Thursday, November 03, 2005

The Great Game

The Great Game war die Bezeichnung für den Kampf um die Ölfelder rund um die Caspian Sea zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Gewonnen haben damals die Briten und selbst das NS-Deutschland erkannte den Wert. Neben Moskau und Leningrad galt Baku als das Hauptziel der deutschen Wehrmacht in Russland.
Mit dem Ende der Sowjetunion und der Unabhängigkeit seiner "Tochterstaaten" ist das Great Game erneut ausgesprochen. Schließlich lagen unter der Caspian Sea riesige Ölvorkommen und würden helfen, die Abhängigkeit vom Persischen Golf zu mindern. Besonders die USA haben ein Interesse daran - und waren diesmal quasi der Sieger. British Petroleum (BP) errang aber den zweiten Platz.
Baku, die Hauptstadt der unabhängigen Aserbaidschan und bereits während des ersten Great Game zu ungeahnter Blüte erwachsen, war nun erneut Zentrum aller Ölträume. Präsident Alijew hatte es wie kein anderer Verstanden, Arrangements mit den westlichen Ölgesellschaften zu schließen, ohne den Großen Bruder Russland allzustark zu verärgern. Und Aserbaidschan konnte an alte Zeiten anknüpfen und errang neue Blüte. Wenn auch nur für die oberen "Einhundert". Politisch ist Aserbaidschan jedoch keine Demokratie, sondern immer noch ein Zwangsstaat, in dem die Äußerung der freien Meinung nicht unbedingt gern gesehen wird und das von einer korrupten Oligarchie gesteuert wird.
Der alte Alijew ist tot – und sein Sohn hat die dynastische Nachfolge angetreten. Aber nicht nur in der Ukraine oder in Georgien hat die Opposition Morgenluft geschnuppert. Auch in Aserbaidschan ist sie nicht mehr mundtot zu machen. Und deshalb sind die Wahlen am 6. November auch so spannend. Wird es Ilkram Alijew gelingen, seine Macht auch in Wahlen zu sichern und werden diese Wahlen einigermaßen fair ablaufen. Oder verliert die aserbaidschanische Oligarchie ihre Macht und lässt den demokratischen Wechsel auch zu.
Dies sind die aserbaidschanischen Probleme. Vom Ausgang der Wahlen hängt jedoch mehr ab: der Kaukasus ist ein Pulverfass geblieben, wenn auch derzeit nicht mit einer Lunte versehen. Denn immer noch ist Georgien – Aserbaidschans Verbündeter – nicht befriedet und die Demokratie gefestigt. Und noch immer ist Armenien – der ungeliebte Nachbar – eher offizieller Kriegsgegner. Nagorni Karabasch – eigentlich aserisches Territorium – ist in armenischer Hand und Armenien verdeckt auch die aserische Provinz Nadjischewan.
Gewinnt die aserische Opposition, so wird es auch die armenische Führung eng und sie könnte gezwungen sein, über ein Stück mehr an politischer Freiheit nachzudenken. Der Hauch von Demokratie wird in Eriwan nämlich nicht halt machen und so manchen übergelaufene Fass hat schon bewiesen, dass es mehr kann als überzulaufen – nämlich auf die Nachbar überzuschwappen.

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