Thursday, October 26, 2006

Don Testosteron erklärt sein Leben


Jeder Kanzler schreibt seine eigene Geschichte. Nach dem Helmut Kohl in insgesamt drei voluminösen Werken seine Kanzlerschaft und seinen Weg dorthin beschrieben hatte, nachdem Hans-Dietrich Genscher es ebenso mit Bill und Hillary Clinton gehalten hat, war nun auch Don Testosteron Gerhard Schröder an der Reihe. Nur ein Jahr nach dem Ende seiner Kanzlerschaft, zwischen seinen zahlreichen neuen Jobs als Aufsichtsratsvorsitzender und Berater hat er seine Sicht der Dinge vorgelegt und ließ die Medien Medien sein. Wer hier ernsthaft einen objektive Betrachtung der Politik Gerhard Schröders erwartet hatte, der durfte enttäuscht sein und dies ist auch nicht verwunderlich.

Verwunderlich ist jedoch, wie sich Schröder selbst in Szene setzt, noch bevor sein Buch überhaupt erschienen ist. Das die Wahlentscheidung vom 21. Mai 2005 von ihm auch weiterhin als richtig eingeschätzt wird, war zu erwarten. Das er inhaltliche Fragen wie die Gesundheitsreform anders sieht, ist in der Meinungsfreiheit, die dem Bürger Gerhard Schröder zusteht, nicht weiter problematisch. Den eigentlichen Sprengstoff setzt Schröder an anderer Stelle:
Ich glaube, dass das, was die problematische Situation der CDU gegenwärtig beherrscht, keineswegs nur die Tatsache ist, dass der Koalitionsvertrag eher ein gemäßigt sozialdemokratisches Programm ist. Das ärgert Teile der CDU allemal. Aber was die am meisten ärgert, ist, dass sie auf die Aufschneiderei ihrer eigenen Leute hereingefallen sind, die Union mache perfektes Handwerk. Nun erleben sie das genaue Gegenteil. Es fehlt einfach Führung. Das schafft in den CDU-Kreisen ein unglaubliches Maß an Enttäuschung.
Nur ein Jahr nach der Übergabe der Schlüssel des Berliner Bundeskanzleramtes an Angela Merkel hat er damit in bislang beispielloser Art seine Nachfolgerin kritisiert. Vergessen dabei, dass er den Parteivorsitz abgegeben hat, weil er der Partei nicht mehr Herr wurde und wie kein anderer auf Franz Müntefering angewiesen war. Vorbei, dass die Neuwahlentscheidung genau deshalb erfolgt, weil ihm die Durchsetzungsstärke nicht zuletzt in seiner eigenen Partei fehlte und die Partei zerbröselte. Es ist dieses "vor den Latz" knallen, was Schröder mag und was er schätzt, um sich zurück auf der politischen Bühne zu melden.
Dabei übersieht Schröder, dass Merkel sich durchgebissen hat und - trotz der wenig zukunftsträchtigen Politik der Großen Koalition - Merkel Kanzlerin geworden ist und bleiben wird. Da spricht einer, der es bis heute nicht verwunden hat, von einer Frau geschlagen worden zu sein. Schröder ist Macho durch und durch und die Berliner Elefantenrunde am 18. September 2005 hat dies überdeutlich scheinen lassen. Er wollte Frau Merkel nicht, weil sie der CDU angehörte oder weil er gegen sie verloren hatte. Es hätte auch eine Frau aus der SPD sein können.
In Schröders engsten Machtzirkel war eine Frau nicht vertreten, die Ausnahmen waren seine Ehefrau Doris und seine Büroleiterin Krampitz. Beide konnten ihm jedoch nie gefährlich sein und haben ihn bedingungslos unterstützt. Daher war der Sommer 2005 für Schröder eine vollkommen neue Erfahrung, in der er für einen Politiker existentiell durch eine Frau herausgefordert wurde. Er sagt es schließlich auch:
SPIEGEL: Aber sie [Merkel] war im Wahlkampf die Gegnerin.
Schröder: War sie es wirklich? Ich hatte doch den wunderbaren Professor aus Heidelberg und den Vorteil, dass man ihn in der CDU sehr schnell fallengelassen hat.
In einfache Worte gekleidet: wäre Merkel eine ER gewesen, dann wäre sie ein Gegner für ihn. Eine Frau kann einen Schröder nicht herausfordern. Für Schröder ist Merkel damit eher zufällig ins Kanzleramt gestolpert, ein Betriebsunfall.
Und dies ist es auch, was die eigentliche Sensation ist. Kein (Alt-) Kanzler vor ihm hat auf seine alten Tage seine Nachfolger derart massiv angegriffen, kein Schmidt und kein Kohl. Und keiner hat auch seine innerparteilichen Gegner, über die letztliche alle Kanzler früher oder später gestolpert sind, so intensiv ins Visier genommen; die nebenbei alle Frauen waren.

Schröder hatte damit seinen letzten grossen Auftritt. Nur für kurze Zeit dominierte er noch einmal die Medien und damit ist es dann auch vorbei gewesen. Ob dies nun stillos war oder nicht bleibt dabei nebensächlich.

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