Thursday, November 01, 2007

Russlands Verständnis von Demokratie und Wirtschaft

So langsam scheinen die tatsächlichen Gründe heraus zu bekommen, warum Lufthansa Cargo den russischen Luftraum seit Sonntag nicht mehr ansteuern darf: die russische Regierung möchte das LH Cargo-Drehkreuz von Astana in Kasachstan nach Krasnojarsk in Russland verlegt sehen. Was anmutet wie ein schlechter Witz passt in das Konzept. Vor einem Jahr wurde dort ein neues Frachtzentrum aufgebaut, welches bislang noch auf seine Auslastung wartet.
Eigentlich bemüht sich ein Unternehmen in solchen Fällen durch Anreize um neue Kunden. Im Falle der russischen Staatswirtschaft übernimmt dies jedoch der Staat durch die Ausübung von Druck und Zwang. Die Moskauer Regierung schlägt mit einem solchen Vorgehen gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: das Krasnojarsker Frachtzentrum ist ausgelastet, Moskau hat seine Macht demonstriert gegenüber dem Westen und es hat den zentralasiatischen Nachbarn, die von Russland Fürsorge immer weniger wissen wollen, ein Schnippchen geschlagen.


Die russische Regierung übersieht dabei jedoch eine Denken in kurzen Zeitabständen. Lufthansa Cargo könnte nämlich auf die Idee kommen, ihre alten Frachtmaschinen vom Typ Boeing 747 wieder aus der Mottokiste herauszuholen. Diese hatte sie vor einigen Jahren zugunsten der besseren Wartung aufgegeben und dafür die MD-11 F auf allen Strecken in Dienst gestellt. Grundlage dafür waren jedoch weltweit bestehende Umschlagzentren, die nun auf dem Weg nach Asien gefährdet scheinen.
Auch politisch ist das russische Verhalten eher als unklug zu bezeichnen. Wirtschaftspolitisch werden sich die Europäer ohne solche recht unverfrorene Standortpolitik nicht gefallen lassen . Auch wenn Russland dies nur für schwer möglich hält, hat der wichtigste russische Handelspartner die Daumenschrauben in der Hand: selbst für den Fall das die Gazprom ihre Lieferungen einstellt könnte ein zeitweilig höhere Öl- und Gaspreis langfristig sich auszahlen. Denn eine freie Standortwahl ist die Grundlage jeder globalisierten Wirtschaft.


Etwas weniger Aufmerksamkeit erntet dafür derzeit die Vorbereitung der russischen Präsidentschaftswahlen im Dezember. Die "lupenreine Demokratie" (Gerhard Schröder) hat zwischenzeitlich etwas gegen Wahlbeobachter von außen. Im weltgrößten Flächenstaat sollen gerade einmal 400 Wahlbeobachter dafür sorgen, dass die Wahlen effektiv beobachtet werden. Der Europarat könnte ebensogut seine Wahlbeobachter abziehen, denn bringen werden sie nichts.
Dabei sind bereits im Vorfeld die Wahlen so positioniert, dass ein freier Urnengang alles andere als wahrscheinlich ist. Die Einschüchterung der Opposition ist in Putins Autokratie zum Alltag geworden.
War Boris Jelzin zwar ein teilweise unberechenbarer Politiker, so ist Wladimir Putins Berechenbarkeit allzug furchteinflössend. In den acht Regierungsjahren hat er Russland fast dorthin geführt, wo es 1990 hergekommen ist: in eine Diktatur, wenn auch mit westlichem Antlitz.

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