Monday, January 19, 2009

Hessenwahl: Mitregieren der FDP?


In den letzten Tagen und ganz besonders nach dem gestrigen Wahlabend wurde wieder viel über die Mit-Regierung der FDP im Besonderen und den Bundesrat im Allgemeinen diskutiert. Damit rücken auch zwei Themen in das Blickfeld der Öffentlichkeit, die bislang einigermassen verborgen geblieben sind: Worin ist der Wahlerfolgt der FDP begründet und wie schaut es nach der Föderalismusreform mit den Ländern im Gesetzgebungsverfahren des Bundes aus.

FDP: Wahlerfolge nicht aus eigener Kraft
Mit den 16,1 Prozent, die die FDP in Hessen errang, sichert sie das Weiterregieren von Roland Koch. Sie hat damit ihr bestes Wahlergebnis in Hessen errungen - und auch eines der allerbesten in allen Bundesländern überhaupt. Wie bereits in Bayern stellt sich jedoch nunmehr auch in Hessen ganz besonders die Frage, wie dieses Ergebnis erklärbar ist und ob es nachhaltig ist. Vergleiche zu Bayern lassen sich wesentlich mehr ziehen als zu anderen Bundesländern, in denen den FDP Erfolge feierte. Wie in Bayern war auch in Hessen der Ministerpräsident ungeliebt (in Hessen zumindest jedoch geachtet) und wie in Bayern ist die hessische Parteienlandschaft in den letzten Jahren derart ins Wanken geraten, dass sie mit anderen Bundesländern nicht mehr vergleichbar ist.
Sowohl das Ergebnis in Bayern wie in Hessen ist deshalb auch kein Ergebnis aus eigener Stärke, sondern quasi den Umständen geschultet. Zwar ist der hessische Landesverband im Gegensatz zu seinem bayerischen Pendant kampagnen- und politikfähig. Eine Wählerbasis in dieser Grössenordnung besitzt er jedoch in dem traditionell zwischen extrem linker SPD und weit rechts stehender Union schwankenden Bevölkerung nicht. Der Taunus sowie die Gebiete von Frankfurt/Main und Wiesbaden sichern der FDP jedoch eine gesicherte Basis an Wählern, die traditionell eher liberal denken.
Als in Bayern vor vier Monaten die Basis der CSU erodierte, war dies vor allem dem Verlust an Bodenständigkeit der ewigen Regierungspartei geschuldet. Nicht nur Rauchverbot und Schulstreit hatten deren Basis wegbrechen lassen, sondern der über ein Jahr dauernde Prozess des Übergang von Edmund Stoiber zu Günther Beckstein und Erwin Huber. Stoiber hatte mit seinem schmählichen Rückzug aus Berlin 2005 den Stolz seiner Landeskinder verletzt und damit sich selbst enthront - aber den Platz trotzdem nicht freigemacht. Beckstein und Huber hatten noch das Rauchverbot geerbt und konnten in der kurzen Zeit kein Profil gewinnen. Die - temporäre - Stärke der FDP war daher auch der Schwäche der CSU geschuldet. Die bayerische FDP ist bereits seit Jahren nicht mehr politik- und kampagnenfähig und hängt am Tropf der Bundespartei.
Zwar war die Ausgangsbasis in Hessen eine andere, die Wirkungen jedoch wirkten ähnlich. Koch, dies ist selten für einen amtierenden Ministerpräsidenten, erreichte Popularitätswerte, die weit hinter denen seiner Partei lagen. Die rechtspopultische Kampagne gegen den Doppelpass hatte ihm zwar 1999 zur Macht geholfen, 2008 hatte er jedoch über die Strenge geschlagen und sein Land damit auch ein Stück weit in die rechte Ecke gedrückt. Die Landeskinder fühlten sich gedemütigt und straften Koch für eben jenes Verhalten ab. Zwar verkörperte er nun das Bild des treusorgenden Landesvaters, aber der alte Spruch "wer einmal lügt dem glaubt man nicht" gilt hier in abgewandelter Form. Eine Kampagne des Linksblocks aus SPD, Grünen und Linkspartei tat ihr übriges - Koch gewann die Wahl, aber ohne Fortüne. Die Wähler hatten hier auch eine klare Alternative, bei der sie den geachteten Koch behalten und gleichzeitig die Ypsilantis der SPD in die Schranken stellen konnten: Jörg-Uwe Hahn und die FDP. Sie war dem Versuch widerstanden, im Frühjahr 2008 dem werben zu erlegen - und hatte damit erst die Basis für Ypsilantis fatalen Kurs der Selbstzerstörung frei gemacht. Die klare Koalitionsaussage verbot nach dem vergangenen Jahr der FDP auch nur einen Hauch hiervon abzuweichen und war so auch eine Möglichkeit der Wähler, bürgerlich zu wollen ohne CDU zu wählen.
Die FDP ist daher auch in Hessen gut beraten, dass Wahlergebnis in Demut zwar hinzunehmen, jedoch einen dramatischen Verlust bei kommenden Wahlen einzukalkulieren. Koch hat zwar erklärt, der Versuchung Berlin im Herbst widerstehen zu wollen. Eine vierte Amtszeit wird ihm jedoch nicht vergönnt sein und den besten Dienst für seine Partei leistet er durch den Aufbau eines Nachfolgers. Die Karten werden damit neu gemischt und die FDP wird die erste Kraft sein, die Federn lassen muss (und damit wieder wohl gemeinsam mit den Grünen stehen!).

Bundesrat
Mit der Hessenwahl ging auch die Mehrheit der Grossen Koalition in der zweiten Gesetzgebungskammer endgültig über den Jordan. Alle Blicke richteten sich auf die FDP, nur ist sie nicht der einzigste Partner, der für eine zukünftige Mehrheitsbeschaffung in Frage kommt und ganz sicher wird sie nicht der willfährigste sein. Dies unterscheidet sie von ihrem bayerischen Fortsatz. Zu stark legt Guido Westerwelle Wert auf Programmtreue, auch im den Willens des Scheiterns der Regierungsverantwortung. Mit Bremen und Hamburg - immerhin zusammen eine Stimme mehr als das schwarz-gelbe Hessen - besitzen auch die Grünen ein neues Gewicht in der Länderkammer. Stimmen, die eine Koalition in Berlin schon allein deshalb nicht aus den Augen verlieren wird, weil die ewige Ökopartei dort sowohl mit Rot (Bremen) wie mit Schwarz (Hamburg) regiert.
Auch wenn Angela Merkel ihren Freund Guido Westerwelle als präferierten Partner nach den Bundestagswahlen im Herbst ins Auge gefasst hat, hat sie auch tatkräftig Ole von Beusts Bemühungen um die erste schwarz-grüne Regierung gefördert. In der Union steht sie für eine neue Linie im Verhältnis zu den Grünen und ist gewillt, die alten Koalitionsmuster aufzubrechen. Auch wenn es nach den derzeitigen Umfragen noch nicht für eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene ausreicht - abgesehen von den persönlichen Protagonisten der Akteure -, so steht Hamburg für eine strategische Öffnung mit langfristigen Folgen auch für die Bundesebene. Merkel - die SPD sowieso - könnte daher gewillt sein, anstatt mit der FDP einen Pakt mit den Grünen für das nächste halbe Jahr zu schmieden und so ihre Regierungsfähigkeit zu sichern.
Dabei spielen auch zwei andere Gesichtspunkte eine entscheidende Rolle
  1. Die Grünen haben sich für die Bundespräsidentenwahl noch nicht definitiv festgelegt und die bürgerliche Mehrheit in der Bundesversammlung ist derzeit noch nicht voll gesichert. Zwar steht ihnen Gesine Schwan etwas näher als Horst Köhler, der als früherer Finanzstaatssekretär immer noch ein Feindbild für die Fundamentalisten bei den Grünen abgibt. Die Realos, einschliesslich Jürgen Trittin, bestimmen jedoch die Politik auf Bundesebene und könnten bei entsprechenden Zusagen gewillt sein, den Unions-/FDP-Kandidaten zu einer Mehrheit zu verhelfen.
  2. Die Umfragen für Union und FDP sehen zwar derzeit eine bürgerliche Koalition vorne. Diese osszilliert jedoch noch zwischen 49 und 51 Prozent. So scheint eine Mehrheit - zumindest der Mandate - sicher, die Zeiten können sich jedoch schnell ändern und die politische Grosswetterlage ist mit Nahost-Konflikt und Wirtschaftsflaute eher unsicher. Eine Zusammenarbeit mit den Grünen und der FDP im Bundesrat - themenabhängig und im Interesse der Kanzlerin - würde so die Option für die "Reise nach Jamaika" offenhalten.
Der erste Blick auf die Mehrheitsverhältnisse in der Länderkammer täuschen eine neue Stärke der FDP vor, die es so nicht gibt.

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