Thursday, August 28, 2008

Souveränität im Völkerrecht


Souveränität ist im Völkerrecht ein hohes Gut. Die Souveränität eines Staates garantiert nicht nur seine physische Existenz, sondern auch seine innere Existenz und den Schutz vor externen Übergriffen. Als nun im Februar diesen Jahres das Kosoovo seine Unabhängigkeit erklärte und die westlichen Staaten mit wenigern Ausnahmen diese auch anerkannten, wurde dies als singulärer Fall dargestellt, der nicht auf andere Staaten übertragbar sei. Bereits zum damaligen Zeitpunkt stand die Argumentation auf eher dürftigen Füssen.
Damals war es Russland, welches gegen die Unabhängigkeit protestiert hat. Für die Moskauer Regierung, an der sich personell seither wenig geändert hat, bedeutete die Anerkennung des Kosovos als souveräner Staat die Verletzung der Souveränität des Kosovos. Als die Bundesregierung nun gefragt wurde, was mit der Anerkennung anderer Staaten sei, z.B. Nordzypern, antwortete sie:
Staatssekretär Wilhelm: Ich sehe das nicht in diesem Zusammenhang. Ich hatte ja gerade deutlich gemacht, dass der Vorgang rund um den Kosovo für sich steht, dass das auch von den Staats- und Regierungschefs im Dezember und den Außenministern der Europäischen Union in ihrer Erklärung von vorgestern zum Ausdruck gebracht wurde, sodass sich diese Frage in diesem Zusammenhang gar nicht stellt.
(Regierungspressekonferenz 20.2.2008)
Für Russland ebenso wie beispielsweise das EU-Mitglied Spanien sah die Sachlage ganz anders aus. Mit der Unabhängigkeit des Kosovo wurde ein Teil des Territoriums Serbiens herausgelöst, mit Wissen und Wollen der kosovarischen Bevölkerung. Die Regierungen in Abchasien und Süd-Ossetien hatten sich schon weit länger für unabhängig erklärt, nur hatte hier bislang auch Russland aus wohlüberlegten Eigeninteresse diese Unabhängigkeit nicht anerkannt und viel lieber russische Pässe an die dortige Bevölkerung verteilt. Der Anreiz an die Tschetschenen und andere kaukasische Völker wäre viel zu gross gewesen, von Moskau das einzufordern was dieses anderswo bereitwillig unterstützen würde. Denn der vormalige Präsident Putin hatte zwar mit der "Reform" der Föderalorgane deren Leiter an sich persönlich gebunden, n
icht jedoch die Ethnien im Vielvölkerstaat zwischen Pazifik und Dnepr.

Nun, mit der Unabhängigkeit des Kosovo, argumentiert beispielsweise Bundeskanzlerin Angela Merkel:
Die russische Anerkennung Südossetiens und Abchasiens nannte die Bundeskanzlerin völkerrechtswidrig und „absolut nicht akzeptabel“. Das Handeln Russlands widerspreche dem Prinzip der territorialen Integrität, einem der grundlegenden Prinzipien des internationalen Völkerrechts.
Bundesregierung, 26.8.2008

U.S.-Präsident George Bush jun. geht zwar nicht ganz soweit, aber erklärt dennoch
This decision is inconsistent with numerous United Nations Security Council Resolutions that Russia has voted for in the past, and is also inconsistent with the French-brokered six-point ceasefire agreement which President Medvedev signed on August 12, 2008.* The six-point agreement offered a peaceful way forward to resolve the conflict. We expect Russia to live up to its international commitments, reconsider this irresponsible decision, and follow the approach set out in the six-point agreement.
The territorial integrity and borders of Georgia must be respected, just as those of Russia or any other country. Russia's action only exacerbates tensions and complicates diplomatic negotiations. In accordance with United Nations Security Council Resolutions that remain in force, Abkhazia and South Ossetia are within the internationally recognized borders of Georgia, and they must remain so.
White House, 26.8.2008
Schon mal gehört in diesem Jahr, nämlich aus dem Kreml-Palast in Moskau und genau darin zeigt sich die eigentliche Schwäche von der Singularität der Unabhängigkeit des Kosovo. Dieses singulare Ereignis war bereits zu Beginn der 1990er Jahre eingetreten und hatte zur Unabhängigkeit von 15 früher zur Sowjetunion gehörenden Teilrepubliken gehört und im Laufe der 1990er Jahre erklärten sich nach und nach die Staaten des früheren Jugoslawien für unabhängig, zuletzt 2006 Montenegro. Wie selbstverständlich wurde jeder dieser neuen Staaten völkerrechtlich anerkannt, in die UN aufgenommen und mit Botschaften der westlichen Staaten bestückt. Gestoppt wurde jedoch unterhalb dieser Ebene und so gibt es bis heute immer noch kein unabhängige Ngorni Karabach, Tschetschenien oder eben die beiden georgischen Teile.
Nun kann argumentiert werden, dass sowohl die Sowjetunion als auch Jugoslawien ein Bund seiner souveränen Teilstaaten war und juristisch ist diese Argumentation sogar einwandfrei. Auch die Anerkennung Timor Lestes lässt sich aus der Tatsache heraus erklären, dass der Inselteil von Indonesien annektiert worden war. Aber auch dies ist nur eine Hilfskrücke, denn es gab eine jugoslawische Staatsbürgerschaft ebenso wie eine sowjetische. Selbst wenn es eine russische oder armenische Staatsangehörigkeit formal gab, besitzt diese einen ebenso hohen Stellenwert wie die, welche in der bayerischen Verfassung festgeschrieben ist: ein folkloristische.
Jedoch ist im völkerrechtlich das Selbstbestimmungsrecht der Völker garantiert. Diese Vorstellung war die Voraussetzung für den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg und schließlich die Geburtsurkunde zahlreiche Staaten Osteuropas. Sie gilt bis heute. Man mag also über den Einsatz russischer Streitkräfte im Kaukasus geteilter Ansicht sein. Die hiervon zu trennende Anerkennung der Souveränität Abachasiens und Süd-Ossetiens ist jedoch völkerrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar steht es jeder Regierung nunmehr frei, ob sie mit den beiden Gebieten nach dem Kosovo zwei neue nicht lebensfähige Staaten anerkennen will. Russland Rechtsbruch vorzuwerfen - in dieser Frage - ist jedoch fehl am Platz.



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