach zwei Legislaturperioden schlicht Schluss ist mit dem munteren Regieren und es um den Bestandsschutz und das Geschichtsbild geht. Kohl war eine Ausnahme, aber nicht wegen seiner eigenen Brillianz, sondern weil ihm die Geschichte das Geschenk der Deutschen Einheit in den Schoß gelegt hat und es hier einen starken eingespielten Regierungschef brauchte. 1994 war aber spätestens auch bei ihm Schluss und der Abgang mehr als quälend.
Und Kohl wusste dies ebenso wie alle anderen, auch Stoiber. Aber sie wurden getragen von Wahlerfolg zu Wahlerfolg. Stoiber, und hier liegt die eigentliche Krux, fuhr 2003 erstmals in der deutschen Geschichte eine Zweidrittelmehrheit ein. Dies war nicht der Sieg der CSU, dies war der Sieg des Edmund Stoiber. Stoiber wusste es, die Partei wusste es und alle anderen auch. Ein Politiker, der am Höhepunkt seiner Macht angekommen ist, aus dem Amt zu tragen, uns sei es die zeitliche Perspektive seines Endes festzulegen, ist schlechterdings möglich.
Dabei könnte Stoiber sich auf ein Vorbild berufen: Tony Blair. Noch ein Wahlsieg und noch eine Reform die zu Ende gebracht werden muss. In den eigenen Augen ist Blair wie Stoiber schier unersetzlich, sie sind die treibenden Kräfte einer Staatsreform. Bei Stoiber ist es in Bayern die Haushaltskonsolidierung und die Verwaltungsreform, auf Bundesebene die Große Koalition mit den Reformen bei Steuer, Föderalismus, Gesundheit und ... Das diese Lösungen auch ihn gefunden werden, kommt in seiner Gedankenwelt nicht vor.

Edmund Stoiber wird wohl aus dem Amt getragen und dennoch einen schönen Lebensabend verbringen. Als Elder Statesman der CSU wird er Ratschläge vergeben und ist er jetzt auch noch einigermaßen frustriert, so wird sich diese Frustration nach einiger Zeit legen. Wie seine Vorgänger wird er sagen: mei, das Leben geht doch weiter.
Das Problem jedoch wird bleiben.


Literatur
Saskia Richter, Die Kanzlerkandidaten der CSU . Franz-Josef Strauß und Edmund Stoiber als Ausdruck christdemokratischer Schwäche?, 2004
Michael Stiller, Edmud Stoiber - Der Kandidat, 2002
Peter Köhler / Jürgen Roth, Edmund G. Stoiber . Weltstaatsmann und Freund des Volkes, 2002
Ursula Sabathil, Edmud Stoiber - privat, 2001
Manfred Güllner / Hermann Dülmer / Markus Klein, Die Bundestagswahl 2002 . Eine Untersuchung im Zeichen hoher politischer Dynamik, 2005

Monday, January 15, 2007

Eine Konferenz für den Iraq


So man Pressekonferenz ist aufschlussreich. So auch geschehen zu Berlin am 15. Januar 2007. In der montäglichen Regierungspressekonferenz berichtete der Sprecher des Auswärtigen Amtes:
JÄGER: Herr Fried, ich beginne mit dem Artikel von Herrn von Klaeden. Wir begrüßen die dort geäußerten Vorstellungen ganz ausdrücklich, zumal der Artikel über weite Strecken auf Punkt und Komma einem internen Papier des Auswärtigen Amtes entspricht.
Was die Frage einer Friedenskonferenz für den Irak angeht: Ich kenne die entsprechenden Meldungen. Ich kenne sie aber nur als Medienberichte. Insofern kann ich sie jetzt hier nicht im Einzelnen kommentieren, will aber noch einmal darauf hinweisen, dass natürlich jeder Prozess einer nationalen Versöhnung, der so dringend erforderlich ist, seinen Anfang aus dem Irak selber nehmen muss. Die ethnischen Gruppierungen im Irak sind aufgerufe
n, hier zu einer Übereinkunft zu kommen.
Selbstverständlich obliegt es auch der irakischen Regierung, regionale Partner einzubeziehen. Sie haben in den letzten Wochen verfolgen dürfen, dass der Irak hier Anstrengungen unternimmt. Im Augenblick ist der irakische Präsident Talabani in Damaskus, um nur ein Beispiel zu nennen. Sollte sich hieraus ein weitergehender übergreifender Prozess ergeben, wird die Europäische Union dem sicher ihre Unterstützung nicht versagen.
Nun ist jener Eckehard von Klaeden nicht irgendwer, sondern der außenpolitische Chefstratege der Union, wenn auch noch nicht lange und noch nicht sonderlich lange in jenem Metier beheimatet. Eine Friedenskonferenz hört sich grundsätzlich immer gut an, man kommt in den Medien vor und überhaupt, man ist ein guter Mensch.

Eine Friedenskonferenz für den Irak dagegen ist dagegen ein Widerspruch in sich. Man erinnere sich an die Petersberg-Konferenz 2001 zu Afghanistan. Zahlreiche Teilnehmer, afghanische wie international. Eine solche Konferenz von der Organisation auf die Beine zu stellen wäre kein Problem. Jedoch lohnt ein Blick auf die damaligen Teilnehmer: es waren vor allem Personen, die an einem Frieden in Afghanis
tan interessiert waren und gleichzeitig auch die entsprechende Machtposition besetzt hielten.

Betrachten wir nun einen Teil der irakischen Akteure.

Die Regierung: Ihr Aktionsradius reicht gemeinhin nicht weiter als die von U.S.-GI´s bewachte Grüne Zone in Bagdad. Jener Hochsicherheitstrakt hat jedoch relativ wenig mit den Verhältnissen im Iraq zu tun. Vielmehr verwaltet sie den Mangel an Möglichkeiten einen wirklichen Frieden herbei zuführen. Die Sicherheitskräfte sind die USA mit mehreren zehntausend Soldaten präsent auch es auch nicht schaffend, Sicherheit zu gewährleisten.
Die USA und alle sonstigen internationalen Kräfte: Ein Frieden, gerne.
Die Opposition: Diese ist das eigentliche Problem, den ein Frieden würde ihren Aktionsradius empfindlich einschränken und ihre wirtschaftliche Grundlagen zerstören. Die Gerechtigkeit und der fehlende Platz zwischen Kurden, Schiiten und Suniten im irakischen System machenen es zudem höchst unmöglich, ihnen ein Kompensationsgeschäft anbieten zu können.

Was folgt daraus: mehr als ein netter Vorschlag brachte das Wochenende auch nicht. Hätte es ihn nicht gegeben, wäre man der Realität ein Stück weit näher, aber weiter wäre nichts passiert.

Monday, January 08, 2007

Somalias Weg in die Zukunft


Somalia war vor rund 13 Jahren schon einmal in den Schlagzeilen. Damals versuchten unter Führung der USA und nach dem Fall von Siad Barré eine internationale Truppe Ruhe in das vom Bürgerkriegsland geschüttelte Land zu bringen. Die durch Mogadischu geschleiften Leichen von U.S.-GI´s waren nur das äußere Zeichen des Scheiterns.
Die Folge: ein wahrer failed state. Eine Zentralregierung existierte höchstens auf dem Papier und auch nur im Ausland. In Somaliland und Puntland haben sich zwei Clans durchgesetzt, die im Gegensatz zum Rest des Landes ein Maß an Ordnung durchsetzten, dass die Menschen Leben und die Wirtschaft sich entwickeln konnte. Somaliland wurde denoch ob der noch nicht geklärten Gesamtlösung die internationale Anerkennung verweigert. Mogadischu, die alte Hauptstadt des Lands am Horn von Afrika jedoch und mit ihr auch der Rest des Landes versanken im Chaos. Das dennoch beispielsweise Geldströme funktionierten verdankt das Land dem informellen Bankensystem, welches uralt und hocheffektiv ist.

Seit sich 2006 jedoch wieder islamische Gerichte in Mogadischu festgesetzt haben, geriet Somalia zunächst langsam und dann immer schneller wieder in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Zu groß war die Angst vor einem zweiten Afghanistan und schon deshalb war es geboten, dem Land wieder etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Eigentlich viel zu spät, da es nicht der Anspruch einer modernen Welt sein kann, Staaten und Ordnungen scheitern zu lassen.
Der Rest Somalias war bevorzugtes Rückzugs- und Ausbildungsgebiet eines Gutteils des internationalen Terrorismus. Spätestens seit dem 11. September 2001 wurde dies bewußt, mehr als Schiffskontrollen fanden jedoch nicht statt. Ein neues "Somalia-Abenteuer" wollte niemand eingehen, zumal die Truppen immer noch in Afghanistan und dem Iraq gebunden waren.
Eine Übergangsregierung war bereits seit 2000 gebildet, seit 2004 mit Dienstsitz in Baidoa. Arbeiten konnte sie deshalb noch lange nicht, den sie war eine Regierung ohne Volk und Land. Mogadischu war nicht nur physisch weit weg, die Regierungen von Somaliland und Puntland waren nicht gewillt ihre Macht abzugeben. Erst die Machtübernahme islamistischen Union islamischer Gerichte und das Anwachsen der Flüchtlingsströme in Kenia und Äthiopien rief das Umfeld auf den Plan. Äthiopien versuchte, die Übergangsregierung zu stützen - und rief damit ganz nebenbei Eritrea auf den Plan, welches weniger aus Überzeugung für die Islamisten als aus Gegnerschaft zur Äthiopien die Islamisten unterstützte. Ende Dezember 2006 war es schließlich soweit und die Übergangsregierung konnte die Regierungspaläste in Mogadischu in Besitz nehmen.

Soweit zur Geschichte eines langen Konfliktes.
Der eigentliche Kern des Problems ist jedoch, dass sich die führenden Nationen der UN - die USA, die EU und Rußland - bislang auf eine wirksame und kohärente Somalia-Strategie nicht einigen konnten. Seit dem Abzug der internationalen Truppen wurde das Land allein gelassen und die Menschen ihrem Schicksal. Zu groß war die Angst, wieder GI´s durch die Straße geschleift zu sehen. Diese Angst kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Sturm im Medienwind von 1991 zwar in der Form falsch, in der Sache richtig war.
Äthiopien hat dies als eines der ersten Länder erkannt. Sein Einmarsch ist dabei interessengeleitet: einerseits will es verhindern, dass die Ogaden, ethnisch wie politisch Somalia näher als Addis Abeba und schön mehrfach Konfliktherd zwischen beiden Ländern wie inneräthiopisch - erneut von Addis Abeba abfallen und andererseits hat es ein vitales Interesse, sich als regionale Ordnungsmacht zu etablieren. Hier geht es der Regierung Zenawi immer noch um einen gesicherten Seezugang, der derzeit nur über Djibouti besteht.
Zenawi war einmal angetreten, als Demokrat Äthiopien in eine neue Zeit zu führen. Er vertrieb Diktator Mengistu, er sicherte den Weg Eritreas in die Unabhängigkeit und baute eine leidlich funktionierende Demokratie auf. Die Ogaden blieben aber immer eine Konfliktpunkt Äthiopiens, ein uralter. Aber Zenawi schaffte es, Äthiopien als starke Regionalmacht auszubauen. Der Konflikt mit Eritrea stärkte ihn eher darin und ihm kam zugute, das sowohl Eritrea als auch der Sudan lange Zeit entwicklungspolitischer Kritikpunkt der Region waren. Zwar wurde im Sudan zwischenzeitlich eine Entwicklung eingeleitet, den den südlichen und den nördlichen Teil versöhnte, gleichzeitig wurde in Darfur jedoch ein neuer Konfliktherd aufgerissen und die Regierung in Khartoum kam denoch nicht aus der internationalen Isolation heraus. Äthiopien war quasi der ruhende Pol und hat sich nun des somalischen Problems angenommen.
Wo Äthiopien ist, ist jedoch auch Eritrea nicht weit. Dem kleinen Land geht es dabei weniger um ein muslimisches Somalia, den es ist selbst religiös geteilt und kein Land religiöser Extreme. Staatspräsident Isayas Afeworki geht es jedoch um die eigene Stellung, die nach dem quasi verlorenen Krieg mit Äthiopien innenpolitisch geschwächt und international aufgrund seiner Menschenrechtspolitik mehr als lädiert ist. Ziel ist in Somalia vor allem, sein innenpolitisches Ansehen aufzupolieren und deshalb in Gegnerschaft zu Äthiopien die Islamisten zu unterstützen. In Somalia selbst besitzt Eritrea faktisch keine Ziele.

Es ist zu hoffen, dass die nun beschlossene internationale Truppe möglichst rasch zum Einsatz kommt. Die Führung der Afrikanischen Union ist dabei richtig und wichtig, nimmt man Nepad ernst. Die internationale Unterstützung wird jedoch erforderlich sein.
Bedeutender als der militärische Teil der Operation Somalia ist jedoch die zivile Nachbereitung. Der Iraq - und auch Afghanistan - haben gezeigt, dass ein rein militärisches Abenteuer nur kurzfristig trägt und langfristig in einer Katastrophe endet. Die Vorbilder Somaliland und Puntland, auch wenn sie keine demokratischen Musterknaben sind, sind wichtige Vorarbeiten für ein neues Somalia.


Und man hätte fast schon Entzugserscheinungen bekommen, denn unsere Weltexpertin hat sich lange nicht mehr gemeldet. Sie ist aus Lateinamerika zurück und zur Afrika-Expertin mutiert. Nun durfte man sie gleich zwei Mal lesen, wie immer mit einem Schuss Amüsement und einem weniger einfallsreichen Schuss an Naivität. Wie schreibt sie so schön:
"Premierminister Meles Zenawi (Äthiopien) hat mir bei meinem Gespräch versichert, dass die äthiopischen Truppen aus Somalia abziehen, wenn das sog. IGASOM-Mandat wirksam wird."
Da lobt man sich eigentlich den Realitätssinn, der manchen von der Entertainmentopposition offenbar rasch verloren geht. Aber dies hatten wir schon bei der Cuba-Expertin erlebt, übrigens auch ein Kind der bayerischen FDP-Diaspora.

"Es handelt sich nur auf den ersten Blick um die Konfliktlinie zwischen der Übergangsregierung (TFG = Transitional Federal Government), die militärisch massiv von Äthiopien unterstützt wird, und der "Union der Islamischen Gerichte" (UIC)."
Es ist dabei tragisch, dass die Expertin den zweiten Blick dem Leser nicht offenbart. Irgendwann heißt es dann, es handelt sich um einen Stellvertreterkrieg. Bloss von wem? Eritrea, das arme Nachbarland Äthiopiens, das die islamischen Kämpfer vor allem in seiner Gegnerschaft zu Eritrea unterstützt? Wohl eher kaum, denn Eritrea geht es um eine ganz andere Frage: die Grenzfrage zu Äthiopien. Diese war für Eritrea nicht in der gewünschten Form verlaufen und nun sucht es einen neuen Weg, sein Ziel zu erreichen.
Eine andere Ansammlung von Vermutungen mutet dabei noch wesentlich abenteuerlicher an: ein Bündnis aus Syrien, Saudi-Arabien und dem Iran. Syrien und der Iran, diese Zusammenarbeit hat bereits funktioniert. Aber auch nur im Nahen Osten, wo Syrien ein Interesse an der Schwächung Israels wegen des Konflikts um den Golan an. Ansonsten ist Syrien recht isoliert in der islamischen Welt und eine Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien quasi verwegen zu behaupten. Beide Staaten, der eine sunnitisch-wahabitisch und der andere schiitisch, eint eine lange Feindschaft. Betrachtet man den von unserer Weltexpertin behaupteten Gegenspieler Äthiopien mit den USA im Rückgriff, einen der wichtigsten Partner der Saudis, so wird deutlich dass die Weltexpertin ähnlich wie in Lateinamerika vor allem heiße Luft produziert.

Die Widersprüchlichkeit wird jedoch noch deutlicher:
"Dass das Waffenembargo für die TFG in der aktuellen Resolution gelockert wurde, übersieht die Tatsache, dass längst unterschiedlichste Waffen vor Ort sind - denn das Waffenembargo wurde nie eingehalten."
Dies würde dann etwa so viel bedeuten, dass die Entertainmentopposition auch zukünftig ohne Programmatik und Sachkenntnis arbeitet - hat sie beides doch schon bislang über Bord geworden.
"Nichts ist dringlicher als Afrika endlich konzertiert und differenziert auf die Agenda zu setzen, wie es die Bundesregierung bisher versäumt hat. Sicherheit und Stabilität am ganzen Horn von Afrika stehen auf dem Spiel."
Da scheint die Expertin dann gefliessentlich mal wieder übersehen zu haben, dass es die Bundesregierungen Schröder und Merkel waren, die einerseits sowohl für die aussenpolitische wie die entwicklungspolitische Zusammenarbeit Konzeptionen vorgelegt haben und gleichzeitig Afrika zu einem zentralen Beratungsgegenstand der G8 etabliert haben. Auch die maßgeblich von der Regierung Schröder 1999 initiierte Schuldeninitiative kommt Afrika in erheblichem Maße zu gute.
Man kann hier gute Gründe anfügen, warum dies nicht genug oder konzeptionell falsch ist. Man kann der Bundesregierung jedoch nicht vorwerfen, dass sie nicht aktiv geworden wäre. Dies kann man jedoch der Entertainmentopposition: dieser fehlt seit 2002 ein Konzept, wie sie Entwicklungs- und Afrikapolitik gestalten will. Seit dem Fortgang des Abgeordneten Ulrich Irmer und des außenpolitischen Beraters Otto Lampe liegt dieses Feld brach und wird nicht beackert. Es wäre daher an der Zeit, dass die Expertin ihr Wissen auffrischt und sich an die Arbeit macht.

Aber es fehlt der vermeintlichen Weltexpertin auch an der Sachkenntnis, denn in ihrem Pressepamphlet vom 8. Januar 2007 schreibt sie doch tatsächlich:
"Die IGAD (Inter-Governmental Authority on Development) alleine ist nicht der richtige Ansprechpartner, denn ihre Mitglieder, die Nachbarländer Somalia, verfolgen entweder eigene Interessen oder sind durch die Folgen des Krieges selbst betroffen. Hier muss die Afrikanische Union (AU) die Führung übernehmen."
Dabei waren es die afrikanischen Staaten, die sich maßgeblich in dem Konflikt engagiert haben und mit Uganda das erste Land repräsentieren, welches Truppen zu stellen bereit ist. Es ist nicht nur die Aufgabe der "EU-Präsidentschaft" darzulegen, wie sie einen Prozess unterstützen will. Es ist auch die orginäre Aufgabe eines jeden Parlamentariers und erst recht einer selbsternannten Expertin, ihre Vorschläge zu machen. Daran fehlt es der Weltexpertin jedoch in jeder Hinsicht.
Dabei droht der Konflikt nicht erst seit jetzt auf Kenia überzugreifen. Bereits im letzten halben Jahr sind ohne jegliches Interesse der Weltexpertin die Flüchtlingsströme nach Kenia unübersehbar gewesen. Sie destabilisieren nicht Kenia, daran haben die Flüchtlinge nur ein geringes Interesse und die Autorität des Rebellen ist viel zu gering hierfür. Aber sie haben das Problem virulent gemacht, ohne das es außer einigen Wenigen wirklichen Afrika-Kennern zur Kenntnis genommen wird.

Es zeigt sich wieder einmal, dass die FDP zwischenzeitlich vor allem Show veranstaltet, ohne Substanz und ohne Nachhaltigkeit.

Highlife at Bavarias


"so beliebt wie Vater Goppel, so weitsichtig wie Strauß, so gutaussehend wie Streibl und so fleissig wie Stoiber"
Das Qualifikationsprofil für den zukünftigen Hausherrn der Münchner Staatskanzlei ist damit klar beschrieben. Die Veröffentlichung des Qualifikationsprofils wird zunehmend virulent, nachdem die CSU auf der Suche nach einem neuen Hausherrn ist. Der Mietvertrag des bisherigen Haushaltsvorstandes, Edmund Stoiber, scheint gekündigt zu sein. Die Kündigung ausgesprochen hat eine sonst nur wenig landesweite Bedeutung erheischende Landrätin in Fürth. Die Kündigung provoziert hat der Hausherr selbst.

Edmund Stoiber kehrte nach seiner Kandidatur als Bundeskanzler 2002 im Siegeszug nach Bayern zurück und wurde nicht nur mit einem weit überdurchschnittlichen Ergebnis in seinem bayerischen Stammland belohnt, sondern ein Jahr später bei den Landtagswahlen auch mit einer historisch nie dagewesenen Zweidrittelmehrheit der Wählerstimmen. Stoiber hätte weiter erfolgreich amtieren können, von allen geachtet und von vielen gefürchtet.
Aber der bayerische Landesvater überschätzte seine eigene Stärke. Lange zögerte er 2005, ob er überhaupt in die Bundespolitik wechselte und verspielte viele Sympathiepunkte, als er Angela Merkel letztlich hängen ließ. Eine klare Ankündigung seiner bundespolitischen Vorstellungen - Minister, Fraktionsvorsitzender oder eben weiter bayerischer Ministerpräsident -wäre notwendig gewesen, um seine Machtstellung zu erhalten. Lange war das Zögern auch nach den Wahlen und erst als die Große Koalition feststand, das fest das Stoiber Superminister für Wirtschaft werden würde. Eigentlich.
Aber eigentlich suchte er nur ein Sprungbrett und geriet damit auf die Rutschbahn, die ihn nun aus dem Amt befördern soll. Niemand hat verstanden, weshalb kurz vor Torschluss sich Stoiber aus dem von ihm zurechtgezimmerten Ministeramt wieder zurückziehen wollte. In Bayern liefen bereits die Diadochenkämpfe zwischen seinem treuen Sancho Pansa ErwinHuber und dem Innenminister Günther Beckstein und mussten dann abrupt gebremst werden. Nicht nur in der Partei hat Stoiber niemand verstanden, auch zwei bisher treue Vasallen hat er mit seinem Verhalten verprellt.
Stoiber war im Gegensatz zu Strauss und Streibl nie beliebt in der Partei, sondern geachtet und respektiert. Die Spitznamen - "Blondes Fallbeil" oder "Aktenfresser" - sprechen hier eine mehr als deutliche Sprache. Nur auf eine lange Karriere, sein daraus gewonnenes Wissen über die Fallstricke der Politik und die Intrigen seiner Partei ließen ihn lange unangreifbar erscheinen. Nun kursieren jedoch im Internet allerlei Files von seinen rhetorischen Unzulänglichkeiten, die zunehmend auch in der CSU gerne rumgereicht. Dies war schon immer, nur werden sie nun genüsslich herumgereicht. Stoiber hat deutliche Verschleisserscheinungen, die großen Vorhaben seiner Zeit sind gelaufen und Stoiber ist nur noch Verwahrer, kein Realisierer. Dies macht ihn angreifbar und dies macht ihn auch schwach.
Die Kraft der CSU in Bayern bestand nun immer darin, sich rechtzeitig zu erneuern. Stoiber hat den Wechsel von Streibl zu ihm nur deshalb geschafft. Zwar wird der Weg dahin schmerzlich für die Partei, aber auch dies ist nur eine Wiederholung der Geschichte. Aber: das wahre Problem ist, dass kein geborener Kandidat wie 1993 zur Verfügung steht. Joachim Herrmann, Horst Seehofer, Erwin Huber und Günther Beckstein stehen gleichermaßen in den Startlöchern. Sie werden es sein, unter denen sich die Macht verteilen wird. Mindestens einer wird dabei verlieren, den mehr als drei Ämter - Parteivorsitzender, Fraktionsvorsitzender und Ministerpräsident - sind nicht zu verteilen. Und so ist neben dem Zeitpunkt der Wachablösung auch die personelle Frage noch offen.

Und Stoiber? In Bayern ist man nie tief gefallen. Trotz seiner jetzigen Verhederung wird Stoiber nach einem grandios zelebrierten Abgang einen unruhigen Altersruhesitz haben. Nochmal in den Landtag gewählt, Aufsichtsratsmandate wahrgenommen und ähnlich wie Theo Waigel oder Max Streibl Ideengeber aus alten Tagen sein. Vielleicht kann er nach 1990 auch erneut als grand senior der Grundsatzdebatte die entscheidende Richtung geben. Als Alt-Ministerpräsident hätte er ausreichend Zeit dazu als seine sich positionierenden Nachfolger.


Und Gabriele Pauli? Für sie dürfte das alte Sprichwort gelten, dass man den Verrat aber nicht den Verräter liebt. Sie wird weiter Landrätin in Fürth bleiben, ob sie jedoch nach den nächsten Wahlen auch noch dem CSU-Vorstand angehört ist eher fraglich. Sie mag viele Stimmen in der Partei wiederspiegeln. Parteien mögen jedoch die Selbstinszenierung einzelner ihrer Mitglieder nicht. Zu stark sieht es danach aus, als suche Pauli die bundesweite Aufmerksamkeit, um als Davidine den Goliath Stoiber herauszufordern.


Literaturhinweis
Andreas Kießling: Die CSU . Machterhalt und Machterneuerung, Wiesbaden 2004
Andreas Kießling: Die CSU . Eine Einführung, Wiesbaden 2007 (i.E.)
Kay Müller: Schwierige Machtverhältnisse . Die CSU nach Strauß, Wiesbaden 2004

Sunday, January 07, 2007

High Life in Mittelasien


Man könnte derzeit sagen, dass Zentralasien recht stark in das Blickfeld der Weltöffentlichkeit gerückt ist, gleich hinter dem Dauerbrenner Naher Osten: in Turkmenistan stirbt recht überraschend der Autokrat Njiasow ohne eine Nachfolgeregelung hinterlassen zu haben, Kasachstan möchte den Vorsitz der OSZE übernehmen ohne die Menschenrechtsbestimmungen so ganz zu erfüllen, in Usbekistan läuft im Januar die Amtszeit von Präsident Karimow ab und die Neuwahlen sind erst für Dezember vorgesehen und in Kirgistan wurde erstmals in der zentralasiatischen Geschichte eine demokratische Verfassung verabschiedet, nachdem die Tulpenrevolution den Gründungspräsidenten und Autokraten Askar Akjaew hinweggefegt hatte.
Nur in Tadschikistan ist es derzeit recht ruhig, nachdem Präsident Rahmonow im vergangenen Jahr mit 79,9 Prozent der Stimmen in einer international als nicht ganz frei von Zweifeln kritisierten Wahl zum zweiten Mal wiedergewählt worden war.

Turkmenistan
(Bild: Begräbnisfeierlichkeiten nach dem Tod Njiasow´s in Aschgabad)
Der Tod des selbsternannten Turkmenbaschi war sowohl eine Erleichterung als auch der Anlaß zu neuer Sorge über das zentralasiatische Land. Der eigentliche Interimspräsident Atajew, Vorsitzender des Parlaments in Aschgabad, war wegen angeblicher Ermittlung aus dem Weg geräumt worden und statt dessen der zum Familienclans Njasows zählende Gesundheitsminister Gurbanguly Berdymuchammedow (Bild) statt dessen zunächst interemistischer Turkmenbaschi. Zwar sind zu den zwischenzeitlich auf den 11. Februar festgesetzten Präsidentschaftswahlen sechs Kandidaten zugelassen, Oppositionskandidaten fehlen jedoch auf der Kandidatenliste. Njiasow steckte sie entweder ins Gefängnis oder sie flohen ins Exil. Ihnen wurde keine Gelegenheit gegeben, an den Wahlen teilzunehmen. Berdymuchammedow genießt dagegen die Unterstützung der Sicherheitsdienste und des Chefs von Njiasow´s Leibwache. Die Wahlen selber dürfte Berdymuchammedow daher wohl gewinnen.
Ob ihn die Wahlen jedoch auch langfristig zum starken Mann machen, bleibt fraglich. Das System war auf Njiasow zugeschnitten und es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte das mit dem Tod des Diktators auch das System mittelfristig zusammenbricht. Zu viel hat der Autokrat seinem Volk zugemutet: die Schließung von Krankenhäusern, die Streichung und Rückforderung von Renten, die Unterbindung von Meinungsfreiheit. Obwohl Turkmenistan mit seinen Gas- und Ölvorräten ein reiches Land ist, darbt die Bevölkerung in bitterer Armut und lief dabei auf Schritt und Tritt ihrem Peininger in Gestalt von Bildern und Büsten über den Weg. Die Bevölkerung könnte gemeinsam mit der Opposition die Chance nutzen, die Diadochenkämpfe unter den oberen Führungskräften für einen Putsch zu nutzen und so einen Ausweg aus seiner hilflosen Lage sehen.
Die Wahlen vom 11. Februar setzen damit nur einen vorläufigen Schlusspunkt unter den Wechsel von Njiasow zu seinem Nachfolger. Erst die nähere Zukunft wird sehen, ob Berdymuchammedow auch stark genug ist, seine Macht zu festigen oder eine Marionette von Leibwachenchef Redjepow bleibt. Dann dürfte sich sein Amt aber relativ schnell erledigt haben.

-> Deutsche Welle: Wahlkampf und kein Brot
-> Der Standard: Nur sehr kleine Chance für eine Revolution


Kasachstan
(Bild: Moschee in der neuen Hauptstadt Astana)
Kasachstans Präsident Nursultan Naserbajew hat viel in seiner seit 1990 dauernden Präsidentschaft. Die nach außen wohl kurioseste Entscheidung war die Verlegung der Hauptstadt Almaty nach Astana im Norden des Landes. Finanziert durch Öl und Gas war es dem Land möglich, die neue Hauptstadt aufzubauen und damit auch einen Ausgleich zwischen Kasachen und Russen, immer die zweitgrößte Volksgruppe, zu erreichen. Das Ziel der EU, die Energieabhängigkeit von Russland strukturell zu vermindern schafft dem Land zusätzlichen Auftrieb.
Der Wunsch des kasachischen Präsidenten, den Vorsitz der OSZE 2009 zu übernehmen, stellt die EU jedoch vor ein erhebliches Problem.
"In einer Zeit von religiös und rassistisch motivierten Kriegen genießt Kasachstan seit 15 Jahren Frieden und die Koexistenz von 130 Völkern und 46 Religionsgemeinschaften im eigenen Land"
begründet Naserbajew seinen Anspruch. Demokratiepolitisch ist Kasachstan jedoch noch Entwicklungsland und die Präsidentschaftswahlen 2005 wurden von Menschenrechtsorganisationen als nicht mit den Demokratieprinzipien für vereinbar erklärt. Die OSZE droht damit in eine Glaubwürdigkeitsfalle zu geraten, die EU-Energiepolitik zumindest zeitweise in eine Entwicklungskrise.

-> Deutsche Welle: Kasachstan und EU unterzeichnen Energieabkommen


Usbekistan
(Bild: Smarkander Blaue Moschee)
Der kulturhistorisch interessanteste Staat Zentralasiens mit den bedeutsamen Städten Buchacha und Samarkand geht auf eine formale Verfassungskrise zu. Präsident Karimow, seit 1990 im Amt, dürfte eigentlich nicht ein weiteres Mal zur Wahl antreten und seit Amtszeit läuft im Januar aus. Neuwahlen sind jedoch erst im Dezember angesetzt.
Wie in den Nachbarländern regiert auch Karimow autokratisch und ohne eine wirksame Opposition. Allerdings hat er bislang für die Verlängerung seiner Amtszeit nicht die notwendigen Voraussetzungen geschaffen. Sprechen darüber tut jedoch niemand, die Angst vor Karimow in seinem Apparat ist dann doch zu gross.
Allerdings fehlt es bislang auch an einem geeigneten Nachfolger. Wie die Nachbarländer steuert Usbekistan damit auf eine ungewisse Zukunft zu. Schafft Karimow den Absprung von der Macht, wird er zumindest zeitweise weiterhin die graue Eminenz im Hintergrund bleiben und sich einen geruhsamen Lebensabend absichern. Schafft er ihn nicht und baut auch keinen Nachfolger auf droht ähnlich wie im Nachbarland Turkmenistan eine ungewiesse Zukunft und die Stabilität des Landes erscheint gefährdet.

-> Deutsche Welle: Präsident bald ohne Mandat


Kirgistan
(Bild: Blick auf den Pik Lenin)
Als im vergangenen Frühjahr Präsident Askar Akajew aus dem Amt wegdemonstriert wurde und er im Moskauer Exil blieb hatten viele gehofft, eine demokratische Wende einzuleiten. Die beiden Oppositionsführer Kurmanbek Bakijew und Feliks Kuhlow hatten sich nun zusammengetan und die Regierung als Präsident und Premier bis zur Verabschiedung einer neuen Verfassung gemeinsam zu führen.
Obwohl zwischenzeitlich die Verfassung verabschiedet wurde und die Regierung zur Vorbereitung von Neuwahlen zurückgetreten ist, kommt der Reformprozess nicht so recht voran. So fehlt es bereits an einer Implementierung der Verfassung, um sie auch in die Wirklichkeit umzusetzen. Obwohl dem Präsidenten im November 2006 Vollmachten genommen wurden, setzte dieser im Dezember 2006 die Wiederzuerkennung in seinem Machtbereich durch.
Obwohl die Führer aller Parteien eigentlich ein Bekenntnis zur Demokratie und Rechtstaatlichkeit abgegeben haben, droht dieser im Gewirr von Machtgerangel wieder verloren zu gehen. Hier zeigt sich, wie schwierig die Einführung demokratischer Traditionen und das geordneten Zusammenspiel der Staatsorgane wirklich ist.

-> Deutsche Welle: Wieder neue Verfassung verabschiedet

Friday, January 05, 2007

Angie und George


Die Kongresswahlen vom 5. November 2006 wie auch die Bundestagswahlen vom 18. September 2005 haben einige grundlegende Veränderung im transatlantischen Verhältnis gebracht. Die wichtigste dabei: man redet wieder miteinander. Angela Merkel war bereits im vergangenen Jahr zweimal in Washington D.C. bei Präsident Bush, Bush jun. besuchte Merkel im Sommer 2007 in ihrem Wahlkreis. Zwar bestehen inhaltliche Differenzen, aber man kommt nicht umhin das Verhältnis als "gut" zu bezeichnen.

Ein Jahr ist vergangen, seit dem Angela Merkel ihr Amt angetreten hat und die Verhältnisse nach Washington D.C. und Moskau neu austariert hat. War sie letztes Jahr vor allem in deutschem Auftrag unterwegs, kam mit der Übernahme der EU-Präsidentschaft ein neuer Aspekt hinzu: Merkel spricht für fast 400 Millionen Menschen. Der Anlaß war somit die Erläuterung der EU-Präsidentschaft und der gleichzeitigen G8-Präsidentschaft.
Der Zeitpunkt der Reise für eine mediale Aufmerksamkeit in den USA war dagegen schlecht gewählt. Just während Merkel bei Bush zum Kaffee saß, wurde wenige Meilen weiter der 110. Kongress eröffnet und die Democrats übernahmen auch offiziell die Macht. Regierungssprecher Wilhelm hatte wohl auch deshalb bereits einen Tag zuvor geäußert:
Es wird keine Übernachtung in Washington geben, sondern wir werden unmittelbar nach unserer Begegnung im Weißen Haus wieder abreisen, sodass es in einem so knappen Ablauf schwer möglich gewesen wäre, auch noch eine Pressedelegation einzufädeln.
(Regierungspressekonferenz 3. Januar 2007)
Aber der Besuch war für Deutschland und Europa denoch wichtig, die Welt ist zu bunt als dass sich die wichtigsten Akteure nicht regelmäßig treffen sollten.

Naher Osten: Die Administration Bush musste zwischenzeitlich eingestehen, dass ihre Politik gescheitert war. Die Architekten der NeoCons haben die Brücke verlassen, der frühere Außenminister Baker hat eine Neuausrichtung der Irak-Politik vorgeschlagen und auch Israel und Palästina nähern sich langsam wieder an. Das Quartett - USA, EU, Rußland und UN - soll nun wieder reaktiviert werden, um die individuellen Beziehungen zu nutzen und gleichzeitig ein geschlossenes Auftreten der zentralen Akteure der Weltpolitik zu sichern.

Europäische Entwicklung: Das Engagement der USA für einen EU-Beitritt der Türkei zeigt, dass die USA die EU als Integrations- und politischen Faktor wahrnehmen. Zwar stehen die USA ambivalent zum europäischen Einigungsprozess, droht er doch einen starken Partner auf der anderen Seite des Atlantiks zu etablieren und quasi eine zweite super power neben den USA zu etablieren. Gerade deshalb sind die USA jedoch auch an dem Prozess interessiert und nachdem Merkel eine Weiterentwicklung des Verfassungsprozesses angekündigt hat ist Bush jun. umso mehr an dem Thema interessiert. Hinzu kommt die zum 1. Januar erfolgte Aufnahme Rumäniens und Bulgariens sowie die Gespräche mit den Balkanstaaten. Dies würde mittelfristig eine Abrundung der EU bedeuten und den Einfluss der USA deutlich schmälern.
Fakt ist aber auch, dass der Balkan-Prozess weiterentwickelt werden muss. Nicht nur die Frage Bosnien-Herzegowina, sondern wesentlich virulenter die Zukunft des Kosovo steht auf der Tagesordnung. Europa als einer der wichtigsten Geber und Akteure in dieser Region haben hier ein gehöriges Wort mitzureden und jede Entwicklung birgt die Gefahr einer neuen Eskalation. Bush ist daher interessiert, da eine Eskalation auch für die USA wieder einen neuen zusätzlichen Konfliktherd bedeuten würden.

Weltwirtschaft: Beide Seiten des Atlantiks haben ein fundamentales Interesse an einer Weiterentwicklung der Weltwirtschaftsordnung. Das Stocken des Doha-Prozesses ist für den Aufschwung jedoch nur ein Hindernis, wenn auch ein erhebliches. Es geht aber auch um die Fortentwicklung der Afrika-Initiative der G8, Asien und auch Lateinamerika, die Sicherung der Energieversorgung und der Schutz von Patentrechten. Europa und die USA haben hier virulente gemeinsame Interessen, die es aufeinander abzustimmen gilt.

Deutschland und die USA: Mit dem Amtsantritt Merkel´s sicherte sich der wichtigste europäische Partner der USA wieder einen unmittelbaren Zugang zum U.S.-Präsidenten. Während Großbritannien immer das quasi Schosshündchen Washingtons war und Frankreich seinem selbstgewählten Status der Grand Nation entsprechend seit deGaulle auf Distanzkurs steht, steht Deutschland dazwischen. Die Positionen von Schröder und Merkel - Umwelt, Menschenrechte, Irak, Guantanamo, Entwicklung und Globalisierung - unterscheiden sich nur graduell. Was sich jedoch wesentlich unterscheidet, ist der Ton. Merkel hat ihn gefunden, weil ihr bewußt ist, dass Deutschland zwar selbstbewußt agieren muss, aber nicht gegen die USA. Sie hat gegensätzliche Punkte angesprochen. sowohl im Kamingespräch wie in der Öffentlichkeit. Sie hat jedoch darauf geachtet, dass Bush sein Gesicht wahren konnte.


Quellen:
President Bush welcomes Chancellor Merkel, White House 4th Jan. 2007
Reisebericht des Presse- und Informationsamtes, 5.1.2007
Georg Mascolo: Hand in Hand zu den Krisengebieten, SPON 5.1.2007
Kanzlerin und Bush wollen Nahost-Quartett wiederbeleben, faz.net 5.1.2007

Webpages zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft
- der Bundesregierung
- Dossier der Stiftung Wissenschaft und Politik Berlin

Webpages zum deutschen G8-Vorsitz
- der Bundesregierung


Shake Hands: Angela Merkel und George W. Bush

Tuesday, January 02, 2007

Strategie: Modellpflege bei Boeing und Airbus


Die Flugzeugindustrie war im letzten Jahr in die Schlagzeilen geraden wir nur selten in den vergangenen Jahren. Furore machten die Modellpolitik der beiden grossen Anbieter Boeing und Airbus, aber noch mehr die Auslieferungsprobleme von Airbus´ neuem Supervogel A 380.

Geschäftspolitik
Während Airbus seinen Konkurrenten aus Seattle bei den Auslieferungen noch übertrumpfen konnte, sehen die Zukunftsaussichten für Boeing (scheinbar) rosiger aus. Denn der U.S.-amerikanische Produzent erreichte erstmals seit Jahren eine höhere Zahl an Neubestellungen. Für Airbus bedeutete es einen herben Rückschlag, als einer seiner wichtigsten Kunden, Lufthansa, bekanntgab, seine Modellauswahl um den neuen B747-800 erweiterte. Auch wenn dies von Lufthansa nie behauptet wurde so wurde doch hierin ein Vertrauensverlust in Airbus und die pünktliche Auslieferung des zukünftigen Flagschiffes A380 gesehen.
Die massiven Schwierigkeiten sowohl mit dem A380 wie dem A350 machten es erforderlich, "Power 8" aufzulegen. Bereits aus politischen Gründen scheiden Werksschließungen aus, aber die Kosten für die Zulieferer sollen gesenkt werden. Die verbleibenden Zulieferer werden stärker in den geschäftlichen Erfolgs- und eben auch Risikoprozess einbezogen. Erste Überlegungen an Qualität und Material zu sparen scheinen damit vom Tisch zu sein. Ein Weg der zwar Einsparungen gebracht hätte, aber eben auch langfristig neue Probleme mit den Kunden aufgeworfen hätte. Ziel ist jedoch, weitere Verzögerungen, die Airbus wohl insgesamt rund 4 Milliarden € kosten werden, zu vermeiden und sowohl A380 wie A350 fristgemäß auszuliefern.
Und Airbus geriet auch in personelle Schwierigkeiten. Nach nur wenigen Monaten musste der Co-Vorsitzende Christian Streiff bereits wieder und wurde durch Louis Gallois ersetzt, der gleichzeitig der Mutter EADS vorsteht. Tom Enders, deutscher Co-Chairman blieb, beide streiten aber weiterhin um den tatsächlichen Pilotensitz. Gleichzeitig wurde Power8 durch die Berufung seines Entwicklers Harald Wilhelm in den EADS-Vorstand gestärkt.

Und Boeing? Auch hier gab es einen personellen Wechsel. Neue Besen kehren gut und eine der ersten Maßnahmen war, die Verkaufsprozesse sauber zu gestalten. Aber ansonsten war Boeing in ruhigen Fahrwassern und konnte die Unternehmenspolitik in ruhigen Fahrwassern geleiten. Einziger Wehrmutstropfen war wohl, dass der schärfte Konkurrenz erstmals in den amerikanischen Verteidigungsmarkt eindringen konnte und das Pentagon Helicopter bei den Europäern bestellte.


Modellpolitik
Was nicht ist kann noch werden. Beide Konkurrenten streben auf den dünnen Markt der Großraumflugzeuge. Boeing´s neuestes Produkt B777 ist noch nie so alt und doch war Boeing gezwungen, auf den A380 zu reagieren. Die B747-800, zu deren Erstkunden nun Lufthansa zählt, ist eine solche, die zwar die hohen Entwicklungskosten eines komplett neuen Flugzeuges vermeidet, gleichzeitig technische Weiterentwicklung wie elektronische Steuerung und Verbundwerkstoffe integriert. Boeing kommt damit auch weit an die Kapazität des A380 heran und dies wohl nahezu zeitgleich mit dem direkten Konkurrenten.
Die Flugzeugschmiede in Seattle hat jedoch die Chance genutzt, ein komplett neues Flug, den Dreamliner B787, auf die Beine zu stellen. Mit durchschnittlich 300 Sitzplätzen stellt er ein Mittelsegment dar und soll den Bedarf nach Punkt-zu-Punkt-Flügen abseits der großen Drehkreuze im Langstreckenverkehr ermöglichen. Während B747-800 und A380 somit vor allem zwischen den Drehkreuzen und bedeutenden Strecken zum Einsatz kommen wird, können mit dem Dreamliner B787 gerade Geschäftskunden besser bedient werden.
Die europäische Werft war gezwungen zur reagieren und geriet mit dem Konkurrenten A350 wieder in Turbulenzen. Die Erstpräsentation stieß auf komplette Ablehnung der Kunden, wenn auch Qatar Airways bereits rund 50 Stück bestellte. Für 10 Milliarden € ist nun eine komplett neue Version zu erstellen, der Zeitplan ist nicht mehr haltbar und Boeing ist Airbus wieder einen Schritt voraus.

In einem Punkt scheint Airbus jedoch die Nase auf jeden Fall die Nase vorne zu haben: Mit dem A380 hat Airbus ein neues Spielzeug für die Ölscheichs und Superreichen erschaffen. Bei Lufthansa Technik, dem führenden Anbieter für Umbauten zur Luxuslimousinen unter den Flugzeugen, werden bereits Pläne geschmiedet, wie dieses Segment befriedigt werden kann. Für das notwendige Kleingeld wird werden die Werbeprospekte vom fliegenden Wirlpool Wirklichkeit und lösen die B747 als Königin des fliegenden Luxus ab. Das Boeing hier nachzieht ist wohl eher unwahrscheinlich, ist der Markt doch zu eng und würde die Entwicklungskosten nicht wieder einbringen.


Konkurrenten
Die großen Zukunftsmärkte sind nicht Europa oder Amerika, sondern China, Rußland und Indien. Riesige Bevölkerungsmassen müssen über grosse Distanzen bewegt werden und dies zu einem günstigen Preis.
Die Staaten wollen das Geschäft den europäischen und U.S.-Konkurrenten nicht allein überlassen. Airbus hat deshalb bereits einen Teil der Forschung & Entwicklung nach China ausgelagert, eine Produktionsstätte speziell für den asiatischen Markt soll folgen.


Quelle:
Flugzeughersteller: Behutsame Modellpflege, ftd.de 30.12.2006

Monday, January 01, 2007

Kofi Annan


Mit dem Ende des Jahres 2006 hat sich eine Veränderung ergeben, die sich bereits seit einigen Jahren abzeichnete: Kofi Annan verläßt die Brücke der Vereinten Nationen.

Annan ist der Prototyp des globalisierten Managers gewesen. In Kumasi, der "Kulturhauptstadt" Ghana, geboren besaß er das Vorrecht der Geburts in eine herausgehobene Familie der Fante. Dies ermöglichte ihm ein Studium am Kumasi College of Science and Technology, in St. Paul und Genf sowie am MIT in Boston. Auch seine Ehen waren global: zunächst einer Nigerianerin und später die Nicht des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg.
Annan lernte die UN bereits 1962 als Mitarbeiter der WHO in Genf kennen und stieg, nach einem Abstecher als ghanaischer Tourismusdirektor, Zug um Zug in der UN-Hierarchie auf.
In den 1990er Jahren wurde er schließlich in die Schlüsselposition des UN Peace keeping-System als Under Secretary berufen - und musste hier teilweise herbe Niederlagen einstecken. In seine Amtszeit fielen so das Massaker in Ruanda, der verlorene Kampf in Somalia und die traumatischen Kriegserfahrungen im früheren Jugoslawien. Gerade der Völkermord in Ruanda prägte Annan nachhaltig, da es ihm nicht gelang, die UN-Truppe auszurüsten und so das Massaker zu stoppen. Frankreich schlug den Interahamwe und Impuzamugambi den Fluchtweg nach Zaire (DR Kongo), die UN selber und mit ihr Annan stand dem machtlos gegenüber. "Nie wieder" war dann auch einer der zentralen Formeln für Annans weitere Arbeit.

Seine Amtszeit als UN-Generalsekretär war von den USA zunächst angesetzt, um ein Reformprogramm durchsetzen. Die Clinton-Adminstration hielt Annans Vorgänger Bhutros-Ghali für zu schwach, um die UN nachhaltig zu reformieren und zu effektivieren und setzte mit aller Macht Annan durch. Und er hielt zunächst, was für Erwartungen in ihn gesetzt wurden: er legte eine Reformagenda auf, die die UN-Struktur nachhaltig verändern sollte. Die Generalversammlung sollte strategische Vorgaben machen, die Entscheidungsfähigkeit des Generalsekretariats gestärkt werden. Auch die Hauptorgane sollten neu austariert werden und die UN-Generalversammlung zum höchsten Entscheidungsorgan werden, was eine Abschwächung der Position des UN-Sicherheitsrates bedeutet hätte. Und es sollten neue (ständige) Mitglieder in den Sicherheitsrat aufgenommen werden.
Mit der Milleniums-Erklärung setzen Annan einen weiteren Meilenstein in der Armutsbekämpfung. Die Reduzierung der Armut auf die Hälfte war ein ehrgeiziges Ziel, welches Annans Vermächtnis bleiben wird.
Aber ihm stand auch die Stärkung der Regionalorganisationen nahe. Obwohl selbst Afrikaner redete er erstmals in der Geschichte den Vertretern seines Geburtskontinents ins Gewissen und unterstützte damit auch die Nepad-Initiative des südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki. Die Menschenrechte sind keine ureigene Erfindung des Westens, so sein Credo. Sie müssten auch in Afrika als ureigene Ziele anerkannt und umgesetzt werden. Nur so sei eine langfristige Entwicklungsstrategie möglich. Die Afrikaner nahmen sich dies zu Herzen: DR Kongo, Nigeria, Togo, Sudan sind nur einige Beispiele für die neuen Initiativen zur Konflikteindämmung, bei der Afrika erstmals in die maßgebliche Rolle hineinwuchs.

Zur Höchstform quasi lief Annan jedoch 2003 auf. Die USA, die ihn wenige Jahre noch inthronisiert hatten mussten nun erleben, dass Annan auch eigene Gedanken hatte und sich auch gegen die USA zur Wehr zu setzen wusste. Mit den Worten "Ich gehöre zu denjenigen, die glauben, daß es eine zweite Resolution hätte geben sollen" machte Annan nachhaltig deutlich, dass er den Irak-Krieg der USA für illegal hielt. Weitere Waffenkontrollen hätten zutage gefördert, dass der Krieg nicht gerechtfertigt wäre - mit ebenjener Begründung, die die USA lieferten.

Und was bleibt damit von Annan: Er hat die UN selbstbewußte gemacht und sie als eigenständigen Akteur in der internationalen Politik verankert. Während die UN früher vor allem als Handlanger der Supermächte USA und Sowjetunion galten, gilt sie heute als eine der höchsten moralischen Autoritäten, denen auch die USA nur bedingt sich entziehen kann. Es bleibt zu hoffen, dass Annan Nachfolger Ban Ki-moon aus Korea ein ebenso lautstarker Generalsekretär wird.

Kofi Annans Stellungnahme zur Illegalität des Irak-Krieges, FAZ.net, 16. September 2004
„Sankt Annan“, Weltwoche, 2004, Nr. 40 - Ausführlicher Artikel über Kofi Annan und seine Amtsführung