Wednesday, March 05, 2008

"Russland hat keine Marionette gewählt"


Geredet wurde viel in den letzten Monaten über den neuen starken Mann im Kreml, vor allem jedoch als Putins Schosshündschen und Platzhalter. Putin, "lupenreiner Demokrat" nach Gerhard Schröders opider dictum, hat nicht viel dazu beigetragen, diesen Eindruck zu wieder legen. Ein Interesse hatte er daran wohl auch nicht wirklich.

Wer ist Medwedjew
Medwedjew scheint der grosse Unbekannte im Spiel der russischen Macht zu sein. Im Hintergrund hat er die Fäden als juristischer Berater im St. Petersburger Rathaus für Putin und den damaligen Bürgermeister Sobtschak gezogen. Im Hintergrund hat er als Vize-Chef der Kreml-Administration. Verborgen hat er die Fäden als oberster Gazprom-Boss gezogen. Ein eigenes Programm war nicht erkennbar.
Aber war dies seine Aufgabe? Er war angestellter und Berater, kein Politiker aus eigenen Gnaden. Mit dem Antritt zur Wahl als russischer Präsident war dies jedoch anders und dort hat er sein Programm auch sichtbar gemacht: Medwedjew ist Wladimir Putin in neuen Gewändern. Russland wird unter seiner Führung weiter den Weg gehen, alte Macht zurück zu erobern. Russland wird die Energiereserven ausnutzen, diese Aussenpolitik zu untermauern und in den ehemaligen Sowjetrepubliken ebenso zu wildern wie Europa stärker von sich abhängig zu machen. China wird ein bevorzugter Partner bleiben und die Nato - einschließlich den USA - auch künftig die Raketenabwehr in Tschechien und Polen versucht, auszutreiben. Innenpolitisch bleibt es beim Ausbau den Zentralstaates und auch künftig geht der Machterhalt über bürgerliche und Menschenrechte.
Es wird vielleicht hier und da zu einigen innenpolitischen Lockerungen kommen und die Oligarchenherrschaft aufgeweicht. Und sicher: Medwedjew wird noch einmal versuchen, der grassierenden Korruption in dem Riesenreich Einhalt zu gebieten. Ob ihm das gelingt, wird jedoch auch davon abhängen, ob er dies aus eigener Kraft erreichen will oder sich auf die Hilfe des Westens einlassen kann. Dieser wird jedoch nur dann aktiv werden, wenn sich sichtbare Erfolge zeigen und die Einschränkungen der Tätigkeit der Nichtregierungsorganisationen aufgehoben werden.

Medwedjew im russischen System
Putin wird am Tag nach der Vereidigung Ministerpräsident. Soviel steht fest. Das dies jedoch noch nichts heissen muss, hat Putin selbst gezeigt: Als er 2000 zum Jahreswechsel das Amt von seinem Vorgänger Jelzin übernahm, hatte niemand sich ausmalen können, wie schnell die Jelzin-Ära in Russland beendet sein werde. Putin verabschiedete zwar Jelzin mit einem warmen Händedruck, dass Reinemachen im Kreml und der gesamten russischen Staatsverwaltung ging jedoch ebenso schnell. Heute haben die Kinder und Ziehkinder des einstigen Patriarchen nichts mehr zu sagen und Putin hat so die Möglichkeiten genutzt, die ihm das Amt bot.
Auch wenn Putin Ministerpräsident wird, könnte ihm rasch ein ähnliches Schicksal drohen. Der Machtapparat, der bisher auf ihn zugeschnitten war, wird sich rasch dem neuen Hausherrn zuwenden und der heisst Medwedjew. Er vergibt die Posten und selbst Putin ist nur ein Ministerpräsident von Dimitris Gnaden. Der Zar auf Zeit hat damit jedoch auch die Medienaufmerksamkeit, die für sein Amt notwendig ist und sollte Putin diese stören, muss sich der neue Präsident überlegen, wie lange er dieses Spiel tolerieren kann und will. Mit dem Anspruch einer eigenen Präsidentschaft lässt sich nur schwer das Reinreden aus dem Weißen Haus verbinden und so ist der neue Amtsstuhl Putins hochgradig gefährdet.

Ausgemacht ist daher nichts, wie es in Russland weitergeht. Die Wahlen waren nicht frei, die Zukunft bleibt jedoch ebenso unklar. Der Morgennebel auf der Moskwa lässt grüssen.



=> Russische Pressekommentare zur Wahl

No comments: