Tuesday, December 04, 2007

Was am Krieg im Irak falsch war


Während die Irak-Politik der USA von vielen Seiten heftig kritisiert wird, bleibt die Irak-Politik zahlreicher europäischer Regierungen nahezu kommentarlos. Bei den Präsidentschaftsbewerbern in den USA geht es daher vielfach nur noch um die Frage, wie haben sie 2002 abgestimmt oder wie hätten sie abgestimmt. Diese Frage ist letztlich zu kurz gegriffen, bleibt sie doch die grundlegende Antwort nach Kriegsgründen und Kriegsberechtigungen schuldig. Es stellt sich jedoch insgesamt die Frage: War der Krieg gegen den Irak falsch? Die Antwort wie in vielen anderen Fragen: Jein, da man die globale Irak-Kriegsfrage in mehrere Teilfragen aufspalten muss.


Gab es einen Kriegsgrund?

Die Frage lässt sich nicht mit einem ausschließlichen Focus auf den Irak beantworten. Mit dem Ende des Kalten Krieges endete die Zeit, als sich die Weltgemeinschaft für die inneren Verhältnisse in einem Land nicht interessierte. Es gab daher in den letzten fünfzehn Jahren zahlreiche Konflikte - in Europa Bosnien, Kroatien und das Kosovo, in Asien Kambodscha, in Afrika den Kongo und Somalia -, bei denen durch die internationale Gemeinschaft interveniert wurde. Dabei kam es nicht immer auf die Zustimmung der Regierung an und insbesondere der Krieg gegen Serbien um das Kosovo 1999 wirft die Frage der formalen Rechtmäßigkeit bereits deshalb auf, da die UN ihm gerade nicht zugestimmt haben. Zurecht bezeichnen viele in den USA die Empörung in Europa als Scheinheilig, haben doch 1999 Schröder und Chirac dem Kosovo-Einsatz der Nato zugestimmt und der damalige Außenminister Fischer musste sich für seine Gewissensentscheidung mit Farbbeuteln beschmeißen lassen.
Dabei stellte sich die Situation im Kosovo 1999 und im Irak nicht erst 2002 durchaus ähnlich dar: die Regierung in Bagdad unterdrückte in massiver Form die Bevölkerungsmehrheit. Betrachtet man die Methoden, so kann wohl getrost gesagt werden, dass der Schlechter von Bagdad um einiges brutaler Vorging: Giftgaseinsatz, Tötung von Schwangeren und andere Greueltaten. Es hätte also unter den gewandelten Vorzeichen mehr als einen Grund gegeben, den Tyrannenmord von Bagdad zu begehen.
Allerdings: genau jener Grund wurde nur in einem sehr schmalen Zeitfenster im Januar 2003 durch die U.S.-Regierung genannt und dann recht schnell wieder in der Überlegungskiste versenkt. Stattdessen präsentierte Außenminister Colin Powell am 5. Februar 2003 ein von Halb- und Falschwahrheiten nur so gespickte Kriegsbegründung, wonach der Irak über Massenvernichtungswaffen verfügte. Selbst die UN-Waffeninspektoren konnten derartige Belege nicht liefern und die Zeit, gründliche Untersuchungen anzustellen, wurde ihnen seitens der USA nicht gewährt.
Es gab insofern einen triftigen Kriegsgrund, nur war dieser nicht Auslöser des Krieges.


Kanzler Schröders "Nein" auf dem Marktplatz von Goslar

Schröders Antwort auf eine deutsche Beteiligung kam zu einer Zeit, als diese Frage noch nicht virulent war und auch noch nicht alle Fakten auf dem Tisch lagen. Mit seinem kategorischen Nein, welchem weder der französische Staatspräsident Chirac noch sein russischer Amtskollege Putin folgten, nahm sich Schröder jedoch in einem erheblichen Maße die Handlungsfreiheit und muss sich schließlich zurechnen lassen, einer der Verursache des Iraq-Krieges zu sein.
Schröder folgte hier einem innenpolitischen Anliegen: dem eigenen Wahlsieg. Und zeigte damit, dass ihm die internationale Politik nur als Vehikel seiner Machtansprüche diente, er diese jedoch nicht zu gestalten gewillt und in der Lage war.
Die Folgen warn jedoch gravierend. Schröder nahm mit seiner genauso voreiligen wie unüberlegten Äußerung seiner Regierung jegliche Handlungsfreiheit. Formell spielte die Bundesrepublik als Sicherheitsratsmitglied noch mit, tatsächlich hatte sie nichts mehr anzubieten und wurde nicht mehr gehört. Die Bundesrepublik hatte sich ins Abseits gestellt.
Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hatte damit ohne Not die Handlungsfähigkeit der Außenpolitik seiner Regierung riskiert und verloren. Das die Bundesregierung zwingend Truppen stellt, wäre nicht einmal erforderlich gewesen. Mit dem Hinweis auf die zahlreichen anderen Einsätze hätte die Bundesregierung eine Überdehnung der Leistungsfähigkeit der Armee berechtigt ins Feld führen können. Damit hätte sie sich gleichzeitig die politische Option offengehalten - Außenminister Fischer hatte dies auf der Sicherheitskonferenz 2003 noch versucht zu retten. Gelungen ist es ihm nicht.

Bush´s fehlender Multilateralismus

Der Irak-Feldzug des U.S.-amerikanischen Präsidenten war schlussendlich zu einem Schlagabtausch zwischen den USA und Europa verkommen. Bush´s Administration hatte, obwohl es ihn gab, keinen wirklichen Kriegsgrund nennen können. Bush hatte sich in die Argumentation versteift: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Und fand hieraus keinen Ausweg mehr, den er gesichtswahrend hätte bewerkstelligen können. Dies war in letzter Konsequenz der eigentliche Kriegsgrund, den die USA wie ihre europäischen Gegenspieler gemeinsam heraufbeschworen hatten.
Präsident Bush jr. Interesse an Außenpolitik war von Anbeginn recht gering und viele Zusammenhänge blieben ihm unverständlich. Über Condolezza Rice, seine Sicherheitsberaterin sagte er nicht zu Unrecht: „Sie erklärt mir die internationale Politik so, dass ich sie verstehe.“ und dies war nicht ein Ausdruck mangelnden Sachverstandes generell, sondern vor allem bezogen auf die Beziehungen der USA nach außen. Bush wie Rice waren weder NeoCons noch Realisten, sondern vor allem Rice betrachtete Außenpolitik von innen heraus als Ziel der Durchsetzung U.S.-amerikanischer Interessen und Ideale. So interpredierten sie die Verhandlung von Madeleine Albright in Pjöngjang über die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen nicht nur als gegen die U.S.-Interessen gerichtet, sondern auch gegen ihre Ideale einer freien Weltgesellschaft und Rückkehr zum Kampf gegen den Kommunismus. Die Sichtweise der Partner - China, Süd-Korea und Japan - interessierte dabei wenig.

Dies verhielt sich in der UN genauso. Die UN war nur dann akzeptabel, wenn sie den Willen D.C. exekutierte. Donald Rumsfeld drückte dies plastisch mit den Worten aus: „Endweder sie stehen an unserer Seite, oder die UN wird untergehen.“ Ebenso sah die Administration von Präsident Bush jr. andere internationale Organisationen und konsultierten die Nato aufgrund der absehbar fehlenden Einstimmigkeit bereits gar nicht.
Bush war im Sommer 2002 über die Widerstand aus Europa überrascht. Dies hatte nicht nur etwas damit zu tun, dass Schröder im bei einem Besuch in Washington im Frühjahr noch versichert hatte, die Iraq-Frage aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Bislang hatten die Europäer vielmehr den USA recht blind vertraut und waren zumindest von Regierungsseite niemals offen gegen die USA aufgetreten. Schon gar nicht Deutschland. Dieses Selbstbewusstsein verstörte eine Politik, die nach den Anschlägen vom 11.9.2001 bereits tief verunsichert war und nach Antworten suchte. Damit wurde offenbar, dass die U.S.-Politik auch in der Vergangenheit nie multilateralistisch ausgelegt war, sondern vielmehr ihr von vielen Seiten Zustimmung oder kein Widerstand entgegen gebracht wurde.
Bush jr. und seine außenpolitischen Berater wussten aus dieser Situation keinen wirklichen Ausweg und trieben den Konflikt auf die Spitze - gemeinsam mit Europa. Ein Nachgeben wurde von ihnen als Scheitern inteprediert, so dass es letztlich nicht mehr um den Iraq, sondern die Machtprobe zwischen den USA und ihren europäischen Verbündeten ging.


Die NeoCons

Den entscheidenden Anstoß zum Krieg im Iraq gaben die NeoCons, wenn sie letztlich mit dem Angriff auch selbst nichts mehr zu tun hatten. Sie hatten bereits Anfang der 1990er Jahre eine Entwicklung im Grunde vorweg genommen, die der Rest der internationalen Politik erst Jahre später nachvollzog: ein Krieg aus humanitären und menschenrechtsorientierten Gründen. Paul Wolfowitz hatte bereits 1991 einen Angriff auf den Iraq gefordert, war damit jedoch in der Administration von Präsident Bush sen. gescheitert. Wolfowitz kam mit seinem Grundanliegen zu früh, wenn dieses auch einige sehr gravierende Fehler beinhaltet hatte.
Mit dem 11. September 2007 sah Wolfowitz und das Project of a new American Century seine Chance gekommen. Präsident Bush jun. brauchte sehr rasch einen Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus. Zwar war Afghanistan rasch geschlagen, die eigentlichen Drahtzieher der Anschläge jedoch unerreichbar. Wolfowitz lieferte mit dem Irak eine zentrale Figur in der von David Frum kreierten „Axes of Evils“. Saddam Hussein lieferte mit seiner Verweigerung der Waffeninspektionen zudem den besten Grund, ihn der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen zu beschuldigen und war generell als Bösewicht bekannt. Präsident Bush jr. hatte den Feind, den er brauchte - innen- wie außenpolitisch.
Hussein eignete sich dafür aus mehreren Gründen und wäre auch für die Europäer ein akzeptabler Grund gewesen. Schlimmer noch als im Kosovo missachtete der Schlächter von Bagdad jegliche Menschenrechte und scheute auch vor Morden in der eigenen Familie nicht zurück. Eine Opposition im Land gab es nicht und die kurdische Aufstandsbewegung war bereit niederkartecht. Europäer, die in den Kosovo einmarschiert waren, konnten also schlecht einen Einmarsch in den Iraq moralisch ablehnen. Die NeoCons vertraten hier ur-amerikanische Werte, wie sie seit der Gründung der USA vertreten waren.

Aber
: Sie ließen sich vor einen Karren spannen, der nicht der ihre war. Das U.S.-Volk benötigte 2002/2003 einen Anker, um den Schock des 11. September verarbeiten zu können. Saddam war die fleischgewordene Symbolfigur, mit deren Ausrottung scheinbar auch der Terrorismus besiegt und die Bedrohung beseitigt werden könnte. Die NeoCons haben damit allzu leicht eine Projektionsfläche geboten, bei der jedoch ihre Ziele und die der Bush-Administration nicht mehr übereinstimmten.


Wiederaufbau

Unabhängig von einem uni- oder multilateralen Vorgehen bedarf der Krieg in einem fremden Land mit dem Ziel eines regime change eines Konzeptes, wie dieser vonstatten gehen soll. Dies hat noch nichts mit der Frage zu tun, wie die politische Landschaft - hier im Iraq - aussehen sollte, aber ein Fahrplan hin zu dieser Landschaft. Den jedoch hatten die USA nicht, das einzigste Kriegsziel war damit tatsächlich am 5. April 2003 mit dem Sturz des Diktators Hussein erreicht und eigentlich hätten die USA wieder das Land verlassen können.
Zurück blieb jedoch ein Land, welches im inneren verfallen war und dessen Führung, so sie überhaupt als solche bezeichnet werden kann, nur unter dem Eindruck massiver Sicherheitsvorkehrungen in der Grünen Zone existiert. Bedenkt man, dass das irakische Volk und alle seine Einzelteile mit demokratischen Verfahren keine Erfahrungen haben, war diese Entwicklung absehbar und ist in anderen Fällen belegt. Nicht nur die bekannten Fälle Afghanistan, das Kosovo oder Bosnien-Herzegowina sind hier Beispiele, sondern auch Deutschland und die in die Unabhängigkeit entlassenen Staaten Afrikas. Jüngstes Beispiel auch hier Timor Leste. Alle diese Staaten haben eines gemeinsam: sie sind aus dem Stand der Unfreiheit in die Eigenstaatlichkeit entlassen worden. Sie sind aber auch vielfältig different, da sie eine unterschiedliche Entwicklung mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen genommen haben.
Die westlichen Alliierten bauten nach 1945 Deutschland langsam von unten - den kommunalen Strukturen - her auf. Erst nach einer langen Übergangsphase mit dem Prinzip der Parteilizenzierung wurde die junge demokratische Bundesrepublik in die (Halb-) Souveränität entlassen.
Anders Afrika: die Kolonialisatoren zogen von heute auf morgen ab. Nur in einem Teil der neuen Staaten kamen Eliten an die Macht, die eine fundierte Ausbildung in der Verwaltung eines Staatswesen und Erfahrung mit demokratischen Strukturen besaßen. Die Folge war eine nahezu flächendeckend
e Ausbreitung von Autokratien und Diktatoren. Das Volk kam quasi vom Regen in die Traufe und eine wirkliche Verbesserung der Lebenssituation wurde nicht erreicht. Erst mehrere Jahrzehnte später nahmen die Staaten, wie in Nigeria unter teilweise erheblichen Restriktionen des Parteibildungsprozesses im Gesamtsstaatsinteresse, eine Wende und orientieren sich hin zu einer pluralen Gesellschaft. Lediglich Namibia schaffte hier einen Übergang ohne eben solche Brüche, aber unter dem wachsamen Auge der internationalen Gemeinschaft.

No comments: