Es ist schon ein Kreuz mit unserer Weltexpertin: vor einem Monat schrieb sie noch:
Im Gegensatz zu anderen, radikaleren Regierungen, die aus dem Linkstrend hervorgegangen sind, verfolgt der brasilianische Präsident einen moderaten Politik- und Wirtschaftskurs und kann damit auch künftig ein verlässlicher Partner sein.Und nun ist Lula wiedergewählt und da heißt es plötzlich:
Die knappen Wahlen in Brasilien haben vor allem eins gezeigt: Die Wiederwahl Luis Ignacio Lula da Silva hat nicht mehr die uneingeschränkte Fürsprache der Brasilianer gefunden. Zu sehr ist Lulas Arbeiterpartei (PT) in Korruptionsaffären verstrickt, hat seine Politik das Land in reich und arm gespalten. Letztlich ist sein Herausforderer Geraldo Alckmin gestärkt aus der Stichwahl hervorgegangen, auch weil sein liberaler Wirtschaftskurs ihm vor allem die Stimmen der Mittelschicht Brasiliens eingebracht haben.Also verfolgt Lula nun plötzlich keinen "moderaten Politik- und Wirtschaftkurs" mehr?
Wenn man die Pressemitteilungen dieser (Latein-) Expertin so ließt kommt es einem langsam so vor, dass es nicht nur am Expertenwissen über Lateinamerika, sondern allgemein am Wissen doch erheblich mangelt. Innerhalb eines Monats wird die Meinung mal schnell fundamental gewandelt oder ist es doch nur die Suche nach irgendeinem Kritikpunkt, weil man sonst nix zu sagen hat.
Auffällig ist, dass die Expertin an einem grundsätzlichen Wahrnehmungsproblem leidet. Lula hat im ersten Wahlgang 48,61 Prozent erreicht und siegte im zweiten Wahlgang mit einer Mehrheit von 60,83 Prozent gegenüber seinem Rivalen, der auf 39,17 Prozent gelangte. Dies sind keine sozialistischen 99 Prozent, aber es ist ein deutliches Zeichen an einem Kandidaten, dass er die übergrosse Mehrheit der Bevölkerung vertritt. Richtig ist dabei, dass Lula bei der vorangegangegen Wahl vo vier Jahren bereits im ersten Wahlgang gewonnen hat und die Korruptionsskandale in seiner unmittelbaren Umgebung ihm diesen Triumph genommen haben.
Richtig ist aber auch, und hier scheint die Wahrnehmungsfähigkeit der Expertin aufzuhören, das Alckmin im ersten Wahlgang 41,6 Prozent der Stimmen errungen hat und damit in der Stichwahl an Zustimmung einbüßte. Eine Stärkung sieht normalerweise anders aus.
Auch stellt sich die Frage, welchen "liberalen Wirtschaftskurs" Alckmins die Expertin anspricht. Einen wirklichen Kurs kann er dabei nicht eingeschlagen haben, da dieser bisher nur im Wahlprogramm gestanden hat.
Dies sind die fehlerhaften Wahrnehmungen einer Expertin in Fragen Interpredation von Wahlergebnisse. Aber es geht noch weiter in dem Spagat zwischen Realität und der Traumwelt der Experten der Entertainmentopposition.