Thursday, July 06, 2006

Zwei Primadonnen und die Entertainmentopposition


Bereits öfter habe ich mich an dieser Stelle mit einer ganz besonderen deutschen Spezialität auseinandergesetzt: der Entertainmentopposition.

Guido Westerwelle müsste es eigentlich hervorragend gehen: am Ende seiner Träume angelangt hat er im Mai diesen Jahres nunmehr auch den Fraktionsvorsitz übernommen und hält die Zügel des organisierten Liberalismus fest in der Hand. Eigentlich.
Denn eigentlich wollte Westerwelle im letzten Herbst am Kabinettstisch Platz nehmen und so quasi auch sinnbildlich den Wandel vom Spass-Guido zum Staatsmann-Guido veranschaulichen. Daraus wurde nichts und daran ist er noch nicht einmal wirklich Schuld. Und nun ist er Oppositionsführer, hat einen Untersuchungsausschuss durchgesetzt ... aber sonst.

Guido Westerwelle ist eigentlich in der Versenkung verschwunden. Als gern gesehener Gast bei Sabine Christiansen hat er zwar immer einen lockeren Spruch auf Lager, aber ein schlüssiges Oppositionskonzept konnte er bislang nicht entwickeln. In der Kongo-Frage nahm die Fraktion zwar eine ablehnende Haltung ein, konnte diese jedoch nicht wirklich erklären. Die Gesundheitspolitik besteht aus veralteten Versatzstücken. Und auch die Steuerpolitik besitzt eine Innovation. Selbst das Umweltkonzept des letzten Bundesparteitages ist zwischenzeitlich mehr als zehn Jahre alt, wenn auch in den Schubladen der Jugendorganisation vergilbt.
Dies verwundert vor allem deshalb, weil die Bundestagsfraktion zwischenzeitlich so stark verjüngt ist, dass Westerwelle dort über ziemlich viel Rückhalt verfügt und mit Hilfe seiner "Jünger" agitationsfähig auch gegen das Establishment wäre. Viel lieber kappelt er sich mit seinem Sparringspartner Ede Stoiber um die Frage des "Leichtmatrosen" und "Schwermatrosen".

Und die zweite Primadonna? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zehrt immer noch von ihrem mehr als 10 Jahre zurückliegenden Rücktritt nach dem Mitgliederentscheid zum "Großen Lauschangriff". In ihrem Strategiepapier zur Landtagswahl 2008 unnimmt sie den Versuch, den daraus resultierenden Bekanntheitsgrad in Wählerstimmen umzusetzen. Dabei übersieht sie jedoch, dass eine Bekanntheit nichts über die Angesehenheit und in der Wählerbetrachtung Entschlossenheit aussagt. Hier steht die bayerische Primadonna nämlich gar nicht zur Befragung. Und auch wenn im BayernTrend vom Januar 2006 die Liberalitas Bavariae bei fünf Prozent lag, kann dies nicht als positiver Trend gesehen werden.
Als in der bayerischen FDP nichts mehr ging, übernahm "SLS" den Landesverband und auch unter ihr blieben die bayerischen Wahlerfolge 2003 aus. Zwar errang sie in der Diaspora bei der Bundestagswahl 2005 mit rund 10 Prozent einen Achtungserfolg, aber der ist weniger auf sie und ihren neuen Freund Guido zurückzuführen, sondern - wie es so schön heißt - "den Umständen geschuldet". Er hat nicht an Stoibers bayerischer Macht gekratzt, geschweige sie gefährdet. Wenn in zwei Jahren Landtagswahlen sind, werden die Liberalen wohl wieder an den Pforten des Landtags anklopfen, aber nicht eingelassen werden.
Aber Leutheusser-Schnarrenberger wird auf absehbare Zeit ebenso Landesvorsitzende bleiben wie Westerwelle Bundesvorsitzender. Der Grund ist relativ simpel: es fehlt schlicht an Alternativen.

Und dies ist schon erstaunlich. Beim Bundesparteitag in Mannheim 2002 stand Schnarrenberger noch ziemlich abseits auf dem Podium, als Westerwelle zum Kanzlerkandidaten gekürt wurde. Jetzt vereint sie das gleiche Schicksal ... und eigentlich wünscht man beiden, dass sie sich neuen Aufgaben hingeben könnten.

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