Monday, October 29, 2007

In der Pampa zum Ruhm des Landes


Wahlen in Argentinien haben immer eine ganz besondere Ausstrahlung für den Rest der Welt. Ebenso ihre Präsidenten. Juan Peron war so einer, dessen Ehefrau Evita Peron bis heute den Status einer nationalen Ikone besitzt. führte das Land zurück in die Demokratie und Raul AlfonsinCarlos Menem war ein charismatischer wie machtversessen-korrupter Präsident. Als um die Jahreswende 2001/2002 vier Präsidenten innerhalb von 14 Tagen aufeinander folgten, war dies ein ebenso beeindruckendes wie bedrückendes Spektakel für die stolze Nation, die wohl die europäischste in Südamerika ist.

Als 2003 schließlich Ernesto Kirchner in den Präsidentenpalast von Buenos Aires einzog, war einerseits die die Macht der Peronistischen Partei erst einmal wieder gesichert, andererseits zog wieder Glanz und Gloria in Argentiniens Hauptstadt ein. Die Abhängigkeit vom Dollar wurde gelöst, die Hyperinflation gestoppt und die Parallelwährung löste sich auf. Ernesto und Cristina de Kirchner verkörperten so etwas wie die Clintons Südamerikas, war doch auch Cristina eine ebenso politische Frau wie Hillary.
Und nun macht sie es ihrerem U.S.-amerikanischen Pendant vor, was diese im November des nächsten Jahres erst noch erreichen will: aus der First Lady wird die Präsidentin und aus dem Präsidenten der First Husband. Die Casa Rosada wird zum Erbhof der Familie Kirchner.

Der „Kirchnerismus“ erwies sich bislang als ein geschlossenes System der Machtmehrung und -erhaltung für einen Clan, dessen Mitglieder durchweg aus der patagonischen Provinz Santa Cruz kommen. Weder hat er eine eigene Ideologie noch ein festes Programm, er nimmt sich zwischen Links und Halbrechts, was ihm gut dünkt. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass sich in der „Front für den Sieg“, wie sich Cristina Kirchners Gruppierung nennt, neben Peronisten auch in großer Zahl Mitglieder der eigentlich oppositionellen traditionsreichen Partei „Radikale Bürgerunion“ (UCR) finden. Einer dieser Abtrünnigen ist ausgerechnet Cristina Kirchners Kandidat für den Stellvertreterposten: Julio Cobos, Gouverneur der Provinz Mendoza.Néstor Kirchner hat das Land wie ein strenger, launenhafter, oft cholerischer Gutsherr geführt, der alles, auch kleinste Dinge selbst entscheidet und sich partout nicht in die Karten schauen lässt. Zu bemerken war bestenfalls ein obsessives Bestreben, seinen Untertanen nach der großen Krise das Gefühl zu vermitteln, „wir sind wieder wer“, und dem Präsidentenamt wieder zu Autorität zu verhelfen.Die Bilanz im Kirchnerschen Gutshof sieht, oberflächlich betrachtet, nicht schlecht aus. Die Wirtschaft erzielte vor allem dank üppiger Exporterlöse ein Wachstum von durchschnittlich acht Prozent jährlich, die Arbeitslosenquote sank fast auf einen einstelligen Wert, der Konsum nahm zu, und die Gehälter wuchsen in bescheidenem Maß.
Die Bilanz im Kirchnerschen Gutshof sieht, oberflächlich betrachtet, nicht schlecht aus. Die Wirtschaft erzielte vor allem dank üppiger Exporterlöse ein Wachstum von durchschnittlich acht Prozent jährlich, die Arbeitslosenquote sank fast auf einen einstelligen Wert, der Konsum nahm zu, und die Gehälter wuchsen in bescheidenem Maß.

Der Kabinettschef als Hofhund
In den vier Jahren hat Kirchner dafür gesorgt, dass niemand und nichts sein Regiment gefährdet. Zu Korruptionsskandalen in seiner direkten Umgebung hat er beharrlich geschwiegen. Wenn unangenehme Zahlen in der Öffentlichkeit zu kursieren begannen, hat er alles unternommen, um sie zurechtzubiegen. So ließ er, als immer bedrohlichere Inflationsraten publik wurden, kurzerhand Führungspersonen in der Statistikbehörde austauschen und neue Berechnungsmethoden einführen, die prompt ein günstigeres Bild ergaben. Allerdings trat Kirchner bei solchen Manipulationen nie selbst in Erscheinung, sondern schickte wie einen Hofhund seinen Kabinettschef Alberto Fernández vor, der politische Gegner zuverlässig verbellt und ihnen die Schuld an misslichen Situationen jeder Art anlastet.
Bei der Entscheidung, die Leitung für die nächsten vier Jahre der Chefin zu überlassen, geht es vor allem darum, das Gut als Erbhof auszubauen. Mit Cristina Kirchner wird auf jeden Fall ein neuer Stil in die Casa Rosada, das Regierungsgebäude in Buenos Aires, einziehen. Ihr Gatte legte unkonventionelles bis flegelhaftes Verhalten an den Tag: So weigerte er sich, Akkredierungen von Diplomaten entgegenzunehmen, weil er das als reine Zeitverschwendung betrachtete, und notorisch ist seine Art, in letzter Minute seine Teilnahme an Staatsempfängen abzusagen, zu denen er selbst geladen hat.
Cristina Kirchner dagegen liebt den stilvollen Auftritt, Glanz und Glamour. Deshalb wirkt sie aber auch unnahbar und hochfahrend. Das war im Wahlkampf ihr größtes Handicap. Ihre Berater haben ihr deshalb eingeredet, sie müsse sich volkstümlicher und lockerer geben. Sie hat dann mit einfachen Leuten Karten gespielt und bei öffentlichen Auftritten zu rhythmisch-mitreißender Musik tänzelnde Bewegungen vollführt. Das allerdings wirkte erst recht verkrampft.

Angriff auf Gegner des „System K“
Während ihr Mann mit einem Sprachfehler kämpft, redet Cristina glatt und geschmeidig, wenn auch nicht unbedingt brillant. Als langjährige Abgeordnete und Senatorin hatte sie reichlich Gelegenheit, ihre Rhetorik zu trainieren. Ihr fehlt zwar Erfahrung in der Exekutive, aber als wichtigste Beraterin ihres Gatten hat sie schon in dessen Jahren als Gouverneur der patagonischen Provinz Santa Cruz mitbekommen, wie man Macht schafft und ausübt. Sie wird, weil es bestens eingespielt ist, wohl auch das Küchenkabinett übernehmen, das Kirchner aus Vertrauten und Günstlingen aufgebaut hat und in dem er weiterhin anzutreffen sein dürfte.
Angesichts zahlreicher ungelöster Probleme und Konflikte wird Cristina Kirchner den konfrontativen Stil ihres Mannes aufgeben müssen, der besonders gern Privatfirmen attackierte und überhaupt jeden angriff, der sich mit dem „System K“ nicht zu arrangieren bereit war. Die Präsidentengattin hat tatsächlich Zeichen ausgesandt, dass sie die unterschiedlichsten politischen und gesellschaftlichen Sektoren ansprechen und in ihre Regierungsarbeit einbeziehen möchte. Immer wieder zitierte sie während ihrer Kampagne Begriffe wie den der „Concertación“ oder redete einem Sozialpakt das Wort. Auffallend häufig ließ sie sich im In- und Ausland mit einflussreichen Unternehmern sehen und sich von ihnen Investitionen für Argentinien versprechen.

Der Stil ändert sich, alles andere bleibt
Cristina Kirchner hat es im Wahlkampf peinlich vermieden, die Folgen von Fehlern und Fehlentscheidungen in der Amtsführung ihres Mannes anzusprechen. Dazu zählen die Bekämpfung der wachsenden Inflation mit dem untauglichen Mittel der Preiskontrolle, die Aushöhlung staatlicher Institutionen wie des zum Gehilfen der Regierung degradierten Parlaments oder der Statistikbehörde, schließlich auch die geringe Transparenz bei Regierungsentscheidungen.
Viele Argentinier sehen die mangelnde Bereitschaft Kirchners, die Gewaltkriminalität entschieden zu bekämpfen, als das größte Versäumnis seiner Amtszeit an. Der brutale Mord an drei Polizisten aus möglicherweise politischen Motiven, der wenige Tage vor der Wahl die Provinz Buenos Aires erschütterte, war ein drastischer Fingerzeig.
„Wandel in der Kontinuität“ verspricht Cristina Kirchner im Wahlkampf. Es wird im neuen „Kirchnerismus“ zwar stilistisch etwas anders zugehen. Aber eigentlich soll alles beim Alten bleiben.

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