Thursday, November 02, 2006

Noch ziert er sich


Die Heiratsannonce von Kurt Beck in der Zeit kam für den Chef der liberalen Entertainmentopposition wohl etwas überraschend. Aber eine Woche später hat er zumindest vorerst (und wohl auch nur für die Öffentlichkeit) Annäherungsversuche noch abgelehnt. Auf eine Frage Kurt Becks geht Westerwelle aus seine Sicht ganz zum Schluss seiner Antwort ein:

Dies ist denn auch die Antwort auf die vierte Frage, die Kurt Beck nicht ausspricht, aber stellt: Ist für die FDP eine Koalition mit der SPD erstrebenswert? Die Antwort ist eindeutig: mit einer SPD, wie sie derzeit in Berlin regiert, nicht. Alles andere werden wir sehen. Panta rhei – alles fließt. Keiner kann heute vorhersagen, wohin die Programmdebatten von Union und SPD diese noch führen werden.

Was jedoch übersieht der Showchef eigentlich an dieser Stelle: das er für die seine Gala einen Partner benötigt. Und er übersieht, dass sein Programm ein Programm für Bruder Leichtfuss ist, dass zwar in seiner Formulierung Substanz besitzt, durch das Establishment jener Partei jedoch nicht in irgendeiner Art angefasst wird.Dies zeigen drei Beispiele.


Themengebiet Umwelt
Rein formal ist Westerwelles Aussage richtig

Der vergangene FDP-Parteitag in Rostock hatte die Schwerpunktthemen Umwelt- und Energiepolitik.

Der Rostocker Parteitag hat sich sehr Ausführlich mit den Fragen Umwelt und Energie beschäftigt. Innovation ist dort jedoch nicht enthalten. In Köln würde man den Bühnenzauber eine "olle Kamele" nennen. Denn was die Partei hier verkauft ist im Kern bereits seit Jahren Programmatik des liberalen Jugendverbandes. Selbst von diesem wenigen, was darin noch enthalten ist, ist seit dem Rostocker Parteitag nichts mehr zu hören. Dabei kommt es nicht nur auf die Frage an, ob dies in einer Kampagne verarbeitet wird und da ist das Thema "Gesundheit" aktuell sicher zu Recht als brennender gesehen worden.
Aber selbst in den Gremien und Organisationen, die einer Oppositionsfraktion zur Verfügung stehen: Nichts, Ebbe, gähnende Leere. Das einzigste Ergebnis ist ein Gespräch mit den Spitzenverbänden der Umweltlobby, mit denen über mehr als ein Jahrzehnt Sprachlosigkeit herrschte. Sinnvoller wäre hier sicher gewesen, dieses Gespräch vor dem Beschluss zur inhaltlichen Untermauerung zu führen.
Aus der Umweltpartei FDP ist nichts geworden.


Themengebiet Menschen- und Bürgerrechte
Auch hier hat die FDP einen eigenen thematischen Parteitag veranstaltet.

Davor haben wir uns in Köln mit den Bürgerrechten beschäftigt, ...

Aber was ist in über einem Jahr seit der Beschlussfassung wirklich damit geschehen? Ebenso wie beim Thema Umwelt: nichts. Der Fall Kurnaz / El-Masri / CIA-Flüge, der von der FDP im Verbund mit der PDS derzeit mehr aufgebaucht als untersucht wird, ist - dies wäre dann auch zu viel des Guten - mehr in den Schoss gefallen und dank eines wenig geschickten Agierens der Regierung zum Politikum geworden. Ansonsten ist seit den Bundestagswahlen in diesem Themengebiet nichts geschehen und es gibt daher auch nichts zu kommentieren.
Bedauerlicher Weise wird der wackere Max Stadler an dieser Stelle schlicht allein gelassen. Die FDP verspielt leichtfertig ihre Ressourcen, obwohl diese ziemlich knapp bemessen sind.



Themengebiet Außen- und Europapolitik
Einmal die zentrale Domäne der liberalen Außenminister Scheel, Genscher und Kinkel und das Herzstück liberaler Programmatik. Hier sind der Partei die Personen abhanden gekommen, die diesen Politikbereich glaubwürdig und fundiert vertreten können. Die "Weltexperten", die seither im Bundestag Außenpolitik der FDP vertreten, ist mehr polemisch als wirklich geprägt von langfristigem außenpolitischen Denken.


Abschließend schreibt Westerwelle zur Programmatik:

Für unseren nächsten Parteitag in Stuttgart haben wir uns die Kultur- und die Sozialpolitik vorgenommen. Unser Liberalismus ist umfassend.

Was er dabei jedoch übersieht ist, dass man Politik nicht mit Papier macht. Dieses ist geduldig und verstaubt in den Archiven der Friedrich-Naumann-Stiftung.
Beides ist derzeit jedoch nicht Sache Westerwelles und seiner Tafelrunde. Die wichtigste Figur für die strategisch-programmatische Debatte, Generalsekretär Dirk Niebel, ist farblos und hat sich aus der Verhedderung mit seinem früheren Arbeitgeber nicht lösen können. An die Monströsität eines Generalsekretärs Westerwelle, einer der genialsten Strategen seiner Partei der er einmal war, kommt er nicht heran. Und auch das restliche Präsidium, vom Vorstand ganz zu schweigen, ist farblos und blass.

Programmatik besitzt die FDP, wenn auch häufig ohne Esprit und Modernität. Sie ist, wie die Parteitagsbeschlüsse der vergangenen beiden Jahre zeigen, sogar in einer unglaublichen Breite vorhanden. Programmatik muss gelebt werden, Tag für Tag. Und dies in voller Breite und genau daran habert es jener gleichen Entertainmentopposition. Sie verengt sich auf ein eng begrenztes Politikfeld: Wirtschaft. Und sie vergisst, dass auch die anderen Politikfelder einer gedeihlichen und kontinuierlichen Pflege bedürfen.
Für eine Parlamentspartei ist das ausführende Organ hierfür zentral die Parlamentsfraktion, das Herzstück einer programmatisch agierenden Partei. Sie ist für den Transport der Programmatik in die parlamentarischen Beschlüsse, in die Gesellschaft und die öffentliche Diskussion verantwortlich. Sie agiert jedoch nicht, sie reagiert. Dies ist auch kein Wunder, da hier wie dem Bundesvorstand das strategisch und politisch denkende Personal Zug um Zug abhanden gekommen ist. Die wenigen Ausnahmen können dies nicht ausgleichen, da selbst Westerwelle nicht mehr zu jener Ausnahme gerechnet werden kann. Die Bundestagsfraktion besteht aus Apparatschiks, die seit ihrer frühestens Jugend Plakate geklebt haben und im Bundestag hierfür die Ernte jahrelanger Saat einfahren wollen. Dies ist das eigentliche Problem, was SPD und Union durch die Mitnahme von Externen auszugleichen versucht haben.

Ob Westerwelle dem Balzen Kurz Beck´s nachgibt, ist fast schon egal. Mit oder ohne Regierung ist eine Reform der FDP an Haupt und Gliedern zwingend geboten.

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