Wednesday, October 31, 2007

Kalter Krieg am Himmel


Seitdem Gerhard Schröder das Kanzleramt verlassen hat und Angela Merkel sich die Freiheit herausnimmt, Russlands Präsident Putin auf Menschenrechtsverstösse hinzuweisen und Menschenrechtsgruppe in die Deutsche Botschaft Moskau zum Tee einzuladen, stimmt irgend etwas nicht mehr in der Beziehung zwischen Berlin und Moskau. Dies musste nun auch die Deutsche Lufthansa - respektive ihre Cargo-Tochter - spüren, wurden hier doch quasi über Nacht die Überflugrechte untersagt. Das Unternehmen, welches in der vergangenen Woche noch glänzende Zahlen vorgelegt hat, muss nun zum Regionalfrachtzentrum in Astana teuere und langwierige Umwege in Kauf nehmen.

Russland zieht damit die Daumenschrauben ein weiteres Mal an, nach dem Gasboykott Anfang diesen Jahres, dem Hickhack um die Ansiedlung U.S.-amerikanischer Raketenabwehrsysteme und auch so einigen anderen politischen Nadelstichen gen Westen. Das Lufthansa die Gebühren schuldet, dürfte ein eher leicht behebbarer Buchungsfehler sein und mit einem kleinen Hinweis an das Management wäre die Sache auch schnell erledigt gewesen. Hier hat vielmehr die große Politik zugeschlagen: Russland möchte seine Muskeln zeigen. Lufthansa ist eher Opfer als Täter in diesem Spiel und kann quasi noch von Glück sagen, dass die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau nicht so abgekühlt sind, dass gleich alle Über- und Einflüge abgesagt wurden.
Wie im Kalten Krieg mutet es da an, dass das Luftfahrtbundesamt auch der Aeroflot die Einfluggenehmigung entzogen hat: der Aeroflot-Drehpunkt Frankfurt-Hahn ist damit auch vorbei und muss die Fracht mit erheblichem Mehraufwand über Luxembourg abwickeln. Der geharnichte Protestbrief des Aeroflot-Chefs an seinen Verkehrsminister ist hierfür durchaus beruhigend, trifft es doch die russische Linie deutlich härter, als der Umweg des deutschen Carriers.

Auch wenn sich umgehend die Verkehrsministerien kurz geschlossen haben, so liegt das Problem doch tiefer und müsste eher durch die Außenministerien und Regierungszentralen gelöst werden. Russland ist nach der langen Durststrecke wieder auf dem Weg, seine Größe zu demonstrieren. Zwar steht sie mit Öl und Gas auf langfristig tönernen Füssen, aber mitspielen möchte es trotzdem. Europa hat aus russische Sicht den Einflussbereich der Moskauer mit der Stationierung von Truppen in Zentralasien, seinem Engagement im Kaukasus und Russland sowie der fortlaufenden Kritik an den russischen Menschenrechtsverletzung tief verletzt. Eine "Gegenleistung" hier bietet sich Wladimir Putin nicht.

Der Ärger begann quasi mit dem Einzug Angela Merkels in das Berliner Kanzleramt. Nach dem "lupenreinen Demokraten"-Kanzler war Merkel bereit, sowohl zu Washington wie zu Moskau die Beziehungen wieder in das rechte Lot zu bringen. Für Wladimir Putin bedeutete dies, dass er auch mal ein kritisches Wort über sich ergehen lassen musste. Merkels undogmatische Art schreckt auch nicht davor zurück, unangenehme Wahrheiten auch mit der Konsequenz, mal ökonomisch Einbußen hinzunehmen. Das Merkel damit nicht allein, sondern eher als Leader darsteht, zeigt die nichtvorhandene Kritik der europäischen Kollegen. Eher befreit vom Ende der Männerfreundschaft konnte man sich wieder den eigenen Werten widmen und den Russland-Dialog auch mal wieder kritisch führen.
Präsident Putin hat aus dieser neuen Situation noch keinen Ausweg gefunden. Die Verurteilung Chordochowskis, die Repressionsmaßnahmen im Kaukasus und die Verstrickungen in die GUS-Händel - man denke nur an Belarus - lassen ihm auch kaum einen neuen Weg. Putin dürfte dabei wissen, dass die neuen Großmachtträume mit dem Geld aus Öl und Gas bisher nicht nachhaltig sind. Er hat es letztlich nicht geschafft, die russische Wirtschaft krisen- und zukunftssicher und die Staatsverwaltung korruptionsfrei zu machen. Und hier liegt das eigentliche Problem und die Aufgabe für den im Frühjahr nächsten Jahres zu wählenden Nachfolger. Wenn der Premier dann aber Putin heißt, wird dies schwer sein zu bewerkstellig.

Die Lufthansa Cargo wird wohl in einigen Tagen wieder über die Taiga fliegen dürfen. Die eigentlichen Hintergründe werden jedoch bleiben: Russlands Einbindung in die Weltpolitik.

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