Sunday, January 07, 2007

High Life in Mittelasien


Man könnte derzeit sagen, dass Zentralasien recht stark in das Blickfeld der Weltöffentlichkeit gerückt ist, gleich hinter dem Dauerbrenner Naher Osten: in Turkmenistan stirbt recht überraschend der Autokrat Njiasow ohne eine Nachfolgeregelung hinterlassen zu haben, Kasachstan möchte den Vorsitz der OSZE übernehmen ohne die Menschenrechtsbestimmungen so ganz zu erfüllen, in Usbekistan läuft im Januar die Amtszeit von Präsident Karimow ab und die Neuwahlen sind erst für Dezember vorgesehen und in Kirgistan wurde erstmals in der zentralasiatischen Geschichte eine demokratische Verfassung verabschiedet, nachdem die Tulpenrevolution den Gründungspräsidenten und Autokraten Askar Akjaew hinweggefegt hatte.
Nur in Tadschikistan ist es derzeit recht ruhig, nachdem Präsident Rahmonow im vergangenen Jahr mit 79,9 Prozent der Stimmen in einer international als nicht ganz frei von Zweifeln kritisierten Wahl zum zweiten Mal wiedergewählt worden war.

Turkmenistan
(Bild: Begräbnisfeierlichkeiten nach dem Tod Njiasow´s in Aschgabad)
Der Tod des selbsternannten Turkmenbaschi war sowohl eine Erleichterung als auch der Anlaß zu neuer Sorge über das zentralasiatische Land. Der eigentliche Interimspräsident Atajew, Vorsitzender des Parlaments in Aschgabad, war wegen angeblicher Ermittlung aus dem Weg geräumt worden und statt dessen der zum Familienclans Njasows zählende Gesundheitsminister Gurbanguly Berdymuchammedow (Bild) statt dessen zunächst interemistischer Turkmenbaschi. Zwar sind zu den zwischenzeitlich auf den 11. Februar festgesetzten Präsidentschaftswahlen sechs Kandidaten zugelassen, Oppositionskandidaten fehlen jedoch auf der Kandidatenliste. Njiasow steckte sie entweder ins Gefängnis oder sie flohen ins Exil. Ihnen wurde keine Gelegenheit gegeben, an den Wahlen teilzunehmen. Berdymuchammedow genießt dagegen die Unterstützung der Sicherheitsdienste und des Chefs von Njiasow´s Leibwache. Die Wahlen selber dürfte Berdymuchammedow daher wohl gewinnen.
Ob ihn die Wahlen jedoch auch langfristig zum starken Mann machen, bleibt fraglich. Das System war auf Njiasow zugeschnitten und es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte das mit dem Tod des Diktators auch das System mittelfristig zusammenbricht. Zu viel hat der Autokrat seinem Volk zugemutet: die Schließung von Krankenhäusern, die Streichung und Rückforderung von Renten, die Unterbindung von Meinungsfreiheit. Obwohl Turkmenistan mit seinen Gas- und Ölvorräten ein reiches Land ist, darbt die Bevölkerung in bitterer Armut und lief dabei auf Schritt und Tritt ihrem Peininger in Gestalt von Bildern und Büsten über den Weg. Die Bevölkerung könnte gemeinsam mit der Opposition die Chance nutzen, die Diadochenkämpfe unter den oberen Führungskräften für einen Putsch zu nutzen und so einen Ausweg aus seiner hilflosen Lage sehen.
Die Wahlen vom 11. Februar setzen damit nur einen vorläufigen Schlusspunkt unter den Wechsel von Njiasow zu seinem Nachfolger. Erst die nähere Zukunft wird sehen, ob Berdymuchammedow auch stark genug ist, seine Macht zu festigen oder eine Marionette von Leibwachenchef Redjepow bleibt. Dann dürfte sich sein Amt aber relativ schnell erledigt haben.

-> Deutsche Welle: Wahlkampf und kein Brot
-> Der Standard: Nur sehr kleine Chance für eine Revolution


Kasachstan
(Bild: Moschee in der neuen Hauptstadt Astana)
Kasachstans Präsident Nursultan Naserbajew hat viel in seiner seit 1990 dauernden Präsidentschaft. Die nach außen wohl kurioseste Entscheidung war die Verlegung der Hauptstadt Almaty nach Astana im Norden des Landes. Finanziert durch Öl und Gas war es dem Land möglich, die neue Hauptstadt aufzubauen und damit auch einen Ausgleich zwischen Kasachen und Russen, immer die zweitgrößte Volksgruppe, zu erreichen. Das Ziel der EU, die Energieabhängigkeit von Russland strukturell zu vermindern schafft dem Land zusätzlichen Auftrieb.
Der Wunsch des kasachischen Präsidenten, den Vorsitz der OSZE 2009 zu übernehmen, stellt die EU jedoch vor ein erhebliches Problem.
"In einer Zeit von religiös und rassistisch motivierten Kriegen genießt Kasachstan seit 15 Jahren Frieden und die Koexistenz von 130 Völkern und 46 Religionsgemeinschaften im eigenen Land"
begründet Naserbajew seinen Anspruch. Demokratiepolitisch ist Kasachstan jedoch noch Entwicklungsland und die Präsidentschaftswahlen 2005 wurden von Menschenrechtsorganisationen als nicht mit den Demokratieprinzipien für vereinbar erklärt. Die OSZE droht damit in eine Glaubwürdigkeitsfalle zu geraten, die EU-Energiepolitik zumindest zeitweise in eine Entwicklungskrise.

-> Deutsche Welle: Kasachstan und EU unterzeichnen Energieabkommen


Usbekistan
(Bild: Smarkander Blaue Moschee)
Der kulturhistorisch interessanteste Staat Zentralasiens mit den bedeutsamen Städten Buchacha und Samarkand geht auf eine formale Verfassungskrise zu. Präsident Karimow, seit 1990 im Amt, dürfte eigentlich nicht ein weiteres Mal zur Wahl antreten und seit Amtszeit läuft im Januar aus. Neuwahlen sind jedoch erst im Dezember angesetzt.
Wie in den Nachbarländern regiert auch Karimow autokratisch und ohne eine wirksame Opposition. Allerdings hat er bislang für die Verlängerung seiner Amtszeit nicht die notwendigen Voraussetzungen geschaffen. Sprechen darüber tut jedoch niemand, die Angst vor Karimow in seinem Apparat ist dann doch zu gross.
Allerdings fehlt es bislang auch an einem geeigneten Nachfolger. Wie die Nachbarländer steuert Usbekistan damit auf eine ungewisse Zukunft zu. Schafft Karimow den Absprung von der Macht, wird er zumindest zeitweise weiterhin die graue Eminenz im Hintergrund bleiben und sich einen geruhsamen Lebensabend absichern. Schafft er ihn nicht und baut auch keinen Nachfolger auf droht ähnlich wie im Nachbarland Turkmenistan eine ungewiesse Zukunft und die Stabilität des Landes erscheint gefährdet.

-> Deutsche Welle: Präsident bald ohne Mandat


Kirgistan
(Bild: Blick auf den Pik Lenin)
Als im vergangenen Frühjahr Präsident Askar Akajew aus dem Amt wegdemonstriert wurde und er im Moskauer Exil blieb hatten viele gehofft, eine demokratische Wende einzuleiten. Die beiden Oppositionsführer Kurmanbek Bakijew und Feliks Kuhlow hatten sich nun zusammengetan und die Regierung als Präsident und Premier bis zur Verabschiedung einer neuen Verfassung gemeinsam zu führen.
Obwohl zwischenzeitlich die Verfassung verabschiedet wurde und die Regierung zur Vorbereitung von Neuwahlen zurückgetreten ist, kommt der Reformprozess nicht so recht voran. So fehlt es bereits an einer Implementierung der Verfassung, um sie auch in die Wirklichkeit umzusetzen. Obwohl dem Präsidenten im November 2006 Vollmachten genommen wurden, setzte dieser im Dezember 2006 die Wiederzuerkennung in seinem Machtbereich durch.
Obwohl die Führer aller Parteien eigentlich ein Bekenntnis zur Demokratie und Rechtstaatlichkeit abgegeben haben, droht dieser im Gewirr von Machtgerangel wieder verloren zu gehen. Hier zeigt sich, wie schwierig die Einführung demokratischer Traditionen und das geordneten Zusammenspiel der Staatsorgane wirklich ist.

-> Deutsche Welle: Wieder neue Verfassung verabschiedet

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