Tuesday, February 19, 2008

Serbien und die Unabhängigkeit


Die Erklärung der Unabhängigkeit des Kosovo am 17. Februar 2008 hat auf serbischer Seite zu zahlreichen bemerkenswerten Aussagen geführt:
"Wenn Sie diesen illegalen Akt durchgehen lassen, zeigen Sie, dass Recht und Gerechtigkeit in der Welt nicht respektiert werden müssen. Dutzende von Kosovos" warteten nur darauf, dem Beispiel Pristinas zu folgen. Serbien wird die Unabhängigkeit des Kosovos nie anerkennen ..."
Boris Tadic vor dem UN Sicherheitsrat, 18. Februar 2008

Die kosovarische Einmaligkeit
Wo Tadic recht hat, hat er recht. Den mit welchem Recht verweigert man in Zukunft den Nord-Zyprioten, den Basken und Katalen und den anderen Völkern dieser Welt den Ruf nach ihrer Souveränität. Die Ansicht der Staats- und Regierungschefs dieser Welt, dass Kosovo wäre ein einmaliger Fall, kann nämlich eigentlich nicht nachvollzogen werden. Das Kosovo ist nur dann ein einmaliger Fall, dass man es zunächst aus den Händen der Serben entrissen und so eine barbarische Ethnienpolitik beendet hat und schließlich einen Staat anerkennt, dessen Lebensfähigkeit von Anbeginn auf äußerst wackeligen Beinen steht - oder auch nicht gegeben ist. Die EU hat dies erkannt und daher auch der Ansicht, wenn wir dieses Armenhaus Europas schon alimentieren, wollen wir auch das letzte Wort haben - die Souveränität des Kosovo ist daher eher eine Schein-Souveränität und an den tatsächlichen Verhältnissen hat sich nur staatsrechtlich etwas geändert. Das letzte Wort in Prishtina behält der europäische Staatskommissar.
Aber: Russlands Tschetschenien, Georgiens Ossetien, Aserbaidschands Karabach oder Chinas Tibet und die vielen anderen Krisenregionen, die nach Unabhängigkeit streben, werden sich ein Vorbild nehmen. Und hier besteht in der Tat kaum ein Unterschied zum Kosovo.

Regionale Lösung
So Recht also Tadic, Putin und die anderen Verfechter der eigenen Souveränität mit der Bemerkung über die Einmaligkeit des Kosovos haben, so wenig werden sie sich eine Lösung der Kosovo-Frage auf Dauer verschließen können. Serbien will in die EU und dies würd nur mit einem Anerkenntnis der Loslösung des Kosovo von Serbien gehen. Russland wird sich der Kapitulation Serbiens in dieser Frage beugen und hatte auch im UN-Sicherheitsrat nicht mehr als lauverbale Äußerungen parat.
Aber: Die EU hat den Blick auf eine Region gelenkt, die noch mehr Probleme in der Hinterhand hat. Bis heute heisst im internationalen Sprachgebrauch Mazedonien nicht "Republik Mazedonien", sondern "Ehemalige Jugoslawische Teilrepublik Jugoslawien" - dank Griechenland, die mit der Bezeichnung Mazedoniens Ansprüche auf ihre eigene Provinz Mazedonien erheben. Nach mehr als zehn Jahren dürfte man die europäischen Politiker gefliessentlich daran erinnern, dass eine Lösung angebracht erschiene.
Gemeinsam bilden dafür Albanien, Mazedonien und nun auch das Kosovo einen europäischen Kostgänger sondersgleichen. Über die Frage der gegenseitigen Stimmenvergabe beim Eurovision Songcontest kann man da noch gefliessentlich hinweg sehen. Nicht jedoch, dass der staatsrechtlichen nun auch die faktische Unabhängigkeit folgen muss. Gehen Europa und die USA hier vereint, dürfte eine Lösung dieses Problems - dem Zusammenschluss der nicht so unterschiedlichen Mini-Staaten - recht schnell nichts im Wege stehen. Natürlich ist die regionale Stabilität zu beachten. Das diese jedoch durch einem Staat nach dem Prinzip aus "drei mach eins" diese gefährdet sein könnte ist schon deshalb nicht zu befürchten, da auch dann die EU bei den Entscheidungen nie ganz weit sein wird.

Wer raus geht, muss auch wieder reinkommen
Das scheinbar die Loslösung eines Staates nicht ganz ohne Diplomatenposse abgehen kann, zeigt dann schlussendlich doch wieder Belgrad. Kaum hatten Washington, Paris und London den neuen Staat anerkannt, zogen sie die Botschafter ab. Wenn dies die USA veranstalten würden, wäre dies für einen Staat eine ernsthafte Bedrohung. Würde Berlin so verfahren, wäre es noch ein gehöriges Rauschen im Blätterwald. Aber Serbien, abhängig vom Ausland ebenso wie die losgelöste Provinz ... da wird man in den Hauptstädten doch eher müde lächeln können und beim nächsten Diplomatendinner schlicht ein Gedeck weniger auflegen.
Für Serbien gilt aber allemal: wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen. Und so dürfte sich das ganze als typischer Drehtüreffekt erweisen und Belgrads Vertreter in der Welt schnell wieder in ihren Residenzen Einzug halten.

Lesehinweis:
Neuer Zustand der Instabilität . Interview mit Marie-Janine Calic,
zeit.de 18.2.2008

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