Wednesday, November 09, 2005

Der 9. November

„Seit dem 11. September 2001 sind [die] geistigen Mauern immer höher und abschreckender geworden; das 9/11 der Angst markiert den eigentlichen Beginn des 21. Jahrhunderts. Aber es gibt noch ein anderes 9/11, einen auf europäische Weise geschriebenen 9.11. Am Abend des 9. November 1989 begannen Bürger, mit allen zur Verfügung stehenden Werkzeugen auf den Beton der Berliner Mauer einzuhacken - und die Mauer fiel. Das markierte das faktische Ende des kurzen 20. Jahrhunderts. Es war unser 9/11 der Hoffnung. ... Heute müssen wir noch ein drittes Datum hinzufügen, den 11. März 2004, als Terroristen in Madrid genau zweieinhalb Jahre nach den Angriffen auf die Vereinigten Staaten am 11. September den Europäern ihre eigene Epiphanie der Angst gaben.“

Der Oxforder Zeithistoriker Timothy Garton Ash stellt hier insgesamt drei Ereignisse in einem unmittelbaren Zusammenhang, die für die deutsche Politik sowohl im Inneren wie im Äußeren eine tief greifende Koordinatenverschiebung bewirkt haben.
Der 9. November 1989 - eine der Daten der jüngsten deutschen Geschichte - steht in einer Reihe von Daten, die den 9. November noch stärker als den 3. Oktober als den Tag der Deutschen erscheinen lassen: am 9. November 1918 rief Philipp Scheidemann in Berlin die Republik aus und signalisierte nach der Kapitulation auch das staatspolitische Ende des Kaiserreiches; am 9. November 1923 markierte der Marsch Hitlers auf die Münchner Feldherrenhalle seinen Anspruch auf die Macht in Deutschland und gründete exakt zwei Jahre später die blutigste Terrorgruppe der deutschen Geschichte, die SS und am 9. November 1938 wird mit der Reichskristallnacht die Hatz auf die deutschen Juden - später ausgeweitet auf Gesamteuropa - offiziell eröffnet.
Der 9. November ist damit zu einem Datum geworden, der an die Sternstunden wie an die absoluten Tiefpunkte der Geschichte dieses Landes erinnert und an diesem heutigen Tage erinnert, dass beides eng beeinanderliegt.

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