Thursday, December 28, 2006

Happy New Year

Der Jahreswechsel ist zum einzig besinnlichen Tag im Jahre geworden. Und mit meiner Lieblingsband ein Happy New Year.

Thursday, December 21, 2006

Diktatorenheimsuchung: Der Vater aller Turkmenen


Sein bürgerlicher Name war Saparmurad Nijasow, genannt werden wollte er jedoch Turkmenbashi, der Vater aller Turkmenen. Obwohl die wenigsten wirklich wissen dürften, wo Turkmenistan überhaupt liegt und was sonst so über dieses Land zu wissen wäre, geriet es in den letzten Jahren aus zwei Gründen in das Blickfeld der internationalen Öffentlichkeit: es hatte reichlich Gas und es hatte einen extrentischen selbstverliebten Staatschef.
Njiasow hatte sich in der KP der Sowjetunion hochgearbeitet: in einem Waisenhaus aufgewachsen ließ er sich zum Ingenieur ausbilden und wurde 1985 turkmenischer Vorsitzender der KP. Da es 1991 opportun war, diese Partei zu verbieten, tat er dies auch in Turkmenistan, erklärte sein Land für unabhängig und sich selbst zum Präsidenten. 1992 wurde er mit 99,5 Prozent im Amt bestätigt und ließ nach mehreren extralegalen Verlängerungen seiner Amtszeit 1999 schließlich zum Staatschef auf Lebenszeit ernannt.
So ganz nebenbei errichtete er in seinem Land eine wohlfeile Diktatur, die die Opposition aus dem Land trieb und im Zweifel auch bereit war, einen vermeintlichen Anschlag auf den Staatschef zu verüben. Einige rechtsstaatliche Grundsätze - wie die Tat selbst - sollten formal noch eingehalten werden. Die nach rund 70 Jahren russisch geprägter Sowjetherrschaft sollte negiert werden, in dem die in Turkmenistan heimatlich gewordnen Russen sich zu entscheiden: Russe oder Turkmene. Und de gemeinen Bürger wurden nicht nur die Sozialleistungen gestrichen, sondern die bereits erhaltenen Renten sollte er auch zurückzahlen. Die Armut breiter Bevölkerungsschichten war scheinbar wohlkalkuliert, dass dieses Volk nicht gegen seinen Tyrannen aufstand offenbar auch.

Das westliche Interesse am zentralasiatischen Operettenstaat war jedoch nicht minder beeindruckend. Gasvorkommen elektrisierte den Westen und da war es selbst wohlmeinenden Regierungen wie der sonst moralschwer erscheinenden rot-grünen in Deutschland ein leichtes, alte Grundsätze der Menschenrechts- und Rechtsstaatspolitik über Bord zu werfen. Der Form halber forderte man diese ein, in der Sache war das Gas wichtiger und der ziemlich einmalige Personenkult hingenommen: Bücher wurden zur Bibel, Meteore nach dem obersten Turkmenen-Boss benannt.

Nun ist er tot, einen natürlichen Nachfolger gibt es nicht. Gefahr und Chance zugleich. Schließlich werden sich so schnell die Tausenden Statuen und Bilder nicht einfach austauschen lassen. Turkmenistan hat damit eine echte Chance und die Welt sollte das turkemische Volk tatkräftig unterstützen, diese zu nutzen. Was ein paar Kilometer weiter östlich in Kirgistan blutig erkauft wurde, kann in Turkmenistan wesentlich besser funktionieren.

Friday, December 15, 2006

Eine Ausgeburt an Naivität


Man ist doch manchmal verwundert, mit welcher Naivität eine parlamentarische Jundspunde an internationale Politik herangehen. Bereits einige Male wurden an dieser Stelle die Ideen der Weltexpertin Marina Schuster behandelt. Die Entertainmentopposition und insbesondere ihre bayerischen Jungmitglieder scheinen für eine gewisse Naivität ein ausgesprochen reiches Reservoir zu sein und so findet man dann auch eine Pressemitteilung der im parlamentarischen Hauptberuf kinderpolitischen Sprecherin Miriam Gruss:
Die kubanische Botschaft verweigert den Mitgliedern der deutsch-mittelamerikanischen Parlamentariergruppe die Visa für eine Reise nach Kuba, die vom 16.-18. Dezember stattfinden sollte. Die Begründung: ein Treffen der Gruppe mit kubanischen Oppositionellen in der Residenz des deutschen Botschafters sei nicht akzeptabel.
Die Bundesregierung muss sowohl in Havanna als auch bei der kubanischen Botschaft in Berlin hiergegen offiziell protestieren. Es kann nicht sein, dass die kubanische Regierung sogar die Gästeliste des deutschen Botschafters in Havanna bestimmt. Und noch weniger kann es sein, dass sich die Bundesregierung dies gefallen lässt.
Das Verhalten der kubanischen Regierung ist ein Skandal, der die Arbeit der deutsch-mittelamerikanische Parlamentariergruppe als solches infrage stellt. Angesichts der Tatsache, dass die Ära Fidel Castros unweigerlich auf ihr Ende zugeht, wird seitens der offiziellen Stellen offensichtlich eine besonders harte Linie gefahren. Der aktuelle Vorfall reiht sich ein in die Absetzung eines deutschen Films bei den Festspielen in Havanna und der verhinderten Ausreise eines kubanischen Oppositionellen, der in Deutschland einen Menschenrechtspreis entgegennehmen sollte. Die Grenze des Akzeptablen wird durch solche Vorfälle jedoch deutlich überschritten.
Es ist natürlich schon böse von der cubanischen Regierung, wenn sie die Arbeit der gesamten deutsch-mittelamerikanischen Parlamentariergruppe desavouriert. Bloss stellen sich an dieser Stelle doch gleich mehrere Fragen, die mal dringend einer Klärung bedürfen würden.

(1) Hat die cubanische Regierung die deutsch-mittelamerikanische Parlamentariergruppe wirklich eingeladen?
Dies wird selbst von unserer Jungparlamentariern nicht behauptet und daher wäre mal von einem Nein als Antwort auszugehen. Letztlich steht es daher der cubanischen Regierung auch vollkommen frei, einreisen zu lassen wen sie wollen. Sollen dies nun nicht ausgerechnet Parlamentarier sein, die ein paar Tage cubanische Sonne auf Staatskosten genießen wollen, so ist da grundsätzlich nichts einzuwenden. Schließlich läßt auch die Bundesrepublik nicht jeden die Zugspitze hinaufklettern.
Insofern dürfte die Skandalisierung eines ganz normalen, in deutschen Amtsstuben im Ausland alltäglichen Vorgangs ein Skandal ohne Ende sein. Man könnte jetzt direkt einen Untersuchungsausschuss einsetzen und den cubanischen Botschafter vorladen, denn wer sich deutschen Parlamentariern nicht beugt gehört vor einen solchen. Da spielt die eine oder andere Gepflogenheit im Umgang miteinander relativ wenig eine Rolle, den ein Skandal lässt sich immer verkaufen.

(2) Hat die cubanische Regierung überhaupt irgend etwas mit der deutsch-mittelamerikanischen Parlamentariergruppe zu tun?
Auch dies dürfte eher unwahrscheinlich sein. Es gibt nicht einmal eine Vereinbarung zwischen beiden Seiten, dass die Parlamentariergruppe überhaupt mit Cubanern zusammenarbeiten soll, also quasi wurde hier seitens einiger Parlamentarier ein Vertrag zu Lasten Dritter geschlossen, was im deutschen Recht gemeinhin unzulässig ist.
Es steht natürlich dem Bundestag frei, sich auch regional zu organisieren. Schließlich kann man nicht gleich immer durch die ganze Welt jetten als Parlamentarier. Allerdings sind andere Länder nicht verpflichtet, jeden ungebetenen Gast auch gleich die allerhöchste Ehre zu erweisen und irgendwann wird das Händeschütteln deutscher Parlamentarier, die es bekanntlich furchtbar gerne in ferne warme südliche Länder zieht, jedem Mal zu viel. Eine kleine Atempause muss daher doch erlaubt sein.

(3) Bestimmt die cubanische Regierung überhaupt die Gästeliste des Botschafters?
Eigentlich auch nicht. Seiner Exellenz wurde nicht verboten, oppositionelle Cubaner einzuladen. Nur dachte sich wohl die cubanische Regierung, eine deutsche Parlamentarierdelegation muss nicht unbedingt dort beteiligt sein.

Es läßt sich doch feststellen, dass die Anmassung deustcher Entertainmentparlamentarier auf eine Beglückung der Welt offenbar ihre Grenzen dort findet, wo sie einfach zu oft vorstellig werden.

Thursday, December 14, 2006

Venezuela: Chavez is back


Was schon als vermisst konnte man unsere Weltexpertin Marina Schuster bezeichnen. Aber sie hat sich zurückgemeldet, denn schließlich war wieder einmal ein "Linksruck" in Lateinamerika zu kommentieren:
Die Wiederwahl von Präsident Hugo Chávez in Venezuela ist ein beunruhigendes Signal für die Region. Der Sozialist hat sich einer Verstaatlichungs- und Almosenpolitik verschrieben, rücksichtslos gegenüber Besitzverhältnissen und wirtschaftlichen Kreisläufen. Unter seiner Ägide werden die Einnahmen aus den Ölvorkommen als Geschenk an die Armen des Landes verteilt, ohne eine nachhaltige Wirtschaftspolitik voran zu treiben.
Da wundert sich doch das ehrbare Liberalenherz. Was ist so schlimm gegen die Verteilung von Almosen an die Armen. Man erinnere sich: der Liberalismus entstamm
t dem Bürgertum und zur besten bürgerlichen Tugend zählt das Mäzenatentum. Das Problem ist allerdings, dass diese liberal-bürgerliche Tradition heute keine politische Heimat mehr in Deutschland hat. Für die FDP ist der Nachtwächterstaat das Idealum, der sich ausschließlich dem - noch nicht einmal kapitalistisch zu nennenden - Fundamentalökonomismus verschrieben hat. Dadurch ist das Verständnis recht gering ausgeprägt.
Die Frage der Nachhaltigkeit ist nun jedoch sicher berechtigt. Aber auch hier ist Chavez bei aller Kriti
k an seinem Personenkult durchaus in der Lage auf Erfolge zu verweisen. Die Ausleihung cubanischer Mediziner ist ein erster Schritt auf dem Weg einer nachhaltigen Gesundheitspolitik, die die Menschen gesünder, widerstandsfähiger und auch leistungsfähiger macht. Das damit auch eine gezielte Bildungspolitik, die bereits initiiert ist, einhergehen muss, ist eine Selbstverständlichkeit. Allerdings werden diese auch hier nicht von heute auf morgen erscheinen, sondern eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen.

Investoren schreckt er mit seinem politischen Radikalkurs ab, indem er staatliche Interessen über Individualinteressen stellt. Persönliche und wirtschaftliche Entfaltung dürfen aber nicht zugunsten einer „Öl für Sozialismus"-Politik zurückstehen. Zwar ist Chávez demokratisch legitimiert, doch geriert er sich zu einem neuen Fidel mit Öl in Lateinamerika.
Das ist aber auch eine böse Sache, dass Chavez nun ausnahmsweise einmal nicht an die Interessen westlicher Unternehmer denkt, sondern eher an sein Land. Es ist dabei nun nichts einzuwenden, sich wie ein "Fidel" zu gerieren. Dann was "Fidel" - mit Ausnahme seiner martialischen Ausfälle und undemokratischen Erscheinungsweise - wirklich geleitet hat war die Verhinderung des Ausverkaufs seines Landes. Dabei sind es nicht allein die U.S.-Konzerne, sondern auch die Europäer, die immer wieder versuchen ihre Interessen als die Interessen ihrer "Partner" zu verkaufen. Nun haben diese jedoch zwischenzeitlich erkannt, dass diese nicht immer deckungsgleich sind. Chavéz versucht somit eher eine einheitliche Lateinamerika-Front aufzubauen und damit etwas nachzuvollziehen, was auch in Asien und Afrika zwischenzeitlich grasiert.
Dies mag für westliche Politiker schwieriger werden, für die Länder sind jedoch eher zukunftsträchtige Entwicklungen. Dass er dabei manchmal populistisch überzieht ist richtig. Ob die Ablehnung der amerikanischen Freihandelszone von Alaska bis Feuerland jedoch wirklich falsch war ist für eine sich zunächst noch entwickelnde Ökonomie wie Venezuele und vor allem zahlreicher seiner Nachbarländer fraglich - auch für zahlreiche Ökonomen.

Politisch gemein macht sich Populist Chávez mit Gegnern von US-Präsident George W. Bush, wie Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad und Weißrusslands Alexander Lukaschenko. Von Russland importiert er Waffen und rüstet auf. Mit dieser Abkehr von den USA und den Grundwerten einer freiheitlich liberalen Gesinnung radikalisiert sich das Land und droht Venezuela ins politische Abseits zu befördern, mit unberechenbaren Konsequenzen für die Demokratie.
Also ins Abseits befördern wollen Chavéz vor allem selbsternannte Lateinamerika-Experten. Politisch stellt sich Chavéz gegen U.S.-Präsident Bush jun., Punkt. Und gegen Bush jun. zu sein heißt noch nicht, auch Grundsätze wie Demokratie und Menschenrechte abzulehnen. Lukaschenka ist bei diesem Spiel zunächst nicht dabei, da er gleich an mehreren Fronten kämpft und nun auch Rußland sich zunehmend von ihm abwendet.
Was Ahmedinedschad anbelangt so ist dies zweischneidig. Hier haben sich die Europäer und die USA in ei
ne selbstgestellte Falle bewegt, da sie - obwohl keinerlei Beweise für ein Atomwaffenprogramm - dem Iran den Besitz und die Entwicklung der Kernenergie verweigern wollen. Oder besser gesagt: nur zu ihren Konditionen gestatten wollen. Dies entschuldigt nicht die Ausfälle Ahmedinaschads gegen Israel und die Leugnung des Holocaust, beide Punkte stehen jedoch auch in zwei getrennten Büchern, die so einfach nicht vermengt werden dürfen. Letzteres wird auch von Chavéz nicht geteilt.
Hier treffen sich dann wieder die beiden Interessenpolitiker, die im Interesse ihres Landes versuchen Freiräume zu erarbeiten und auch durchzusetzen. Die Welt wird komplizierter, nur haben das einige "Experten" scheinbar noch nicht wahrhaben wollen.

Besonders in dieser schwierigen politischen Lage muss die Bundesregierung klar Position beziehen: für Demokratie, persönliche Entfaltung und eine freie Marktwirtschaft. Eine Scheuklappenpolitik, die nur auf wirtschaftliche Interessen abzielt – Deutschland ist venezolanischer Ölimporteur– kann nicht in unserem Sinne sein.
Welch eine Kehrtwendung. Oben war noch von den Individualinteressen von Unternehmen die Rede. Dass die Bundesregierung eine gesunde Mischung der Punkte fehlen läßt, kann man eigentlich nicht erkennen. Bei allen erkennbaren außenpolitischen Schwächen. Aber es ist dann wohl eher eine Schwäche der Entertainment-Opposition und ihrer Experten, eine ausgewogene Betrachtungsweise anzustellen.

Monday, December 11, 2006

Pinochet und die Diktaturen Lateinamerikas


Augusto Pinochet ist tot und damit einer der lateinamerikanischen Diktatoren, die wie kein zweiter die Aufmerksamkeit der Welt sowohl in seiner Diktatoren-Amtszeit wie auch danach auf sich gezogen hat. Zumindest die Aufmerksamkeit der westlichen und sozialistischen Welt. Aber was war so besonders an Pinochet, war Lateinamerika zu seiner Zeit doch von einer Unzahl von Diktatoren regiert worden: Brasilien, Paraquay, Argentinien, Peru ...
Aber in Chile haben sich die Geister der Welt geschieden: der Kampf Sozialismus gegen den Westen, Links gegen Rechts. Im Gegensatz zu Brasilien oder Argentinien war 1973 in Chile eine sozialistische Regierung unter Salvador Allende in die Regierung auf demokratischem Wege gewählt wurden. Sie fand, fast schon natürlicherweise, die Unterstützung der sozialistischen Welt. Und obwohl Allende im Gegensatz zu Fidel Castro keinen gesellschaftlichen Umsturz plante und Pinochet höchstselbst zum Obersten Militär ernannte, war er den Militärs ein Dorn im Auge. Und auch den USA, die ein zweites Cuba in ihrem "Hinterhof" fürchteten und deshalb die reaktionären Militärs um Pinochet unterstützten. Die Rolle des damaligen U.S.-Außenministers Henry Kissinger ist bis heute nicht ganz geklärt.
Es war das Zusammentreffen von USA und Sowjetunion, welches nur an wenigen Orten der Welt so spürbar war und welche die Diktatur Pinochets in das Licht der Weltöffentlichkeit rückte. Die chilenische Opposition besaß in der sozialistischen Welt eine breite Unterstützung und viele tausend Chilenen, die vor Pinochets Junta flüchteten, fanden in der DDR Unterschlupf. Zwar nahm auch die Bundesrepublik zahlreiche Chilenen auf, die publizistische Präsenz war jedoch weit weniger gross als in der DDR. Sit in´s waren ein Instrument der Linken, egal ob gegen Atomwaffen oder gegen die chilenische Diktatur. Und im Gegensatz zu Oppositionellen aus Brasilien, Paraquay, Argentinien oder den anderen lateinamerikanischen Diktaturen erhielten die Chilenen eine breite Unterstützung an finanziellen Mitteln.

Und es war das Ende der chilenischen Diktatur, die die Aufmerksamkeit der Welt erregte. Argentinien kehrte 1983 zur Demokratie zurück, Brasilien und Uruguay 1985. In Paraguay stürzt 1989 das Militär den Diktator Alfredo Stroessner und erst 1993 finden freie Wahlen statt, bei der die Partido Colorado die Macht verliert.
Chile war auch hier anders. Pinochet ließ in einer von außen aufgezwungenen Abstimmung das Volk über seine "zivile" Präsidentschaft abstimmen, verlor - und trat ab. Während in anderen Ländern der Schnitt radikal vollzogen wurde, machte auch hier Chile aus dem Übergang ein akademisches Lehrbeispiel aus dem Übergang. Pinochet blieb bis 1998 Heereschef und schränkte die Handlungsmöglichkeit jedes Präsidenten nach ihm erheblich ein. Nur dadurch konnten sich im Militär weiterhin erzreaktionäre Kräfte halten, die über Pinochet ihre schützende Hand hielten.

Und es war 1999 wieder Pinochet, der Rechtsgeschichte schrieb. Auf Ersuchen eines spanischen Untersuchungsrichters wurde der Ex-Diktator in London festgenommen und ein Auslieferungsverfahren eingeleitet. Bis dahin ein einmaliger Vorgang, der jedoch vielen Diktatoren zeigte, dass sie auf keinem Fleck der Erde mehr imhun gegen eine Strafverfolgung sind.
Erst dadurch wurden in Chile selbst die Kräfte freigesetzt, die auch hier eine Verfolgung der Exzese der Militärdiktatur und Pinochets persönliche Verantwortung aufarbeiten sollte. Ein quälender Prozess begann in Pinochet´s Heimatland, ein stetiger Kampf zwischen Zivilgesellschaft und Militär um den Kopf Pinochets selbst wie auch um die gesamte Geschichtsschreibung der Diktatur. Stetig gewann die Zivilgesellschaft mehr an Boden, die Immunität Pinochets und damit der sorgsame Versuch der lebenslangen Senatsmitgliedschaft waren gescheitert.

Für Deutschland besitzt Chile noch eine andere Bedeutung. Wie in den anderen südlichen Staaten Lateinamerikas waren auch in Chile zahlreiche Führungskader des NS-Regimes und der späteren Neo-Rechten untergekommen. Aber nur in Chile gelangten sie in eine so staatstragende Rolle der Diktatur. Die Colonia Dignidad wurde berüchtigt als Folterstube des Regimes. Die Verbrechen dort hatten nichts mit Deutschland zu tun, aber sie fielen in gewisser Weise auf Deutschland zurück: es waren deutsche Auswanderer und hier zeigte sich, dass man seine Nationalität ein Leben lang behält. Und Deutschland hat sich auch an der Aufarbeitung der Geschichte der Colonia Dignidad beteiligt.
Aber die Kolonie zeigt eine durchaus noch vorhandene Affinität zu Deutschland mit zahlreichen deutschen Siedlungen, den Zeitungen und anderen deutschsprachigen Einrichtungen. Die Verbundenheit, gestärkt durch den Aufenthalt zahlreicher Oppositioneller in beiden Teilen Deutschlands, wird erhalten bleiben und im Verhältnis der beiden Regierungschefinnen Bestand haben.


Pinochet ist tot und sein Tod, so tragisch im Einzelfall für die Familie immer ist, wird Chile wohl mittelfristig beruhigen. Es war richtig, ihn vor Gericht zu stellen und es war richtig, ihn nicht abzuurteilen. Der Rechtsstaat hat gezeigt, dass er auch in Chile arbeitsfähig ist: Einerseits hat er sich der Aufarbeitung der Diktatur angenommen und wird seine Fortsetzung finden. Es ist eine klare Warnung an alle, die während Pinochet Verantwortung getragen haben und auch nach einer näheren Betrachtung der Rolle des ehemaligen U.S.-Außenministers Henry Kissinger wird der Ruf immer lauter. Die Verschonung Pinochets hat aber auch gezeigt, dass die chilenische Justiz verstanden hat, die persönliche Situation des Angeklagten einzubeziehen und gerade aufgrund seiner schweren Erkrankungen eine Verurteilung dem Rechtsstaat schadet, der nur auf Rache aus ist.
Und genauso richtig ist es, dass Präsidentin Michelle Bachelet dem "Tyrannen", wie Der Spiegel schreibt, ein Staatsbegräbnis verweigert. Pinochet war kein Demokrat und ist nicht gewählt. Er hat den Tod Tausender Oppositioneller oder diejenigen, die man dafür gehalten hat, zu verantworten. Die chilenische Gesellschaft hat die Diktatur, Folter, Mord und Vertreibung trotz ihrer boomenden Ökonomie nicht verkraftet und die Hauptverantwortung trägt dafür Pinochet. Die letzte Ehre als Heereschef ist nur ein Zugeständnis an die immer noch rechtskonservativen bis reaktionären Militärs, keine Ehrenbezeugung des Staates.
Aber trotz der Unruhen in Santiago de Chile wird der Tod Pinochets Chile einen Weg in die Zukunft weisen. Die Identifikationsfigur fehlt den Reaktionären nun und das er außerhalb des Gefängnisses gestorben ist verhindert auch jede Legendenbildung. Die Unruhen waren in vorher sehbar, sie werden jedoch auch vorübergehen. Chile jedoch wird bleiben und leben.


Literaturtipp:
Isabell Allende, "Das Geisterhaus"
Ruth Fuchs / Detlef Nolte: Vergangenheit in Chile, Argentinien und Uruguay, APuZ 42/2006

Tuesday, December 05, 2006

Wenn´s ums Geld geht ...

... dann bricht immer auf´s neue der Streit aus.

Im Frühjahr stritten sich die Parteien im Bundestag über die Aufgabenverteilung im föderalen Staatsgebilde Deutschlands. Es ist verwunderlich, dass diese eigentlich zentrale Aufgabe zu offenbar weniger Spannungen führt als die nachgeordnete Frage der Finanzierung. Bereits die Auswahl der Vorsitzenden der Arbeitsgruppen dauerte rund ein halbes Jahr.

Dabei wäre es doch eigentlich so einfach: die Aufgaben sind verteilt und jeder sorgt dafür, dass er sie finanzieren kann. Denn was spricht dagegen, dass die Länder und Kommunen ein eigenes Steuerfindungsrecht haben. Sie bestimmen über die Leistungsqualität der Aufgabenerbringung und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse schreibt schließlich nicht vor, dass überall die gleichen Standards zu setzen sind.

Monday, December 04, 2006

Das Ende der Neocons

Die tageszeitung schrieb vor dreieinhalb Jahren:
Man kann Richard Perle nicht ernst genug nehmen, seinen Einfluss auf die Politik der USA nicht hoch genug einschätzen. Anfang der Achtzigerjahre empfahl der damalige Vizechef des Pentagons seinem Präsidenten Ronald Reagan, die Sowjetunion als Reich des Bösen zu brandmarken und sie durch einen forcierten Rüstungswettlauf zum Kollaps zu bringen. Reagan tat genau das. "Prinz der Dunkelheit" wird Perle seitdem von seinen amerikanischen Kritikern genannt.
Richard Perle musste schon vor einiger Zeit seinen Posten als Vorsitzender des wichtigen Strategieausschusses im Pentagon gehen. Es ist daher die Frage erlaubt, ob sich die taz nicht an dieser Stelle getäuscht hat: sie hat es nicht.
Perle und seine Gruppe waren es, die den Irak-Krieg maßgeblich zu verantworten haben, die mit falschen Tatsachen den U.S.-Außenminister in den UN-Sicherheitsrat entsandten und so letztlich die USA lächerlich machten. Deshalb war die Aussage zum Zeitpunkt ihrer Tätigung auch voll den Tatsachen entsprechend und zwischenzeitlich jedoch wieder falsch geworden. Und warum?
Nach Perle gingen auch Richard Armitage, Paul Wolfowitz und alle anderen, die mit Perle gemeinsam hatten, dass sie der Schule der NeoCons angehörten. Heute hat auch der (vor-) letzte dieser Gruppe seinen Rückzug angetreten: John Bolton. Als Präsident George W. Bush Bolton in der Sommerpause 2005 zum UN-Botschafter ernannte, galt dies vielen als Kampfansage. Bolton war kein Diplomat, er war ein Betonkopf. Und er wollte die Institution, bei der er akkredidiert war, am liebsten abschaffen und das Völkerrecht gleich mit. America First war sein penetrant vorgetragenes Motto und seine Ernennung machte eher den Eindruck, als wollten die USA am East River in New York gar nicht vertreten sein.
Bolton war dafür nicht nur bei den Democrats verhasst, sondern fand auch im republikanisch beherrschten Senat keine Mehrheit für sich. Deshalb der Trick mit der Sommerpausen-Ernennung. Nachdem sich spätestens im demokratisch beherrschten Senat eine Mehrheit als noch unwahrscheinlicher als bisher erwies, warf Bolton nun das Handtuch. Und hat damit seinem Präsidenten einen letzten Dienst erwiesen. Dieser kann nun das machen, was die Democrats von ihm verlangen: eine konziliante Politik, die die Interessen der USA und des Rests der Welt in Einklang hält.

Bolton war jedoch auch der letzte NeoCon in Bush´s Umgebung. Vizepräsident Dick Chenney ist spätestens seit dem Skandal um seinen Stabschef Libby nicht mehr in der Lage, zu agieren und der Rest der Princes of the Darkness ist bereits seit einiger Zeit Zug um Zug abgetreten. Der einstige Vordenker Fukuyama hat sogar den NeoCons abgeschworen. Der Siegeszug der Realisten in Bush´s Umgebung, allen voran Außenministerin Rice, ist damit unumkehrbar. Die Welt freut sich auf ein neues Amerika.

The Princes of the Darkness

Francis Fukuyama, einstiger Lieblingsideologe der Republikaner: Inzwischen hat er mit den Neokonservativen gebrochen

William Bennett: Er war unter Bush Chef der US-Drogenaufsicht und schrieb mehrere Bücher über seine Vorstellungen von den USA - unter anderem 2003 "Warum wir kämpfen - moralische Klarheit über den Krieg gegen den Terror"

Robert Kagan: Der neokonservative Essayist ist Senior Associate am liberalen Think-Tank "Carnegie Endowment for International Peace" und hat das "Project for the New American Century" mitgegründet

John Bolton, heute US-Botschafter bei den Vereiten Nationen: Er setzte einst mit den anderen prominenten Neokonservativen seine Unterschrift unter das Manifest der Bewegung

Paul Wolfowitz, früherer US-Vizeverteidigungsminister und derzeitiger Weltbankpräsident: Co-Architekt des Irak-Kriegs im Pentagon

Richard Perle: Der ehemalige Pentagon-Berater war entschieden für einen Krieg gegen Saddam Hussein eingetreten

Richard Armitage: Der Mit-Unterzeichner des Neocon-Manifests war jahrelang US-Vizeaußenminister

William Kristol: Der Vordenker der US-Neokonservativen war Mitgründer des "Project for the New American Century", das die Außenpolitik der Regierung Bush mit anschob

Wednesday, November 29, 2006

Deutsche Milieus und die Parteien


Die Welt fragte sich nach dem Ende des Parteitages der CDU in Dresden, warum diese Partei in einer Krise stecke und gab auch gleich selbst die Antwort:

Sie hat ihr altes Milieu verloren - und ein neues noch nicht gefunden.

Nun gilt es die Frage zu stellen, ob es diese Milieus in der bisherigen Form noch gibt. Die Welt war mal einfach: die CDU hatte ihre Anhängerschaft vorwiegend in der katholischen Landbevölkerung, die SPD in den Arbeiterrevieren und die FDP in den noblen Villenvororten. Dieses vereinfachende Schema ist ein Erklärungsmuster dafür, das Nordrhein-Westfalen mit seinem Industriegürtel fest in der Hand der SPD und das ländlich geprägte katholische Bayern im Griff der CSU ist. Das vereinfachende Erklärungsmuster stammt jedoch auch aus einer Zeit, als die Welt noch leicht erklärbar war: Deutschland war keine Migrantengesellschaft, Deutschland war nicht Teil einer globalisierten Weltgesellschaft, Deutschland war kein Mobilitätsland. Damals machte der Sohn (regelmässig) noch das, womit der Vater bereits seine Brötchen verdient hatte und das Parteibuch zumindest virtuell bereits in die Wiege gelegt wurde.

Nun kann darüber gestritten werden, ob diese Zeit gut oder schlecht war. Es kann auch darüber gestritten werden, ob diese Zeit nicht besser zurückholbar sein sollte. Es kann jedoch nicht mehr darüber gestritten werden, dass diese Zeit vorbei ist. Einher gehen jedoch auch damit die Auflösung von Milieus, auf die die Parteien durchaus bereits reagiert haben.
Zunächst fällt auf, dass die Welt bunter geworden ist. War früher ein Afrikaner oder ein Asiate eine Rarität in deutschen Landen sind sie heute fester Bestandteil der (Stadt-) Gesellschaft und in nahezu allen Berufszweigen anzutreffen. Bereits die Frage "Woher kommst Du?" ist ansich nicht mehr statthaft, weil viele einfach sagen müsste: aus München, aus Hamburg, aus Berlin oder aus Wolfratshausen. Sie sind hier geboren, aufgewachsen, sozialisiert. Sie sind "Deutsche", womit immer dieser Begriff auch immer gefüllt werden soll.
Damit, und an dieser Stelle ist Der Welt recht zu geben, haben sich auch die Milieus aufgelöst. Dies hat aber auch eine gravierende weitere Ursache des gesellschaftlichen und ökonomischen Wandels. Weder ist Bayern noch agrarisch geprägt noch das Ruhrgebiet ein industrieller Gürtel, in dem vor allem "Blaukragen" anzutreffen sind. Gerade das Ruhrgebiet hat einen tiefgreifenden Wandel durchgeführt, bei dem die Kohlezechen und Stahlkochereien noch nicht ganz verschwunden sind, aber ihre überragende Bedeutung verloren haben. Das Ruhrgebiet hat sich zu einem High Tech- und Dienstleistungsstandort entwickelt. Und obwohl Bayern wohl immer noch eines der traditionellsten deutschen Bundesländer ist, hat sich unter der Decke des Wahlerfolgs der CSU sind jedoch gewaltige Verschiebungen der Wählerstrukturen zu beobachten. Die CSU hat zuletzt mit der Anpassung ihrer Familienpolitik darauf reagiert und sich den eher großstädtisch geprägten Milieus geöffnet. Dabei ist jedoch maßgeblich, dass eben nicht mehr der Sohn in den Beruf des Vaters folgt, sondern seinen eigenen Weg geht. Damit verbunden ist eine eigene Identität, die sich auch im Wählerverhalten ausdrückt.

Die Auflösung dieser klassischen Milieus war zunächst in den ostdeutschen Bundesländern beobachtbar. Mit dem Ende der DDR und der Etablierung des vereinigten Deutschland haben sich die alten Milieus, die noch von der Stellen der SED geprägt waren und in der die Mitgliedschaft in einer Blockpartei und vor allem den Kirchen bereits eine Oppositionshaltung nahelegte, hatten sich aufgelöst und neue konnten sich durch den historisch einmaligen ökonomischen Umbruch nicht wirklich entwickeln. Die ostdeutsche Gesellschaft war in Bewegung geraten und ist eigentlich bis heute nicht zur Ruhe gekommen. Mit Ausnahme von Sachsen waren daher Regierungswechsel oder - wie in Thüringen und Brandenburg - Wechsel in den Regierungskonstellationen an der Tagesordnung. Der Wahlkampf in battle grounds - wie er in den USA als fight on the battle states noch heute bekannt ist - war nicht zielführend, da die gesamte Wählerschaft ein battle field ist.
Die westdeutschen Bundesländer haben diese Entwicklung nachvollzogen: der Sieg Ole von Beust´s in Hamburg, der Übernahme der Macht durch Union und FDP in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen und der Machtverlust der SPD im Saarland sind eine Folge dessen. Der Wähler wird experimentierfreudiger und löst sich von seinen bisherigen Parteien. Die Parteien haben darauf bereits reagiert, in dem sie ihre Wahlprogramme von ideologischem Balast befreit haben und aufeinander zugegangen sind.

Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass die Union ein neues Milieu finden wird. Vielmehr wird sie von Wahl zu Wahl ein attraktives Programm anbieten müssen.


Milieuforschung an der Universität Rostock

Tuesday, November 28, 2006

In Südafrika ist eine Ära zu Ende gegangen


Manchmal meinte man, die Parteienlandschaft ist wie aus Stein gemeiselt in Südafrika und personelle Veränderung wie der Wechsel von Nelson Mandela zu Thabo Mbeki sind nur dem verfassungsrechtlichen Gebot der Amtszeitbegrenzung geschuldet. Und dann kommt sie doch, doch Meldung die Veränderung bedeutet:
Der südafrikanische Oppositionsführer Tony Léon hat überraschend seinen Rückzug aus der Politik angekündigt und damit Spekulationen Auftrieb gegeben, seine Partei "Democratic Alliance" (DA) suche nach einem neuen, "schwarzen" Profil. Er stehe für die Wiederwahl des Parteivorsitzenden im kommenden Jahr nicht mehr zur Verfügung, sagte Léon am Sonntag in Johannesburg.
(Frankfurter Allgemeine Zeitung 28. November 2006)
Tony Léon war es, der die einzigste weiße Oppositionspartei Democratic Party, die in der Apartheid die Apartheid kritisierte und sie abschaffen wollte, in die neue Zeit Südafrikas überführte. Während im Nachbarland Namibia die Democratic Turnhallen Alliance, nicht ganz so auf Anti-Apartheid-Kurs wie die DP, sich immer stärker in ihre Bestandteile auflöste, gelang es der DP sich zur wichtigsten Oppositionspartei auch im neuen Südafrika zu etablieren. 15 Prozent klingen dabei auf Anhieb nicht viel, die Übermacht des ANC mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament von Cape Town jedoch zeigt, welch wichtige Funktion die DA in Südafrika besitzt.
Als die Democratic Party 2000 mit der New National Party (DP), der Partei von Johannes Vorster und Marais Viljoen, von Pieter Botha und Frederik de Klerk, zur Democratic Alliance fusionierte, blieb dies nicht ohne Reibungsverluste. Nicht nur die Apartheid-Geschichte trennte die eigentlich ungleichen Partner. Während die ehemalige Apartheidparte NNP immer noch die Partei der Ewiggestrigen war, hatte sich die DP neue Wählerschichten unter den Schwarzen und Mischlingen erschlossen und war die Partei der aufstrebenden Mittelschicht in Südafrika. Und sie trennte auch ein fundamentales Gesellschaftsverständnis, wie sich an der in der südafrikanischen Verfassung festgeschriebenen Gleichstellungspolitik exemplarisch beweisen lassen würde. Tony Léon hat diese Fusion gegen die Widerstände in seiner eigenen Partei durchgesetzt, um der Übermacht des ANC zunächst unter Nelson Mandela und jetzt unter Thabo Mbeki eine wirksame und handlu
ngsfähige Opposition entgegensetzen zu können. Für ihn war Regierung und Opposition gleichermaßen elementar für ein politisches System. Von der NNP wurde er bitter enttäuscht, die die Fusion quasi wieder rückgängig macht und - nicht ohne Ironie in der Geschichte - sich dem ANC zuwandte.

Und nun geht also auch Tony Léon. Er geht nicht als Geschlagener, sondern aufrechten Hauptes, dessen Rückzug einer strategischen Aussage gleichkommt. Immer noch zählt in Südafrika die Hautfarbe viel und so haben "weiße Parteien" wie die DA nur schwer eine Chance gegen "schwarze Parteien" wie den ANC, dem zudem noch die Aura der Befreiungsbewegung umhaftet. Dabei sind die Folgen der unumschränkten Macht des ANC, eine Folge der Zweidrittelmehrheit, nicht zu übersehen. Helen Zille, die im März gewählte Bürgermeisterin von Cape Town, hat alle Hände voll zu tun, um die Folgen von Korruption und Vetternwirtschaft zu beseitigen, die sich unangreifbar fühlende ANC-Politiker hinterlassen haben. Auch in Südafrika ist das Spiel des Machtwechsel eine wichtige Kontrollinstanz, die derzeit zu verloren gehen droht. Die Öffnung der DA ist daher notwendiger den je und die Focusierung auf die Probleme de
r meist immer noch weißen Oberschicht aufzulösen.
South Africa's main opposition party must transform its reputation as the voice of the white minority before it can ever hope to challenge the African National Congress's (ANC) stranglehold on power, analysts said on Monday.
(Mail & Guardian, 27. November 2006)
Die Probleme überwältigen dabei Südafrika fast: Armut unter der mehrheitlich schwarzen Bevölkerung, die immer noch an den Rändern der Großstädte Johannesburg, Pretoria und Cape Town in riesigen Slums lebt. Die Ausbreitung von HIV in einem Land, in dem ein Unternehmen zwischenzeitlich drei Menschen ausbildet um am Ende einen Mitarbeiter zu haben. Korruption und Vetternwirtschaft, Umweltprobleme. Und eine hohe Erwartungshaltung der afrikanischen und internationalen Politik, die das Land nur schwer erfüllen kann. Thabo Mbeki hat mit NEPAD seiner Reputation international Rechnung getragen und ist auch persönlich integer. Sein ANC hat jedoch bereits seit längerem mit den Folgen einer überragenden Machtstellung, die weltweit - in Deutschland in Bayern und in Japan mit den Liberal´s - zu beobachten ist, zu kämpfen.
Egal wer somit Léon´s Nachfolger wird, wird ein schweres Erbe antreten. Die Bürgermeisterin von Cape Town, Helen Zille, wird wohl eher nicht für diese Position zur Verfügung stehen, hat sie doch in ihrer Stadt bereits alle Hände voll zu tun. Und wenn ein "Schwarzer" den Vorsitz übernimmt, ist Südafrika ein Stück weiter in der Normalität angekommen. Man kann jedoch nur hoffen, das Tony Léon seiner Partei als Ideengeber erhalten bleibt.

Wednesday, November 22, 2006

Angela´s erstes Jahr


Ein Jahr ist es nun her, dass Angela Merkel zur Kanzlerin gewählt wurdeund ihr Amt würdevoll angetreten hat. Vorbei war es, dass (Alt-) Kanzler Schröder von einer Verlängerung seine Spielzeit geträumt hat und vorbei war auch der eher peinliche Auftritt in der "Berliner Runde" am Abend des 18. September 2006. Mit dem Amtsantritt Merkels kam es zu zwei Noven in der bundesrepublikanischen Geschichte, da erstmals eine Frau und erstmals auch eine Vertreterin des ostdeutschen Landesteils an der Spitze der Republik stand.
Merkel war damit einen langen Weg gegangen. Angefangen von Helmut Kohls Mädchen über die Position der Generalsekretärin der CDU, die den eine der schwersten Krisen der Partei hervorragend managte und vorbei an allen Seilschaften der Union den Parteivorsitz errang kämpfte sie sich mit Beharrlichkeit und Einsatz an die Spitze der deutschen Politik.


An was war in dem einem Jahr: außenpolitisch wurden die Beziehungen zu den USA wieder ins Lot gebracht und zu Russland ins rechte Licht gerückt. Scherben beseitigen hies hier die Devise. Und in Europa war der Weg zu stellen für die Finanzordnung, für die Erweiterung und es kam auch gleich ein hanebüschner Streit mit dem polnischen Nachbarn auf sie zu. Gut gemacht kann man nur sagen.
Merkel ist eine der Kanzlerinnen, die sich am schnellsten im internationalen Geschäft zurecht fand. Unmittelbar nach Beginn ihrer Amtszeit war sie es, die den kordischen Knoten der EU-Finanzierung sprengte und quasi die Herrenriege damit zeigte, was eine Harke ist. Und sie war es auch, die Bush jun. bestimmt sagte, dass eine Partnerschaft mit den USA gewünscht ist, aber eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Hier setzte sie sich von ihrem Vorgänger ab, der auf Krawall aus war und dessen Politik nur eine Linie kannte: den nächsten Wahlsieg.


Und innenpolitisch? Hier ist die Leistungsbilanz eher durchwachsen. Zwar wurde die Föderalismusreform verabschiedet. Eine wirkliche Staatsreform und gar eine Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen den Staatsebenen war damit nicht verbunden. Die Gesundheitsreform ist eher zerstritten, die Steuerreform von 1999 mit einer der größten Steuererhöhungen faktisch wieder rückgängig gemacht und die Alterssicherung wartet immer noch auf ihre Konsolidierung.
Sicher ist sie hier stärker auf ihren Koalitionspartner, auf die Ministerpräsidenten, auf ihre eigene Partei angewiesen. Merkel ließ es bisher jedoch vermissen, eine politische Stossrichtung zu geben, die strategische Linie zu formulieren und ihre Richtlinienkompetenz wahrzunehmen. Auch wenn es keine leichte Aufgabe ist, dafür ist sie gewählt und derzeit steht sie unangefochten an der Spitze der Republik. Diese Chance muss sie noch nutzen.


Pressedokumentation
Der Tagesspiegel: Nach dem Sündenfall . In den ersten zwölf Monaten als Kanzlerin hat Angela Merkel ihre Macht unangreifbar gemacht

Monday, November 20, 2006

Finanzamt berät nur noch gegen Aufwandsentschädigung

Manche hätten es nicht vermutet, aber Vater Staat kommt doch auf immer neue Ideen, wie er seinen Schäfchen Bürgern das Geld aus der Tasche ziehen kann. Bislang durfte man davon ausgehen, dass die Beratung in komplizierten Rechtsfragen eine der vornehmsten Behördenpflichten ist. Wie Gott Vater nimmt er sich treusorgend seiner Bürger an, berät sie und zeigt ihnen somit den Dschungel durch die Gesetzeswelt.

Vorbei der Traum, die Realität hat uns eingeholt. Der Staat ist arm dran derzeit und so reichen die Einnahmen aus den vielfältigen Steuererhöhungsorgien des vergangenen Jahres noch nicht wirklich, um den Finanzhunger abzudecken. Nun kassieren auch die Finanzämter für die Ausübung eben jener Königsdisziplin. Wer also zukünftig beim Finanzamt anklopft, der darf schonmal den Geldbeutel bereit halten, den den Eintritt gibt nur noch gegen Eintrittsgeld. Fast! Aber für die Beratungsleistung gibt es nicht nur den Steuerbescheid, sondern auch den Gebührenbescheid. Und die Begründung ist recht einfach: die Gesetze werden immer komplizierter, der Beratungsaufwand immer größer.
Eigentlich wäre doch die Sache recht einfach: der Staat macht einfachere Gesetze und der Beratungsaufwand wäre klein. Man erinnere sich im Steuerbereich noch an den Vorschlag den Friedrich Merz, die Steuererklärung auf dem Bierdeckel zu erledigen: einfach, übersichtlich, passgenau und schnell. Da bräuchte man nicht einmal sonderlich viele Finanzbeamte. Aber man wollte nicht, die Klientel wollte bedient sein.

Mir würden jetzt noch zahlreiche andere Gebühren einfallen.
Da wäre die Hartz IV-Bewilligungsgebühr: wer einen Antrag auf Hartz IV stellt, muss erstmal löhnen und für die Bearbeitung werden weitere Gebühren fällig. Natürlich muss der Delinquent nicht alles sofort bezahlen, sondern kann die Gebühr abstottern - mit Zins. Denn er nimmt ja schließlich eine Leistung in Anspruch.
Oder nehmen wir die Gebühr für die Benutzung des Gehweges, quasi das Gegenstück zur Autobahnmaut. Man geht aus dem Haus - und zahlt. Man muss ja nicht aus dem Haus gehen, und schon bitte gleich gar nicht zum Finanzamt.
In München gibt es sie schon: die Luftsteuer. Wer dort ein Schild in den "öffentlichen Luftraum" hängt, genau, der zahlt.

Ach, es gäbe doch noch zahlreiche Einfälle. Vielleicht sollte man einen Wettbewerb für die interessantesten Gebührenideen veranstalten. Und wer einen Vorschlag macht, der zahlt. Schließlich beansprucht man ja die staatlichen Prüfhirne, ob der Vorschlag kurios genug ist.

Thursday, November 09, 2006

Nicaragua: Ortega is back


Die Reihe der Wahlen in Lateinamerika setzte an diesem Wochenende Nigaragua fort. Was in einigen osteuropäischen und zentralasiatischen Staaten bereits deutlich eher eingetreten ist, wurde nicht auch hier zu Realität: die sozialistischen Machthaber kehren an die Schalthebel der Macht zurück Daniel Ortega, der zunächst den nicaraguanischen Diktator Samoza vertrieben und dann sich einen zwölfjährigen Kampf mit den Contras geliefert hat, wurde zum neuen Präsidenten gewählt.

Ortega hat damit nicht unbedingt Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen, sondern vor allem vom verlorenen Vertrauen der bürgerlichen Regierungsparteien profitiert. Diese haben es nicht vermocht, das bereits schon immer von Armut und Unterentwicklung geprägte Land wirtschaftliche aufzubauen. Zwar waren hier auch zahlreiche Naturkatastrophen mit verantwortlich. Die Korruptionsanfälligkeit und der Niedergang der staatlichen Systeme haben jedoch jegliches Vertrauen in den Staat darniederliegen lassen.
Darauf konnte Ortega letztlich aufbauen. Allerdings wird er nicht "durchregieren" können. Die Wähler haben wohl bewusst eine absolute Mehrheit der Sandinisten im Parlament verhindert, um so auch die Kompromissfähigkeit der Politik zu erleichern. Sie wollen keine "linke" Politik, sondern eine Politik für das Land: Armutsbekämpfung, Bildungspolitik und die Schaffung von Entwicklungschancen.

Eigentlich wäre dies auch ein Fall für unsere Weltexpertin. Aber diesmal war die Fraktion besser beraten und es äußerte sich hier außenpolitischer Sprecher Werner Hoyer.
Nach dem Wahlsieg von Daniel Ortega, der trotz einer deutlichen Mehrheit von mehr als 50% für die leider getrennt angetretenen beiden liberalen Kandidaten in Nicaragua zum Präsidenten gewählt wurde, gilt es nun eine Spaltung des nicaraguanischen Volkes zu vermeiden und die erfolgreiche demokratische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes nicht zu verspielen.
Es ist jetzt an der Zeit, dass Ortega den Worten von der im Wahlkampf so oft beschworenen Versöhnung Taten folgen lässt. Sollte Ortega sein Angebot, eine neue politische Kultur ohne Streit und Feindschaft, ernst gemeint haben, so werden sich dem auch die nicaraguanischen Liberalen gewiss nicht verschließen.
Ortega muss begreifen, dass Voraussetzung für eine weiterhin positive demokratische und wirtschaftliche Entwicklung Nicaraguas eine ausgewogene und freundschaftliche Zusammenarbeit mit Europa und den USA ist. Andernfalls droht Nicaragua zu einem weiteren Satelliten im venezolanischen Orbit zu werden.
Es ist darüber hinaus eine völlige Fehlperzeption mancher europäischer Medien, den liberalen Kandidaten Eduardo Montealegre der Alianza Liberal Nicaragüense als Konservativen oder gar Rechten zu kategorisieren. Ein Bürgerrechtsliberaler, der etwas von Wirtschaft versteht, verdient es nicht, in die rechte Ecke gedrückt zu werden.
Dabei fehlt es nicht an Ironie: Ortega ist der einzigste wirklich Linke in Lateinamerika.


Wahlbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung

Tuesday, November 07, 2006

"Eine große Übereinstimmung in der Werthaltung"

Kurt Beck hat vor zwei Wochen intensiv geworben und letzte Woche hat Guido Westerwelle noch Eheversprechen verneint. Aber das dies nur das Vorspiel war, darauf konnte man sich verlassen. Über den Preis wird schon verhandelt, und das vor alle Öffentlichkeit.

Als Geheimtreffen getarnt trafen sich in Berlin in einem der beliebtesten Politiker- und Journalistenlokale Abgesandte der SPD und FDP. Die Vorsitzenden blieben noch daheim und ließen sich über die Balzerei berichten, das wäre wohl dann doch zu auffällig für ein Geheimtreffen gewesen.

Aber schauen wir uns mal die Teilnehmer genauer an:
für die FDP gehörten unter anderem der Verhandlungsdelegation Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Kauch und Daniel Bahr. SLS ist nahezu Geschichte und hat sich faktisch schon aus der Politik verabschiedet. Michael Kauch wird eine gewisse Nähe zu Parteiboss Westerwelle nachgesagt. Interessant ist jedoch die Teilnahme von Daniel Bahr, offiziell nur der gesundheitspolitische Sprecher, aber tatsächlich der derzeit heimliche Star der Fraktion mit guten Kontakten nach NRW, zum liberalen Jugendverband und auch sonst recht gut vernetzt. Es ist also durchaus ernst mit einer Neuauflage der sozial-liberalen Koalition.
Was den gewöhnlich Politikinteressierten dabei jedoch verwundert und den Kenner die Augen reiben läßt ist, dass offenbar Westerwelle ein Jahr nach Bildung der Großen Koalition mit seinen Lieblingssparingspartnern gleich hinter den Grünen keine alt zu großen Probleme hat. Dabei hat sich das Programm der SPD bislang nicht in einem Punkt gewandelt und so stellen sich für die Besinnung des FDP-Häuptlings zwei alternative Gründe: er konnte Gerhard Schröder schlicht nicht leiden wollte sich deshalb auch nicht mit ihm regelmäßig Nachts zu Koalitionsgesprächen treffen oder er hat es satt, immer nur den bösen Oppositions"führer" zu spielen und wollte endlich einen anständigen Dienstwagen, Leibwache und eine großen Personalapparat. Zu seinen Gunsten sollte man an dieser Stelle erste Alternative berücksichtigen und gespannt auf die Memoiren des Guido W. warten.

Aber auch ein Blick auf die SPD-Delegation ist zwingend von Nöten: die stellvertretende Parteivorsitzende Elke Ferner, die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Ulrich Kelber und Angelica Schwall-Düren sowie der frühere Wissenschaftsminister von Niedersachsen Thomas Oppermann. Ein eindrucksvolles Bild, da es gleichzeitig das neue Machtzentrum der SPD - Kurt Beck, Peter Struck und Siegmar Gabriel - wiederspiegelt.

Was sich letztlich herausstellte: in SPD und FDP werden immer noch Annimositäten von 1982 mitgetragen. Die neue Parteigeneration, für die damaligen Zänkereien recht unverdächtig, möchte diesen Zwist nun beseitigen und stellt dann gleich "eine große Übereinstimmung in der Werthaltung" fest. Zwar gibt es noch einige Differenzen zu klären - Stichwort: Bürgergeld und Mindestlohn. Aber, so der Sozi Kelber: "Man muss auch mal eine Pur-Version des anderen ertragen." Und eine Gemeinsamkeit hat man schon gefunden: "Wenn man gemeinsam über Kollegen lästert, hebt sich die Stimmung."
Man merkt, da ist Leben in den Berliner Politikstuben und dass die Union gegen das "Geheimtreffen" wettert, hat vor ein paar Wochen noch für eine Verschiebung gesorgt. Das Leidensklima in der amtierenden Koalition scheint jedoch zwischenzeitlich so hoch zu sein, dass dies auch nicht mehr stört.

Man darf also schonmal die Hochzeitsglocken putzen. Ob das Land dann besser regiert wird, wird sich zeigen. Guido kriegt jedenfalls seinen lang ersehnten Dienstwagen.

Also soll er hängen


Nun kann man streiten, ob ein Todesurteil Bush jun. auf den letzten Metern seines (letzten) Marathonlaufes hilft. Zumindest ist das Todesurteil im Interesse des Mannes, der sich als Gouverneur von Texas nicht lumpfen ließ, Todesurteile vollstrecken zu lassen.

Aber die Frage darf schon erlaubt sein, ob ein Todesurteil "Justice for Saddam" bedeutet, wie das Wall Street Journal annimmt. In einer Gesellschaft, die für Märtyrer lebt und auch tötet, bedeutet Ruhe etwas anderes und für Saddam wird auch der Weg zum Schaffot ein Triumphzug.
Und noch etwas anderes spielt eine Rolle: die Todesstrafe ist international geächtet. Eine neue Demokratie, die gleich ihre erste zentrale Bewährungsprobe mit dem Märtyrertod besteht, ist denkbar schlecht beraten. Besser wäre es gewesen, wenn man gezeigt hätte, dass das Prinzip "Aug um Aug, Zahn um Zahn" auch ein Ende haben kann. Saddam hat es oft genug angewandt und in der arabsichen Welt ist es immer noch weit verbreitet. Hinter Schloss und Riegel wäre er zwar ein teurer Gefangener gewesen, aber ein wertvollerer als ein Gehängter.

Photo Finish

Ruhe vor dem Sturm: Die Spiegelung des US-Kapitolgebäudes im Wasser suggeriert kurz vor dem Wahlkampf noch Idylle

Bekennender Aufkleber auf der Stirn: Don Simmons macht allen deutlich, wem er seine Stimme geben wird: John Tester. Der Präsident des Senats im US-Bundesstaat Montana liefert sich ein Kopf-An-Kopf-Rennen mit dem amtierenden US-Senator Conrad

Briefwahl: Wahlspezialist Anestis Konstantinidis kämpft sich durch Unmengen von Wahlzetteln in Miami Dade County

Shakehands aus dem Kampagnenbus: Ned Lamont will in Connecticut Senator werden

Hausbesuch: US-Senator Lincoln Chafee pflegt persönlichen Kontakt zu seinen Anhängern. Chafee stellt sich zur Wiederwahl in Rhode Island gegen den Demokraten Sheldon Whitehouse

Wahlkampffinale: George W. Bush präsentiert sich seinen Anhängern im Arkansas Regional Airport in Bentonville

Bush-Fans: In Topeka, Kansas, bejubeln Anhänger des Präsidenten seine Rede

Sechsjährige mit Amerika-Hut und Plakat: Ein junger Fan wartet in Memphis, Tennessee, auf den Auftritt von Republikaner-Kandidat Bob Corker

Demonstration: Anti-Kriegs-Aktivistin Cindy Sheehan macht sich stark

Teenager mit Cowboyhut und Unterstützungsplakat: George W. Bush ist "sein Held"

Jubelnde Menschenmenge: Anhänger Bushs schwenken Fahnen während einer Wahlkampagne der Republikaner

Klare Ansage in Comic-Manier: US-Präsident George W. Bush, Vizepräsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld als Zielscheiben des Spottes

Sunday, November 05, 2006

Sind die Neocons am Ende?

The Family of President Bush jun.

Im Vorfeld der U.S. mid term elections am 7. November läuft derzeit eine intensive Debatte, ob die Neocons am Ende sind oder nicht. Dabei kann es eigentlich nur um die Frage gehen, ob die Vertreter der Neocons in der praktischen Politik am Ende, nicht deren theoretische Grundlage. Diese kann naturgegeben nicht am Ende sein: eine Theorie bleibt eine Theorie, die zur Beurteilung praktischer Politik dient; sie ist nicht selbst Gegenstand Politik.

Georg Bush jun. hat sich mit dem 11. September 2001 den Ideen der Neocons zugewandt. Noch im Januar 2001 kritisierten ihn namhafte Vertreter der Neocons dafür, dass er eben stärker auf seine dem (Neo-) Realismus verhaftete Sicherheitsberaterin Rice und dem ebenso denkenden Außenminister Powell zugewandt war. Zwar hatten mit James Wolfowitz, Richard Perle und Richard Armitage die herausragensten Vertreter hohe Regierungsposition in der Bush-Administration übernommen, wurden jedoch noch von Powell und insbesondere Rice überlagert. Dies änderte sich schlagartig mit dem 11. September: zunächst nur unterschwellig und 2002/2003 auch nach für jeden sichtbar ging Bush auf eine Interventionspolitik über, die Vorgab, amerikanische Werte zu transportieren.


Welche Werte waren dies?

Die Durchsetzung von Demokratie, Menschenrechten, Freiheit. Die im Project for a new american Century zusammengeschlossenen Akademiker machen bereits in diesem Namen jedoch deutlich, dass sie diese durchaus ehrenwerten Motive im Sinne der Werte in den USA verstehen und hier liegt die eigentliche Crux. Damit ging es nicht ausschließlich um die Durchsetzung von Macht, die von Washington gesteuert wird und nicht nur um Interessen der U.S.-Wirtschaft. Es ging vielmehr um Ideale, die seit der Staatsgründung der USA fest in der dortigen Gedankenwelt eingegraben sind.
Zwar sind die Werte, die durch die Neocons vertreten werden, universell. Kofi Anan sagte nicht umsonst, dass Demokratie und Menschenrechte keine Erfindung der westlichen Welt sind. Aber sie werden in den Kulturen dieser Welt unterschiedlich verstanden und haben auch unterschiedliche Voraussetzungen. In einem Vielvölkerstaat wie Nigeria wurde die Freiheit der Parteienbildung aus wohlverstandenem Staatsinteresse unter anderem dadurch erschwert, dass keine ethnischen Parteien gegründet werden dürfen. Und ebenso wie Europa und die USA Jahrzehnte bis Jahrhunderte gebraucht haben, um diese Werte zu entwickeln und umzusetzen, müssen auch anderen Gesellschaften diese Möglichkeiten gegeben werden.
Verschärft wird diese Fehlleitung einer an sich guten Idee durch den Willen, diese Ziele auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Francis Fukuyama, einer der früheren Chefdenker der Neocons, hat dies in seiner "Bibel" The End of history letzlich auf den Punkt gebracht, in dem er zur Durchsetzung der Ideale der Neocons den präventiven Krieg, unilaterale Militäraktionen und einen (wohlwollenden) amerikanischen Hegemon befürwortete. Obwohl die Europäer dies nie wahrhaben wollten, haben sie die erste Forderung in der neuen Nato-Doktrin von 1999 festgeschrieben. Die Kritik an den USA, die aus den Reihen der SPD und Grünen in Deutschland an dieser Politik kommt, ist daher unlauter - sie selbst haben sie als Regierungspolitik implementiert. Und, das Kosovo wie der Irak haben dies gezeigt, sie ist auch berechtigt ... wenn man eine Bedrohung glaubhaft untermauern kann.
Die zweite und dritte Forderung ist dagegen umstritten und hängen eng miteinander zusammen. Die Neocons fallen hier in eine Welt zurück, die bereits während des Kalten Krieges nicht mehr existierte und eher das Konzert der europäischen Mächte um Macht und Einflusssphären widerspiegelt, welchen von den USA seit ihrer Gründung gründlich verachtet wurde. Dabei machen sie die values, die diese Hegemonie tragen soll, im Namen ihres gemeinsamen Think Tanks deutlich: Project for a new american Century. Damit verbunden ist ein fundamentaler Wandel von dem, woran Amerika geglaubt hat, nämlich die Gleichberechtigung der Kulturen und die Entwicklungsberechtigung. Gelten sollen damit lediglich american values, die auf deren Traditionen und Entwicklungen beruhen. Fatal ist daran zusätzlich, dass die Neocons ein enges Bündnis mit der konservativ-religiösen Rechten eingegangen ist, so für der Gedanke an die christlichen Kreuzzüge mit neuen Mitteln nicht von der Hand zu weisen ist.

Die Neocons vergessen jedoch: Rom ist untergegangen und es gibt keine Berechtigung mehr, die römische Herrschaftstradition neu aufleben zu lassen. Eine zielgerichtete Bündnispolitik, wie sie in der Nato oder der Asean besteht, sind trotz der Dominanz der USA neue Formen der Zusammenarbeit, sie beruhen jedoch auf der Gleichheit der Partner. Rom ist für keinen mehr akzeptabel und trotz der militärischen Omnipräsenz sind die USA im Gegensatz zu Rom weder politisch noch ökonomisch in der Lage, ihren Willen anderen aufzuzwingen. Ausnahmen bestimmen hier die Regel.


Und was verfolgte Bush eigentlich mit seiner Neuorientierung?

Bush jun. ist bis heute ein außenpolitischer Novize, der wie selten ein Staats- und Regierungschef auf Beratung angewiesen ist. 9-11 war für die USA eine Ausnahmesituation und für ihren Präsidenten noch mehr. Er brauchte schnelle Handlungserfolge, die ihm der auf Intervention getrimmte Militärapparat bot und die von den Neocons eingefordert wurden. In Afghanistan fiel diese Verbindung lediglich nicht auf, dass sie in eine internationale Allianz eingebettet war. Es gab an der Militärintervention keine Kritik, selbst die Deutschen und Franzosen unterstützen die Intervention tatkräftig mit Militär und Geld.


Und nun das Ende der Neocons?

Als Spiegel-Autor Marc Pitzke vor wenigen Tagen sein Essay „Das Ende der Neocons“ veröffentlicht hat, meinte er damit vor allem die Neocons, die eine Theorie in Reinkultur auf die Welt übertragen wollten. Wolfowitz, Perle, Armitag, Bennett sind Geschichte. Kristol auf den akademischen Lehrstuhl verband und John Bolton verhundert am langen Arm einer Außenministerin Rice kreidefressend, die von ihrem Mann in New York unabänderlichen Gehorsam verlangt. Zwar sind sie wie Wolfowitz, der zwischenzeitlich Weltbank-Präsident wurde, teilweise noch in durchaus einflussreichen Ämtern. Gleichzeitig jedoch so eingekreist, dass ihr Aktionsspielraum gegen Null gesunken ist. In Washington D.C. ist man deshalb auch mehr als überrascht, dass der Weltbankpräsident seine alten Forderungen nach einer Unterordnung aller hilfsbedürftigen Staaten nicht mehr zur Geltung bringt und ebenso wie Bolton in New York ruhig geworden ist. Condollezza Rice hat sich das Ohr des Präsidenten zurückerobert und erklärt nun wieder die Welt aus ihrer Sicht.

Gescheitert ist mit dem Ausscheiden der Neocons aus den Sesseln der Macht weniger ihre Theorie als vielmehr ihre praktische Politik. Man könnte an dieser Stelle darüber streiten, ob Akademiker wirklich die richtigen Politiker sind und mit Albright und Rice zeigt sich auch, dass dieses Experiment nicht schiefgehen muss. Beide Außenministerinnen haben jedoch auch eine Sicht der Welt die davon ausgeht, dass die USA zwar stark, über nicht übermässig stark sind. Und sie können akzeptieren, dass gerade die Ideale der Gründungsgeschichte der USA dazu beigetragen haben, dass der Einfluss ausländischer Staaten in den inneren Angelegenheiten eines Landes begrenzt ist. Zwar hat das Völkerrecht sich seit 1990 grundlegend geändert und die Achtung von Demokratie, Menschen- und Bürgerrechten nicht mehr zum geschützten Bereich staatlicher Souveränität gemacht. Aber die Staaten sitzen nicht übereinander zu Gericht.
Die Neocons sind jedoch auch noch an etwas anderem gescheitert: sie haben zwar die Unterstützung der konservativen Rechten gesucht. Dies war jedoch nur ein Zweckbündnis, welches im Senate nie wirklich Fuß fassen hat können. Bush jun. konnte die Neocons damit aus seiner außenpolitischen Agenda streichen, ohne einen Aufruhr fürchten zu müssen. Eher noch Zustimmung, da die Neocons ähnlich suspekt waren wie Lafontains Heiner Flaßbarth als Finanzstaatssekretär in Bonn.


Midterm Elections - Spannend bis zum Schluss


Spitz auf Knopf könnte es werden. Verlieren die Republicans die Mehrheit im House und vielleicht auch im Senate? Optisches ist es die Prognosekarte Rot und damit ein Sieg für die Republicans. Die tatsächlichen Zahlen sagen jedoch einen Vorsprung von 215 : 203 für die Democrats voraus, rechnet man die noch unentschlossenen heraus. Den die Democrats haben ihre Hochburgen an den bevölkerungsreichen Küstenstaaten westlich und östlich des Kontinents sowie um den Lake Michigan herum. Und selbst Arkansas und Tennessee, die Heimatstaaten von Clinton und Gore, die 1998 an die Republicans gegangen sind, scheinen wieder demokratisch zu werden.

Und im Senate? Hier steht es noch mehr - wie 1998 - danach aus, dass es zu einem Patt kommt. Beide Seiten sind nach jetzigem Stand gleichstark und die Unentschlossenen bestimmen das Resultat. Mit Hilary Clinton steht damit auch eine Präsidentschaftskandidatin zur Wiederwahl, deren New Yorker Sitz jedoch fest in ihrer Hand ist. Ihr republikanischer Gegenkandidat ist nahezu chancenlos, nachdem sie sich auch keinen Fehler erlaubt hat.

Erstaunlich ist vor allem die Governors-Wahlen in mehr als drei Vierteln der U.S.-Bundesstaaten. Das California in republikanischer Hand bleiben wird, ist vor allem das Verdienst des Amtsinhabers Schwarzenegger. Diese jedoch ist mehr Democrat als Republican. Erstmals seit vielen Jahren besteht für die Democrats jedoch die Chance, in der Governors Association wieder die Mehrheit zu erringen. Dies dabei auch in Staaten des Mittleren Westens, der bisher fest in republianischer Hand war.

Entschieden sind die Wahlen jedoch nicht. Auch 2004 hatte Bush gegenüber seinem Herausforderer Kerry eine Aufholjagd im letzten Moment zu seinen Gunsten entschieden. Ausgezählt wird am 7. November.