Wednesday, March 05, 2008

"Bitte warten, deutschlandweit"


Als im vergangenen Jahr der vermeintliche Lokführer-Arbeiterführer Manfred Schell mal eben die Republik mit einem Streik terrorisierte und sich flugs in die Kur verabschiedete, dachten alle: schlimmer kann es nicht kommen. Das dies dann doch noch möglich ist, wurde diese Woche deutlich, denn auch bei verdis's stehen die Zeichen auf Streik und eine erste Kostprobe haben sie auch schon gezeigt: über 300 Flüge musste allein die Deutsche Lufthansa annulieren, weil Gepäckbelader, Feuerwehren und sonstiges Personal an deutschen Flughäfen den Aufstand probt. Man hatte sich die GDL zum Vorbild genommen und die Verkehrswege blockiert.
Aber auch dies könnte nur der Anfang sein von einem Schauspiel, bei dem es in einigen Tagen bereits heisst: nix geht mehr. Diesmal würde nix aber auch wirklich nix heissen. Denn in den verdi-Tarifkonflikt um den öffentlichen Dienst sind nicht nur das Flughafenpersonal eingeschlossen, sondern auch Bus- und Straßenbahnfahrer und auch die Damen und Herren im Cockpit der U-Bahnen.

Zwischenzeitlich hatte auch GDL-Chef Manfred Schell wieder Sehnsucht nach ein wenig Publicity, zu ruhig war es geworden und der anstehende Ausstand seinerselbst in diesem Frühjahr sollte zünftig gefeiert werden. Schell hatte sich daher aufgemacht, den Verhandlungstisch mit der Bahn zu verlassen. Aber was war geschehen, was den Herrn der mit niemand redet ausser mit sich selber, so in Rache brachte. Die Bahn hatte verlangt, was vereinbart war: die drei Bahn-Gewerkschaften sollten sich doch bitte darauf verständigen, wer für wen spricht und verhandelt. Der Lokführertarifvertrag war ausgehandelt, nur sollte Choleriker Schell sich auch mit Transnet und GDBA abstimmen. „Das werden wir nicht akzeptieren.“ Für Schell scheinen die Kollegen Gewerkschaftsführer so etwas wie aussätzige zu sein.
Bahnchef möchte man in diesen Zeiten wirklich nicht sein, denn nun haben auch Transnet-Boss Hansen und GDBA-Führer Hummel angekündigt, dass sie auch an einem Aufstand interessiert sind: „Wir möchten Ihnen hiermit aus Sicht der Transnet und der GDBA mitteilen, dass ... unsererseits keine Bereitschaft mehr besteht, einen Vorrang der GDL für lokführerspezifische Themen zu akzeptieren und damit eine Tarifbindung des GDL-Tarifvertrages für unsere Mitglieder hinzunehmen.“ (Schreiben an Bahnchef Mehdorn vom 5.3.2008)
Am Montag will nun die GDL mal wieder zeigen, wer Herr im Staate Deutschland ist: "Für uns steht das bombenfest, dass wir Montag beginnen.“ Die Räder sollen still stehen, die Wirtschaft mal eben um ein paar Millionen geprellt werden. Und hört die GDL auf, geht es mit Transnet / GDBA munter weiter und dann ist die GDL wieder an der Reihe.
Das Problem dabei: selbst wenn Schell sich zukünftig um seine Enkel als liebender Großvater mit Werthers Echten kümmern würde, wäre die Lage nur minimal anders, denn sein Vize Weselsky ist nicht wirklich eine Alternative.
Anders offenbar die GDL-Mitglieder, die langsam aber sicher den Kanal voll haben und endlich mehr Geld sehen wollen:
Einem Bericht der „Bild“-Zeitung zufolge wächst dort jedoch der Widerstand gegen den Streik. Viele Lokführer seien unzufrieden, weil die sicher geglaubte Gehaltserhöhung von insgesamt elf Prozent wieder auf der Kippe stehe. Unwahrscheinlich sei zudem, dass sich die Zugbegleiter an dem neuen Ausstand beteiligten. Der ausgehandelte Tarifvertrag soll nur für Lokführer und nicht für Begleitpersonal gelten.
(welt.de, 5.3.2008)
Aber selbst wenn die Basis Schell noch zur Vernunft bringt, beginnen in Deutschland lustige Tage. Eine Lösung im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes ist nicht in Sicht und so könnte es bald heissen: Deutschland abgeschnitten. Nicht mehr aus der Luft erreichbar, der Nahverkehr steht still und auch die Bahn hat den Betrieb eingestellt. Tritt jetzt noch die Telekom in den Ausstand, dürfte schnell auch das Ende des Informationszeitalters in Deutschland angebrochen sein. Und das diese Drohung nicht aus der hohlen Hand gegriffen ist, machte verdi-Boss Bsirske deutlich:
"Entweder die öffentlichen Arbeitgeber legen ein Angebot mit deutlicher Lohnerhöhung und ohne Arbeitszeitverlängerung vor, oder wir zeigen denen unsere Kraft"
(ftd.de, 5.3.2008)
Man darf sich freuen, Karneval wird wieder aufgerufen.

Kleine Staugalerie
Flugausfälle in München: Der Arbeitskampf zeigt Wirkung

Leere Schienen, volle Straßen: Wegen des BVG-Streiks bildeten sich in Berlin Staus, das absolute Verkehrschaos blieb jedoch aus.

Warnstreik am Frankfurter Flughafen: Ver.di lässt rund 2000 Mitglieder aufmarschieren.

Stillstand auch in Köln-Bonn: Hier legten die Beschäftigten an den Gepäckförderanlagen die Arbeit nieder.

Streik-Chaos auch in Berlin: Wegen eines unbefristeten Streiks bei den Verkehrsbetrieben BVG bleiben Busse und U-Bahnen in den Depots.

Flughafen Hamburg: Viele Flüge wurden gestrichen, Passagiere mussten lange warten, Geschäftsleute waren erbost.

Wenig Aufwand, großer Erfolg: In Stuttgart haben 120 Streikende gereicht, um den Flughafenbetrieb massiv zu behindern.

Warnstreik am Frankfurter Flughafen: Ver.di lässt rund 2000 Mitglieder aufmarschieren.

Acht Prozent mehr Lohn: Das ist die Forderung der Gewerkschaft. Die Arbeitgeber des Öffentlichen Dienstes bieten nur fünf Prozent - und das bei einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit.

In Frankfurt geht nichts mehr: Betroffen sind vor allem Inlandsflüge - auch deshalb, weil an den meisten anderen deutschen Flughäfen ebenfalls gestreikt wird.

Die Passagiere müssen warten: Die Lufthansa hat vorsorglich 142 Flüge gestrichen.

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