Wednesday, January 17, 2007

Am Ende war mal Schluß

Edmund Stoibers betende Hände

Irgendwann ist jede Party mal vorbei. So auch die von Edmund Stoiber und irgendwann muss auch der (ehemals) stärkste Ministerpräsident erkennen, dass seine Zeit abgelaufen ist. Auch wenn der Bayerische Rundfunk mitternächts am 16. Januar 2007 noch (!) etwas vorschnell Stoibers Rückzug bekanntgab, so bleibt es doch dabei, dass Stoiber politisch am Ende ist.

Als Stoiber am Montag im Fraktionsvorstand ankündigte, er müsse auch nicht zur Landtagswahl im Herbst 2008 antreten, wusste er wohl bereits selbst, dass er damit seinen Rückzug, wenn auch auf Raten, bekanntgegeben hat. Politiker müssen antreten, ohne Wenn und ohne Aber. Machen sie einmal einen Rückzieher oder einen Konjunktiv, sind sie am Ende ihrer politischen Karriere angelangt.
Die CSU kennt diesen Prozess. 1993 war Stoiber es noch, der sich gerade in der Korruptionsaffäre aus der Schlinge gezogen um das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten kämpfte und gewann. Max Streibl wollte auch nicht gehen, trotz zahlreiche Affären und insgesamt sechs Untersuchungsausschüsse im Landtag. Die CSU schaffte es trotzdem, Streibl zu überzeugen und zu drängen, sein Amt aufzugeben und den geordneten Rückzug anzutreten. Es scheint ein Grundproblem von Politikern zu sein, dass sie nicht wissen wann es Zeit zu gehen ist. Kohl, Schröder, Stoiber, Streibl, Fischer sind nur die wichtigsten Namen der vergangenen Jahre. Der einzigste Politiker, der aus freien Stücken sein Amt aufgegeben hat und den Zeitpunkt noch allein bestimmen konnte war Hans-Dietrich Genscher nach rund 18jähriger Amtsdauer als deutscher Außenminister.
Andere Länder haben dies besser gelöst: in Mexiko endet die Amtszeit eines Präsidenten nach exakt einer Legislaturperiode, Verlängerung ausgeschlossen. In den USA ist nach acht Jahren Schluss und auch die russischen Präsidenten dürfen sich nach acht Jahren auf einen geruhsamen Alterssitz zurückziehen. Selbst Unternehmen wie BMW haben zwischenzeitliche zumindest eine Altersgrenze gezogen, bis zu der ihr Spitzenpersonal im Amt bleibt, danach ist unweigerlich Schluss und Platz für neue Köpfe und neue Ideen. Die Financial Times Deutschland schrieb:
In Europa hingegen schien es für Amtszeitbeschränkungen lange keinen Grund zu geben. Schließlich gehörten einige der am längsten amtierenden Staats- und Regierungschefs wie Konrad Adenauer, Charles de Gaulle oder Margaret Thatcher zu den großen Politikern der europäischen Nachkriegszeit. Das ist heute anders.
Hat sie im ersten Teil ihrer Aussage noch Recht, so ist der zweite Teil ebenso falsch. Es gab und gibt einen Grund für eine Amtszeitbeschränkung, den die USA bereits seit 1947 im 22. Zusatzartikel, nach einer viermaligen Amtszeit von Präsident Franklin D. Roosevelt, kennen: der persönliche Verschleiß und der Tunnelblick. Kohl und Stoiber waren ebenso großartige Regierungschefs wie die genannten. Aber die Erfahrung lehrt, dass nach zwei Legislaturperioden schlicht Schluss ist mit dem munteren Regieren und es um den Bestandsschutz und das Geschichtsbild geht. Kohl war eine Ausnahme, aber nicht wegen seiner eigenen Brillianz, sondern weil ihm die Geschichte das Geschenk der Deutschen Einheit in den Schoß gelegt hat und es hier einen starken eingespielten Regierungschef brauchte. 1994 war aber spätestens auch bei ihm Schluss und der Abgang mehr als quälend.
Und Kohl wusste dies ebenso wie alle anderen, auch Stoiber. Aber sie wurden getragen von Wahlerfolg zu Wahlerfolg. Stoiber, und hier liegt die eigentliche Krux, fuhr 2003 erstmals in der deutschen Geschichte eine Zweidrittelmehrheit ein. Dies war nicht der Sieg der CSU, dies war der Sieg des Edmund Stoiber. Stoiber wusste es, die Partei wusste es und alle anderen auch. Ein Politiker, der am Höhepunkt seiner Macht angekommen ist, aus dem Amt zu tragen, uns sei es die zeitliche Perspektive seines Endes festzulegen, ist schlechterdings möglich.
Dabei könnte Stoiber sich auf ein Vorbild berufen: Tony Blair. Noch ein Wahlsieg und noch eine Reform die zu Ende gebracht werden muss. In den eigenen Augen ist Blair wie Stoiber schier unersetzlich, sie sind die treibenden Kräfte einer Staatsreform. Bei Stoiber ist es in Bayern die Haushaltskonsolidierung und die Verwaltungsreform, auf Bundesebene die Große Koalition mit den Reformen bei Steuer, Föderalismus, Gesundheit und ... Das diese Lösungen auch ihn gefunden werden, kommt in seiner Gedankenwelt nicht vor.

Edmund Stoiber wird wohl aus dem Amt getragen und dennoch einen schönen Lebensabend verbringen. Als Elder Statesman der CSU wird er Ratschläge vergeben und ist er jetzt auch noch einigermaßen frustriert, so wird sich diese Frustration nach einiger Zeit legen. Wie seine Vorgänger wird er sagen: mei, das Leben geht doch weiter.
Das Problem jedoch wird bleiben.


Literatur
Saskia Richter, Die Kanzlerkandidaten der CSU . Franz-Josef Strauß und Edmund Stoiber als Ausdruck christdemokratischer Schwäche?, 2004
Michael Stiller, Edmud Stoiber - Der Kandidat, 2002
Peter Köhler / Jürgen Roth, Edmund G. Stoiber . Weltstaatsmann und Freund des Volkes, 2002
Ursula Sabathil, Edmud Stoiber - privat, 2001
Manfred Güllner / Hermann Dülmer / Markus Klein, Die Bundestagswahl 2002 . Eine Untersuchung im Zeichen hoher politischer Dynamik, 2005

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