Monday, November 28, 2005

Sind wir Deutschland oder sind wir Papst

Erst hieß es:
Wir sind Papst! Und nun heißt es plötzlich: Du bist Deutschland. Was von beiden nun wichtiger, bedeutender oder ehrbarer ist oder ob wir jetzt sogar gleichzeitig Papst und Deutschland sind, das müsste allerdings noch abschließend geklärt werden. Aber bitte nicht per Wahl, denn dann können sich die meisten bestimmt wieder nicht entscheiden, und am Ende kommt so ein Mist raus wie bei der letzten Bundestagswahl.

Eines ist jedoch sicher. An der Parole "Du bist Deutschland" kommt in den nächsten Wochen keiner vorbei, sogar Leute nicht, die bisher glaubten, sie seien Türkei, Frankreich, Russland oder Italien. Hinter dieser wohlklingend dämlichen Parole verbirgt sich nämlich die größte Social Marketing Kampagne in der Mediengeschichte der Bundesrepublik.

Und natürlich dürfen in diesem bunten Reigen auch nicht Reinhold Beckmann und Johannes B. Kerner fehlen, weil die sowieso überall dabei sind und man sich die beiden auch ganz gut, besonders im kommenden Herbst, als Deutschland vorstellen kann.

Aber bereits kommenden Sommer können wir Päpste und Deutschländer völlig in Verwirrung geraten. Wenn dann nämlich die deutschen Fußballkicker Weltmeister werden sollten, sind wir alle ja auch noch Weltmeister und eben nicht nur Papst und Deutschland. Und das wäre wohl doch ein wenig des Guten zuviel.

Wednesday, November 23, 2005

Die Grünen für die Frauenbewegung

Spiegel ONLINE berichtet heute von einer Anzeigenkampagne der Grünen. Kernaussage: "Ohne die 25-jährige Frauenpolitik von uns Grünen wäre eine Bundeskanzlerin immer noch undenkbar."

Den passenden Kommentar liefern die Redakteure des Online-Magazins gleich mit:
"Wie Golda Meir, Indira Gandhi, Margaret Thatcher und Sirimavo Bandaranaike ohne die Hilfe der deutschen Grünen erfolgreiche Premierministerinnen werden konnten, wird nun allerdings ein ewiges Rätsel bleiben."

Tuesday, November 22, 2005

Guten Tag, Frau Bundeskanzlerin

Nein, der Koalitionsvertrag ist nicht einer, den ich mir gewünscht hätte. Und auch der Koalitionspartner könnte vielleicht eher ein anderer sein.

Aber die Bundeskanzlerin, die ist eine, die man sich wünschen kann. Gegen alle Widerstände ... bei Parteifreund und Feind, wer hat dies schon vor ihr gekonnt.

Herzlichen Glückwunsch, Frau Bundeskanzlerin
und auf ein glückliches Händchen

Sunday, November 20, 2005

Koalition auf Zeit

Da steht sie nun - die Koalition. Man möge denken, die drei Protagonisten schauen gen Himmel, da sie selbst nicht wissen wie es werden soll und sich göttlichen Beistand für die künftigen zwei Regierungsjahre suchen wollen.
Denn was ist eigentlich zukunftsgerichtet: Subventionsabbau - wohl schon. Leistungskürzungen - im Einzelfall. Aber die reihenweise zusätzliche Belastung breiter Bevölkerungsschichten, ohne dass der Staat ans Sparen denkt - wohl eher weniger.
Man nehme mal die Meldungen vom Wochenende: da sollen den Bediensteten die zwischenzeitlich schon überhaupt nicht mehr wirklich übigen Weihnachtsgelder noch weiter gestrichen werden. Würde dies SIEMENS, VW, DAIMLER CHRYSLER oder andere Großkonzerne machen, würden gerade jene Politiker aufschreien: "Dies ist unsozial". Selbst fühlt man sich jedoch dazu berufen ... und schafft damit noch weitere Ungerechtigkeiten, da die Tarifbeschäftigten verschont bleiben (müssen). Arbeiten in zwei Klassen.
Und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt macht es gleich noch dazu Spaß, die Vertragsbeziehungen zwischen Ärzten und ihren Patienten auszuhebeln.
Man freue sich auf zwei Jahre munteres regieren ...

Thursday, November 17, 2005

Chatten oder wie die Kommunikation sinkt

Geht man heute ins Café, um einen Kaffee zu trinken, was zu essen oder einfach mit jemand zu ratschen, so kann es einem passieren, dass rund herum Menschen sitzen, die in ihre Laptops schauen und immer wieder mal schreiben. So wie heute mittag - ich nutzte meine Mittagspause, um einfach ein wenig zu lesen und ein wenig zu essen.
Dabei schaue ich so in die Runde und sehe in dem ein oder anderen Bildschirm, dass die Jungs nicht irgendwelche Arbeiten erledigen, sondern schlicht chatten. Soweit so gut, denke ich mir. Mir fiel bloss auf, dass eigentlich jeder im selben Forum sich befand. Vielleicht chatteten meine Nachbarn ja gerade auch miteinander, ohne zu wissen, dass sie nur zwei Meter auseinander sitzen.
Aber vielleicht ist heute das persönliche Gespräch ja auch gar nicht mehr gewollt. Die virtuelle Welt ermöglicht es, fremde Menschen kennen zu lernen - und diese Menschen auch fremd bleiben zu lassen.
Eigentlich eine traurige Entwicklung, wenn ich nicht mehr reden kann ... sondern nur noch schreiben.

Wednesday, November 09, 2005

Der 9. November

„Seit dem 11. September 2001 sind [die] geistigen Mauern immer höher und abschreckender geworden; das 9/11 der Angst markiert den eigentlichen Beginn des 21. Jahrhunderts. Aber es gibt noch ein anderes 9/11, einen auf europäische Weise geschriebenen 9.11. Am Abend des 9. November 1989 begannen Bürger, mit allen zur Verfügung stehenden Werkzeugen auf den Beton der Berliner Mauer einzuhacken - und die Mauer fiel. Das markierte das faktische Ende des kurzen 20. Jahrhunderts. Es war unser 9/11 der Hoffnung. ... Heute müssen wir noch ein drittes Datum hinzufügen, den 11. März 2004, als Terroristen in Madrid genau zweieinhalb Jahre nach den Angriffen auf die Vereinigten Staaten am 11. September den Europäern ihre eigene Epiphanie der Angst gaben.“

Der Oxforder Zeithistoriker Timothy Garton Ash stellt hier insgesamt drei Ereignisse in einem unmittelbaren Zusammenhang, die für die deutsche Politik sowohl im Inneren wie im Äußeren eine tief greifende Koordinatenverschiebung bewirkt haben.
Der 9. November 1989 - eine der Daten der jüngsten deutschen Geschichte - steht in einer Reihe von Daten, die den 9. November noch stärker als den 3. Oktober als den Tag der Deutschen erscheinen lassen: am 9. November 1918 rief Philipp Scheidemann in Berlin die Republik aus und signalisierte nach der Kapitulation auch das staatspolitische Ende des Kaiserreiches; am 9. November 1923 markierte der Marsch Hitlers auf die Münchner Feldherrenhalle seinen Anspruch auf die Macht in Deutschland und gründete exakt zwei Jahre später die blutigste Terrorgruppe der deutschen Geschichte, die SS und am 9. November 1938 wird mit der Reichskristallnacht die Hatz auf die deutschen Juden - später ausgeweitet auf Gesamteuropa - offiziell eröffnet.
Der 9. November ist damit zu einem Datum geworden, der an die Sternstunden wie an die absoluten Tiefpunkte der Geschichte dieses Landes erinnert und an diesem heutigen Tage erinnert, dass beides eng beeinanderliegt.

Sunday, November 06, 2005

Aufbruch Ost

Aufbruch Ost ... nach dem Aufbau Ost kommt nun eine neue Qualität der Integration Ostdeutschlands. Mit Angela Merkel und Matthias Platzeck (in spe) stehen nunmehr zwei in der DDR sozialisierte Politiker an der Spitze der großen Volksparteien.

Die Vorsitzenden beider Parteien sind eher aus einer Krise in ihre Position gekommen. Aber - und Angela Merkel hat dies auch schon bewiesen - sie werden einen neuen Blick und Stil in den politischen Betrieb bringen. Weniger von Seilschaften bestimmt, offener und wohl auch kooperativer. Ohne jahrzehntelange Ochsentour und Netzwerkbildung wie dem Pacto Andino Segundo der westdeutschen Unionskohorten sind sie in die Politik gestoßen worden - keine Hausmacht, nur mit Verstand und Geschick und der Gabe, am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu sein.

Friday, November 04, 2005

Der Vogel ist gelandet

Der Riesenvogel A 380 am Sonntag auf einem deutschen Verkehrsflughafen gelandet. Die gute alte Lufthansa hat bereits 15 Stück dieses Supervogels bestellt und will sie ab 2007 in den Liniendienst stellen.
Der Vogel ist aber nicht nur ein Flugzeug, sondern er steht auch für einen Kampf Airbus gegen Boing oder noch deutlicher Europa gegen Amerika.

Es geht - herkömmlich - um einen Kulturkampf. Aber in dieser Frage eigentlich auch nur am Rande, denn der Kulturkampf ist eigentlich eine unterschiedliche Produktphilosophie zweier Unternehmen, der ganz offen ausgetragen wird. Boeings 747 - nebenbei bemerkt eines der elegantesten Flugzeuge - ist eine alte Tante und müßte eigentlich technisch ein wenig auf Vordermann gebracht werden. Boeing setzt aber eher auf direkte Verbindungen und deshalb auf den neuen Dreamliner. Schlank und elegant soll er Passagiere nicht über Hubs, sondern direkt zwischen den Destinations befördern.
Und genau hier setzt Airbus an: nicht die unmittelbaren Verbindungen sieht Airbus im kommen, sondern eine Stärkung der Hubs. Die Frage ist nicht nur, was ökonomisch zielführender ist, sondern auch was ökologischer sinnvoller ist. Und da streiten sich die Geister - und man wird sehen, welcher Hersteller die Nase vorn hat.


Es fällt übrigens auf, das Airbus nur in Ausnahmefällen optisch schöne Flugzeuge bauen will. Die Beluga, Airbus Cargo-Variante, ist zwar weniger wegen ihrer optischen Unzulänglichkeiten kein marktgängiges Flugzeug geworden und fliegt vor allem im Airbus-hauseigenen Gebrauch. Aber wirklich ansprechend sind sie alle nicht - und da stehen Beluga und A380 nur an der Spitze.


Thursday, November 03, 2005

The Great Game

The Great Game war die Bezeichnung für den Kampf um die Ölfelder rund um die Caspian Sea zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Gewonnen haben damals die Briten und selbst das NS-Deutschland erkannte den Wert. Neben Moskau und Leningrad galt Baku als das Hauptziel der deutschen Wehrmacht in Russland.
Mit dem Ende der Sowjetunion und der Unabhängigkeit seiner "Tochterstaaten" ist das Great Game erneut ausgesprochen. Schließlich lagen unter der Caspian Sea riesige Ölvorkommen und würden helfen, die Abhängigkeit vom Persischen Golf zu mindern. Besonders die USA haben ein Interesse daran - und waren diesmal quasi der Sieger. British Petroleum (BP) errang aber den zweiten Platz.
Baku, die Hauptstadt der unabhängigen Aserbaidschan und bereits während des ersten Great Game zu ungeahnter Blüte erwachsen, war nun erneut Zentrum aller Ölträume. Präsident Alijew hatte es wie kein anderer Verstanden, Arrangements mit den westlichen Ölgesellschaften zu schließen, ohne den Großen Bruder Russland allzustark zu verärgern. Und Aserbaidschan konnte an alte Zeiten anknüpfen und errang neue Blüte. Wenn auch nur für die oberen "Einhundert". Politisch ist Aserbaidschan jedoch keine Demokratie, sondern immer noch ein Zwangsstaat, in dem die Äußerung der freien Meinung nicht unbedingt gern gesehen wird und das von einer korrupten Oligarchie gesteuert wird.
Der alte Alijew ist tot – und sein Sohn hat die dynastische Nachfolge angetreten. Aber nicht nur in der Ukraine oder in Georgien hat die Opposition Morgenluft geschnuppert. Auch in Aserbaidschan ist sie nicht mehr mundtot zu machen. Und deshalb sind die Wahlen am 6. November auch so spannend. Wird es Ilkram Alijew gelingen, seine Macht auch in Wahlen zu sichern und werden diese Wahlen einigermaßen fair ablaufen. Oder verliert die aserbaidschanische Oligarchie ihre Macht und lässt den demokratischen Wechsel auch zu.
Dies sind die aserbaidschanischen Probleme. Vom Ausgang der Wahlen hängt jedoch mehr ab: der Kaukasus ist ein Pulverfass geblieben, wenn auch derzeit nicht mit einer Lunte versehen. Denn immer noch ist Georgien – Aserbaidschans Verbündeter – nicht befriedet und die Demokratie gefestigt. Und noch immer ist Armenien – der ungeliebte Nachbar – eher offizieller Kriegsgegner. Nagorni Karabasch – eigentlich aserisches Territorium – ist in armenischer Hand und Armenien verdeckt auch die aserische Provinz Nadjischewan.
Gewinnt die aserische Opposition, so wird es auch die armenische Führung eng und sie könnte gezwungen sein, über ein Stück mehr an politischer Freiheit nachzudenken. Der Hauch von Demokratie wird in Eriwan nämlich nicht halt machen und so manchen übergelaufene Fass hat schon bewiesen, dass es mehr kann als überzulaufen – nämlich auf die Nachbar überzuschwappen.

Tuesday, November 01, 2005

Allerheiligen

Allerheiligen ... was ist das eigentlich?
Ein Blick bei Wikipedia zeigt, dass heute eigentlich der Heiligen - und zwar auch der Verborgenen - gedacht wird.

Bei der SPD wird auch der Heiligen oder besser gesagt der Granten gedacht. Franz Müntefering ist Geschichte und Andrea Nahles hat gesehen, dass nach ihrem Pyrrussieg von gestern ihre Karriere beendet ist: Sie hat öffentlich Überlegungen angestellt, nun doch nicht Generalsekretärin werden zu wollen. Franz Müntefering wird es ihr danken, dass sie doch etwas länger zum Nachdenken braucht.

Die eigentliche Siegerin des ganzen Vorgangs heißt jedoch: Angela Merkel. Was auf den ersten Blick verwunderlich erscheint, wird auf den Zweiten um so deutlicher. Nachdem Frau Nahles nämlich Herrn Müntefering entmachtet hat, bleibt Edmund Stoiber auch gleich in Bayern. "Angie" wurde quasi aus der babylonischen Gefangenschaft befreit und kann jetzt vollkommen frei ihre Richtlinenkompetenz wahrnehmen - diejenigen, die sie ihr bestritten hatten, haben gar nicht mehr die Kraft, sie zu bestreiten.
Aber vielleicht reisen wir ja auch noch nach Jamaika ... und so schlecht wäre dies auch nicht, den in der Caribic geht bekanntlich vieles viel lockerer ...