Monday, October 02, 2006

Lula und die 40 Räuber


Auch Brasilien hat gewählt. Und Lula hat verloren.

Der ehemalige Arbeiterführer muss in die Stichwahl und nach seinem glanzvollen Sieg 2002 nun das demütigende Gefühl einer Wahlniederlage erleben. Offenbar kommt in einer Demokratie keine Regierung ohne Korruption aus und schon gleich gar nicht in Lateinamerika. Lula war eigentlich mit dem Versprechen angetreten, nach der Korruption seiner zahlreichen bürgerlichen Amtsvorgänger aufzuräumen: mit sozialer Ungerechtigkeit, mit einem desolaten Gesundheits- und Bildungswesen und der in den Großstädten grasierenden Umweltverschmutzung. Die "300 Gauner" im Parlament in Brasilia wollte er rausschmeisen.
Und so sehr Lula auch gekämpft hat, Korruption scheint die allgegenwärtige Krake zu sein die so viele Politiker umgarnt. Niemand wirft ihm vor, sich selber bereichert zu haben. Aber er hat den Fehler begangen, seine Hofschranzen nicht unter Kontrolle zu bringen. Der letzten Fernsehdebatte ist er deshalb gleich ganz ferngeblieben.

Lula hatte dabei nicht nur seine bürgerlichen Gegner gegen sich, sondern in der früheren PT-Genossin Heloisa Helena eine Kandidatin, die das Klientel der PT auffing. Sie erntete die Stimmen der PT-Anhänger, denen Lulas pragmatischer Wirtschaftskurs zu weit ging und zu wenig den Idealen der PT entsprach. Lula, zum Machiavellisten durch und durch geworden, wird auf diese Stimmen nicht zählen können - Helena verweigert ihm nach dem ersten Wahlgang die Wahlempfehlung und nimmt so bewußt in Kauf, dass im Zweifel "Chuchu" und früherer Gouverneur von Sao Paulo Alckmin die Stichwahlen gewinnt.
Das pikante dabei: Alckmins will Lula mit einer "Allianz der Moral" aus dem Amt fegen und hat innerhalb von zwei Wochen den Abstand beider Kandidaten von 20 auf 7 Prozentpunkte verringert. Genau jene Argumente also, die Lula vier Jahre zuvor selbst herangezogen hat.

Was aber zeigt das Wahlergebnis ausser der Macht der Korruption noch?
Tatsächlich zeugt das Wahlergebnis von einer zunehmenden politischen und regionalen Kluft zwischen Arm und Reich: Im armen Norden und Nordosten hat Lula die absolute Mehrheit errungen, in einigen Bundesstaaten sogar über 70 Prozent. Die Mittelschicht im höher entwickelten, industrialisierten Südosten und Süden hat dagegen weitgehend für Alckmin gestimmt. "Das Land ist in der Mitte zerrissen", schreibt die Kolumnistin Tereza Cruvinel in der Zeitung "O Globo". In Brasilien bestätigt sich damit ein Trend, der sich auch bei den Wahlen in Mexiko und anderen lateinamerikanischen Ländern abzeichnet: Der Kontinent zerfällt nicht in Linke und Rechte, sondern in Arme und Reiche.


Übrigens hat sich auch unsere Weltexpertin wieder zu Wort gemeldet.
"Im Gegensatz zu anderen, radikaleren Regierungen, die aus dem Linkstrend hervorgegangen sind, verfolgt der brasilianische Präsident einen moderaten Politik- und Wirtschaftskurs und kann damit auch künftig ein verlässlicher Partner sein."
So einfach kann die Welt sein. Dabei ist Lula nach Lesart jener Expertin eigentlich ein lupenreiner Vertreter jenes Linkstrends. Eigentlich sollte es die Weltexpertin lehren, dass in der Regierung so mancher Politiker anfängt, pragmatisch zu denken und auch das eine oder andere etwas voreilige Wahlversprechen anpasst. Und deshalb wäre es auch an der Zeit, dass Expertin ihre vermeintlich guten Ratschläge der Realität anpasst.

Aber die guten Ratschläge haben noch einen zweiten Teil:
"Unabhängig von der außenpolitischen Zusammenarbeit mit der neuen brasilianischen Regierung ist für die Bundesrepublik ein weiterer Punkt entscheidend: Die Bundesregierung muss endlich einsehen, dass Brasilien nicht mehr auf deutsche Entwicklungshilfe angewiesen ist. Eine Volkswirtschaft, die in der Lage ist vorzeitig ihre Schulden beim IWF und bei den Ländern des Pariser Club zu tilgen, braucht keine deutschen Steuergelder."
Da zeigt die Expertin dann wieder, wie viel Expertenwissen sie angehäuft hat. Es geht in der Entwicklungshilfe nicht nur um Schuldentilgung, sondern um Lebensqualitätsverbesserung. Und hätte sich die Weltexpertin mit der Situation befasst, wäre ihr auch aufgefallen, dass Brasilien einen grassen Gegensatz zwischen Arm und Reich, zwischen Luxusvillen und Favelas hat.

Die Aussagen zeigen, dass die Entertainment-Opposition der Realitätssinn abhanden gekommen ist. Sie besaß einmal außenpolitisch scharfsinnige Denker, die Zeiten sind vorbeit. Ideologie regiert die FDP vorbei an den Realitäten und den Wissen um die tatsächlichen Verhältnisse.

2 comments:

Herfried said...

Alles kein Grund, an der diese Länder in Wahrheit niederhaltenden Entwicklungshilfepolitik festzuhalten!

http://www.weltwoche.ch/artikel/?AssetID=12017&CategoryID=73

Swakopmund said...

Entwicklungshilfe ist nichts schlechtes. Allerdings sollte sie gemeinsam mit den Ländern entwickelt werden, nicht ihnen übergestülpt.

Dein Link kann ich übrigens nicht lesen. Schreib ihn doch in zwei Zeilen.