Wednesday, July 19, 2006

Jamaika in Berlin


Ein Leserkommentar bei FAZ online machte vor kurzem deutlich, wo die kleine (mal liberale) Entertainmentopposition namens FDP steht:

"Die FDP gleicht allmählich einem Ball, der sich orientierungslos seinen Weg durch die Gänge und Säle des Bundestags sucht. Das einzige, womit sie bisher bravurös geglänzt hat, war die Erfüllung ihrer Oppositionsrolle. Dort möge sie auch bitte bleiben, denn dem "Fähnchen im Wind" werden trotz wachsener Prozentzahl in bürgerlichen Umfragen nur die wahren Anhänger das Vertrauen aussprechen."


Man kann zur FDP stehen wie man will und sie ist derzeit weder personell noch programmatisch für eine Regierungsbeteiligung gerüstet. Aber, und dies verkennt der Leserbrief, die FDP wird derzeit im Bundestag zur Mehrheitsbeschaffung benötigt. Auch wenn sie nur wieder der kleine Mehrheitsbeschaffer ist, der im Zweifel zugunsten der Regierungspartei umfällt.

Mit dem Absinken der Gunst der Großen Koalition im Wählervertrauen und Selbstatomisierung steigt jedoch zunehmend wieder das Interesse nach der Frage: Was kommt nach der Großen Koalition? Die Antwort darauf liegt diesmal weniger bei der Großkoalitionären, sondern bei den drei kleinen Oppositionsparteien. Dieser Frage hatte sich nicht nur die Primadonna der FDP angenommen, sondern auch die der Grünen, der zwischenzeitlich ausgewanderte Joseph Fischer.
Alle scheinen nunmehr darauf zu hoffen, dass es dann doch noch zu einer "Jamaika"-Koalition, die im Herbst 2005 noch an CSU und Grünen gescheitert ist. Damals haben sich Westerwelle - "Da müssten sich die Grünen erst neu erfinden, bevor es eine Jamaika-Regierung gibt." - und Fischer - "Da müsste sich die FDP erst neu erfinden, bevor es eine Koalition mit den Grünen gibt." noch gegenseitig behakelt. Die rot-schwarze Große Koalition scheint diese Animositäten geheilt zu haben.

Und was bietet eine "Jamaika"-Koalition. Zunächst öffnet sie das Parteiensystem. Bislang war die SPD die einzigste Partei, die mit allen anderen Bundestagsparteien koalieren konnte. Grüne gegen Union, Union gegen Grüne, Grüne und FDP vollkommen undenkbar. Und die PDS/Linkspartei war mit Ausnahme der SPD bislang für keine Partei akzeptabel.
Aber seit 2005 ist in Frankfurt "Jamaika" daheim. Und Schwarz-Grün hat es in Köln bereits gegeben. Nunmehr scheint die Testphase auch auf die Bundesebene überzugehen.
Die alten rechten und linken Lager sind aufgebrochen, dies hat weniger etwas bis 2005, als vielmehr mit der immer stärker werden Volatilität der Wähler zu tun. Stabile politische Milieus gibt es faktisch nicht mehr. Die Parteien sind gerade auch deshalb gezwungen, sich für das bisher undenkbare zu öffnen. Und dies macht es auch so einfach, über neue Konstalltionen nachzudenken. Zwar wird dies noch in den Parteien zu einigen Auseinandersetzungen führen und eingefahrene Denkmuster auflösen. Die Auflösung des Drei-Parteiensystems, das bis 1983 bestand, ist jedoch endgültig besiegelt.

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