Monday, April 23, 2007

Wahlwochenende I. Teil: Frankreich


Als vor fünf Jahren die Wahllokale in Frankreich schlossen, war die (bedenkenswerte) Sensation perfekt: aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen zogen Staatspräsident Chirac und Rechtsaussen Jean-Marie LePen in die Stichwahl ein. Der sozialistische Kandidat Lionel Jospin, bis dahin Premierminister, musste unter Aufgabe der Identität seiner eigenen Partei aber im Interesse des demokratischen Frankreichs zur Wahl Chiracs aufrufen, um LePen den Weg in den Elysee zu verbauen.
2007 sah die französische Parteienwelt etwas freundlicher aus: mit Nicolas Sarkozy und Ségoléne Royal besaßen beide grosse Parteien Frankreich Kandidaten neuen Typs: nur Royal war Absolventin der ebenso geachteten wie verhaßten Kaderschmiede ENA und sie waren beide gegend das eigene Parteiestablishment nominiert worden. Die Feindschaft zwischen Sarkozy und Chirac ist fast schon legendär.

Dabei ist die überraschend hohe Wahlbeteiligung eine der wesentlichsten Ursachen für das diesmalige Scheitern von LePen. Dieser hat es wieder darauf abgezielt in die Stichwahlen zu gelangen. Aber der Schock von 2002 sass tief im Herzen der Franzosen fest: vor allem die niedrige Wahlbeteiligung hatte LePen den einmaligen Triumph gewährt, Aug um Aug mit einem Vertreter der "etablierten" Parteien in den Kampf zu ziehen. Lionel Jospin war aus dem Rennen und eine wirkliche Alternative zu Chirac besassen die Franzosen damit nicht.
Die Franzosen haben gemerkt, dass ihre Stimme wichtig ist. Royal hat es vermocht, Stimmen der (zersplitterten) Linken auf sich zu vereinigen und wenn auch deutlich sich hinter Sarkozy und vor den anderen Mitbewerbern durchzusetzen. Mit Bayrou stand zudem ein liberaler Kandidat bereit, der quasi hätte einspringen können, wenn Royal die Stichwahl nicht geschafft hätte. Das demokratische Frankreich war somit abgesichert und die Franzosen zeigten, dass sie in der Lage sind, eine erneute internationale Blamage zu verhindern.

Wie es nun weitergeht ist offen. Sarkozy´s 31,11 Prozent und Royal´s 25,83 Prozent der Wählerstimmen langen beide nicht für den Elyseé. Und auch, wenn Sarko die Stimmen des Rechtsextremen LePen (10,81 Prozent) auf sich vereinigen kann, kann er nur von Frankreichs höchstem Staatsamt träumen. Royal kann dafür die Stimmen (14,01 Prozent) der anderen linken Kandidaten fest in ihr Resservoir verbuchen. Bleibt noch der liberale Francois Bayrou, der immerhin 18,55 Prozent vertreten hat. Betrachtet man Sarko´s Ausländer- und Minderheitenpolitik der starken Hand ist die Zurechnung von Bayrou nicht sehr wahrscheinlich und so werden die nächsten zwei Wochen ein Wettrennen sein. Bayrou hat dabei eine Wahlempfehlung ausgeschlossen, aber vielleicht ist Frankreich eine sozialistische Präsidentin zu wünschen, die sich neben der Liberalisierung und des Umbaus der Wirtschaft - ein Thema beider Kandidaten - auch für die Integration die vielen Minderheiten einsetzt. Diese leben vorwiegend banlieue ohne rechte Perspektive. Und während Sarkozy bei den Unruhen im vergangenen Jahr hart durchgegriffen hat, steht Royal eher für eine Hebung des Sozialstandards.
Royal hat hier einiges erreichen können. Sie hat bereits jetzt geschafft, in den banlieue Wählerstimmen gut zu machen.

Und: Mit einer Kandidatin Royal würden die beiden grossen Gründungsnationen der Europäischen Union von Frauen regiert.


Linktipp

Nach hoher Wahlbeteiligung wird ein "Sieg der Demokratie" konstatiert - jetzt Duell "Sarko-Ségo", CAP 23.4.2007
Wahlen in Frankreich 2007 . Wahldossier der SWP Berlin

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