Thursday, December 14, 2006

Venezuela: Chavez is back


Was schon als vermisst konnte man unsere Weltexpertin Marina Schuster bezeichnen. Aber sie hat sich zurückgemeldet, denn schließlich war wieder einmal ein "Linksruck" in Lateinamerika zu kommentieren:
Die Wiederwahl von Präsident Hugo Chávez in Venezuela ist ein beunruhigendes Signal für die Region. Der Sozialist hat sich einer Verstaatlichungs- und Almosenpolitik verschrieben, rücksichtslos gegenüber Besitzverhältnissen und wirtschaftlichen Kreisläufen. Unter seiner Ägide werden die Einnahmen aus den Ölvorkommen als Geschenk an die Armen des Landes verteilt, ohne eine nachhaltige Wirtschaftspolitik voran zu treiben.
Da wundert sich doch das ehrbare Liberalenherz. Was ist so schlimm gegen die Verteilung von Almosen an die Armen. Man erinnere sich: der Liberalismus entstamm
t dem Bürgertum und zur besten bürgerlichen Tugend zählt das Mäzenatentum. Das Problem ist allerdings, dass diese liberal-bürgerliche Tradition heute keine politische Heimat mehr in Deutschland hat. Für die FDP ist der Nachtwächterstaat das Idealum, der sich ausschließlich dem - noch nicht einmal kapitalistisch zu nennenden - Fundamentalökonomismus verschrieben hat. Dadurch ist das Verständnis recht gering ausgeprägt.
Die Frage der Nachhaltigkeit ist nun jedoch sicher berechtigt. Aber auch hier ist Chavez bei aller Kriti
k an seinem Personenkult durchaus in der Lage auf Erfolge zu verweisen. Die Ausleihung cubanischer Mediziner ist ein erster Schritt auf dem Weg einer nachhaltigen Gesundheitspolitik, die die Menschen gesünder, widerstandsfähiger und auch leistungsfähiger macht. Das damit auch eine gezielte Bildungspolitik, die bereits initiiert ist, einhergehen muss, ist eine Selbstverständlichkeit. Allerdings werden diese auch hier nicht von heute auf morgen erscheinen, sondern eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen.

Investoren schreckt er mit seinem politischen Radikalkurs ab, indem er staatliche Interessen über Individualinteressen stellt. Persönliche und wirtschaftliche Entfaltung dürfen aber nicht zugunsten einer „Öl für Sozialismus"-Politik zurückstehen. Zwar ist Chávez demokratisch legitimiert, doch geriert er sich zu einem neuen Fidel mit Öl in Lateinamerika.
Das ist aber auch eine böse Sache, dass Chavez nun ausnahmsweise einmal nicht an die Interessen westlicher Unternehmer denkt, sondern eher an sein Land. Es ist dabei nun nichts einzuwenden, sich wie ein "Fidel" zu gerieren. Dann was "Fidel" - mit Ausnahme seiner martialischen Ausfälle und undemokratischen Erscheinungsweise - wirklich geleitet hat war die Verhinderung des Ausverkaufs seines Landes. Dabei sind es nicht allein die U.S.-Konzerne, sondern auch die Europäer, die immer wieder versuchen ihre Interessen als die Interessen ihrer "Partner" zu verkaufen. Nun haben diese jedoch zwischenzeitlich erkannt, dass diese nicht immer deckungsgleich sind. Chavéz versucht somit eher eine einheitliche Lateinamerika-Front aufzubauen und damit etwas nachzuvollziehen, was auch in Asien und Afrika zwischenzeitlich grasiert.
Dies mag für westliche Politiker schwieriger werden, für die Länder sind jedoch eher zukunftsträchtige Entwicklungen. Dass er dabei manchmal populistisch überzieht ist richtig. Ob die Ablehnung der amerikanischen Freihandelszone von Alaska bis Feuerland jedoch wirklich falsch war ist für eine sich zunächst noch entwickelnde Ökonomie wie Venezuele und vor allem zahlreicher seiner Nachbarländer fraglich - auch für zahlreiche Ökonomen.

Politisch gemein macht sich Populist Chávez mit Gegnern von US-Präsident George W. Bush, wie Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad und Weißrusslands Alexander Lukaschenko. Von Russland importiert er Waffen und rüstet auf. Mit dieser Abkehr von den USA und den Grundwerten einer freiheitlich liberalen Gesinnung radikalisiert sich das Land und droht Venezuela ins politische Abseits zu befördern, mit unberechenbaren Konsequenzen für die Demokratie.
Also ins Abseits befördern wollen Chavéz vor allem selbsternannte Lateinamerika-Experten. Politisch stellt sich Chavéz gegen U.S.-Präsident Bush jun., Punkt. Und gegen Bush jun. zu sein heißt noch nicht, auch Grundsätze wie Demokratie und Menschenrechte abzulehnen. Lukaschenka ist bei diesem Spiel zunächst nicht dabei, da er gleich an mehreren Fronten kämpft und nun auch Rußland sich zunehmend von ihm abwendet.
Was Ahmedinedschad anbelangt so ist dies zweischneidig. Hier haben sich die Europäer und die USA in ei
ne selbstgestellte Falle bewegt, da sie - obwohl keinerlei Beweise für ein Atomwaffenprogramm - dem Iran den Besitz und die Entwicklung der Kernenergie verweigern wollen. Oder besser gesagt: nur zu ihren Konditionen gestatten wollen. Dies entschuldigt nicht die Ausfälle Ahmedinaschads gegen Israel und die Leugnung des Holocaust, beide Punkte stehen jedoch auch in zwei getrennten Büchern, die so einfach nicht vermengt werden dürfen. Letzteres wird auch von Chavéz nicht geteilt.
Hier treffen sich dann wieder die beiden Interessenpolitiker, die im Interesse ihres Landes versuchen Freiräume zu erarbeiten und auch durchzusetzen. Die Welt wird komplizierter, nur haben das einige "Experten" scheinbar noch nicht wahrhaben wollen.

Besonders in dieser schwierigen politischen Lage muss die Bundesregierung klar Position beziehen: für Demokratie, persönliche Entfaltung und eine freie Marktwirtschaft. Eine Scheuklappenpolitik, die nur auf wirtschaftliche Interessen abzielt – Deutschland ist venezolanischer Ölimporteur– kann nicht in unserem Sinne sein.
Welch eine Kehrtwendung. Oben war noch von den Individualinteressen von Unternehmen die Rede. Dass die Bundesregierung eine gesunde Mischung der Punkte fehlen läßt, kann man eigentlich nicht erkennen. Bei allen erkennbaren außenpolitischen Schwächen. Aber es ist dann wohl eher eine Schwäche der Entertainment-Opposition und ihrer Experten, eine ausgewogene Betrachtungsweise anzustellen.

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