Tuesday, February 19, 2008

Adios, Maximo Lider


Als Helmut Kohl 1998 von seinem Amt - gezwungener Maßen - abgetreten war, hiess es: eine ganze Generation kennt nur einen Bundeskanzler. Seit der frühere cubanische Diktator Batista aus Cuba flüchtete, kennt die Zuckerinsel keinen anderen Staatspräsidenten als den comandante en jefe. Nach 49 Jahren müssen sich also nun auch die Cubaner an einen neuen Präsidenten gewöhnen, einen neuen Maximo Lider wird es wohl nicht geben. Fidel Castro tritt mit 82 Jahren von seinem Amt zurück, alt und von Krankheiten geschwächt.

Was wird bleiben von einem ebenso charismatischen wie starrsinnigen Revolutionsführer, der noch mit Che Guevara persönlich die Revolution in die Welt tragen wollte und alle kommunistischen Machthaber der Welt überlebt hat:
  • Für die Cubaner beginnt eine neue Zeitrechnung. Mit Castro verlieren sie nicht nur ihren alles überragenden und trotz seiner Probleme mit Menschenrechte und Versorgung durchaus beliebten Führer. Castro war für sie allgegenwärtig mit seinen stundenlangen Ansprachen. Aber eben auch als Übervater der Cubaner, der erfolgreich gegen die Batistas gekämpft, die Fernlenkung der USA abgeschüttelt und später ihnen getrotzt hat.
    Dies eint und selbst die vorsichtige Öffnungspolitik der letzten Jahre, insbesondere unter Raul Castro als quasi cubanischer Papst - in Vertretung des Gottes Castro -, konnte dem comandante nur wenig anhaben. Zu stark waren auch die Differenzen mit dem nördlichen Nachbarn, auch weil die in Florida beheimateten Exil-Cubaner alles daran setzen, einen Ausgleich mit Havanna zu verhindern. Noch in Erinnerung ist der Streit um das Sorgerecht für einen kleinen Cubaner, dass die Welt beschäftigte - der Kampf zwischen Gut und Böse, nur mit wechselnden Rollen vom Standpunkt aus abhängig.
  • Die USA verlieren ihren Staatsfeind Nr. 1. Bis heute haben sie - parteiübergreifend - die Schmach nicht verwunden, zuerst von der Zuckerinsel vertrieben und dann in der Schweinebucht nicht einmal an Land gekommen zu sein. Ob Guantanamo ausser als Gefangenenlager noch einen wirklichen militärisch-strategischen Sinn hatte, war nicht die Frage. Es war ein Stützpunkt auf Cuba und Castro ein Dorn im Fleisch, der ihn bis heute schmerzt. Bereits dafür haben sich die Kosten scheinbar gelohnt.
    Nun geht er und ein neuer Staatsfeind auf der Zuckerinsel ist nicht in Sicht. D.C. hätte sich schon lange mit Castro ausgesöhnt, wäre da nicht die grosse Exilgemeinde in Miami - ein starkes Wählerpotential, welches zu verprellen als törischt angesehen wurde.
  • Die Linken verlieren ihre letzte Identitifikationsfigur. Bis heute gibt es in der PDS / Linkspartei eine Arbeitsgruppe cuba si und begründet eines Mythos, der im wesentlichen durch Castro geprägt wurde. Der Maximo Lider kann im Gegensatz zu seinem venezolanischen Gegenstück mit einer Revolutionsgeschichte aufwarten, die sonst allen linken Ikonen fehlen. Auch das letzte verbliebene Kommunistenidyl - Nordkorea - macht da nichts her, hat es doch eher einen verschrobenen Führer und die Reise in das Land gleich der Reise in ein kaltes Armenhaus. Cuba hingegen versprüht lateinamerikanische Lebensfreude, Sonne und Sonnenschein. Ein Paradies auf Erden, welches noch dazu - um in der Sprache der Linken zu bleiben, von allen Übeln des Kapitalismus (oder wahlweise Imperialismus) verschont ist.
    Ihre Identifikationsfigur geht nun also ersatzlos verloren und ein Nachfolger steht nicht parat.
Mit dem Abtritt des Maximo Lider werden sich die Gewichte in der Region verschieben und es besteht die Chance eines echten Neuanfang für die Insel. Denn zu Recht schrieb die FAZ in ihrer Online-Ausgabe:
Der letzte kommunistische Diktator in diesem Teil der Welt, der die „Zuckerinsel“ aus dem hoffnungsvollen Frühling einer Revolution gegen das korrupte Regime des Fulgencio Batista durch die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts in einen endlos anmutenden Winter der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Stagnation geführt hat, vermochte sogar seinen Fuß noch in das 21. zu setzen. Aber er tat dies schon als starrsinniger, reformunwilliger, seiner verarmten Nation keine Verschnaufpause gönnender Ruinenbaumeister.
(faz.net, 19.2.2008)

Castro ist irgendwann stehen geblieben im Kampf gegen den grossen Feind im Norden. Sie haben sich gegenseitig belauert und seit dem die Sowjetunion untergegangen ist fehlen Land und Bevölkerung die Unterstützung für den Luxus eines Kampf gegen die USA. Auch wenn Bruder Raul das Haus gut verwaltet und den wirtschaftlichen Öffnungskurs - westlicher Tourismus ist ein einträgliches Geschäft geworden - mitgetragen hat, werden die Figuren im Hintergrund die Zügel nun in die Hand nehmen. Die Zeit der Diadochen-Kämpfe hat begonnen und Raul wird sie noch moderieren, aber auch hier spielt er nur noch eine Randrolle.
Der Außenminister Felipe Pérez Roque ist zwar bislang der international bekannteste Thronanwärter. Aber sicher nicht der Einzigste. Und es wird von ihm erwartet, dass er Cuba freier Macht - wirtschaftlich und politisch. Aber dieser Weg ist bislang nur zögerlich bestritten worden und wie in vielen Diktaturen kann das Ruder rasch herumgerissen werden.


Anlässlich des Rücktritts Castros hat sich nach langer Abstinenz auch die Weltexpertin Marina Schuster - diesmal unter dem etwas weniger hochtrappenden Titel "Sprecherin für Globalisierung" - zu Wort gemeldet:
Er gehört zu den schlimmsten Diktatoren der letzten Jahrzehnte, der das Schicksal unzähliger Unschuldiger und grenzenlose Menschenrechtsverletzungen auf dem Gewissen hat. Zudem trägt er die politische Verantwortung dafür, dass den Kubanern seit Jahrzehnten ein Leben in Freiheit und Wohlstand vorenthalten wird.
Da scheint der Kalte Krieg dann wohl doch nicht ganz beendet zu sein und ein letztes Aufbäumen musste unbedingt noch einmal aus der Zauberkiste der schlechten politischen Rhetorik hervorgekramt werden. Die globale Sprecherin der FDP für allen Unsinn hat nämlich offenbar die Verhältnisse auf Cuba nicht ganz im Sinn gehabt, denn bei allen Vorbehalten gegen Castros wenig freiheitsorientierte Politik war er weder ein Augusto Pinochet, Alfredo Stroessner oder Saddam Hussein. Auch ein Idi Amin oder Pol Pot hatte nicht im entferntesten Ähnlichkeit mit dem Maximo Lider auf der Zuckerinsel.
Vergessen scheint sie auch zu haben, dass das Wirtschaftsembargo der USA nicht unerheblich zur desolaten ökonomischen Situation beigetragen hat. Das diese Politik nur wenig konsequent und eher der Abrechnung offener Rechnungen geschuldet war, zeigen die zahlreichen anderen engen Kontakte zu weit dramatischeren Potentaten auch in Südamerika. Ursache und Wirkung können scheinbar leicht verwechselt werden.
Leider merkt man an Marina Schuster erneut, dass der FDP diejenigen abgehen, die nicht nur etwas von Rhetorik, sondern eben auch etwas von Außenpolitik und den Ländern verstehen, über die sie zu reden glauben meinen zu müssen.

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