Sunday, July 22, 2007

An der Hohen Pforte angeklopft


Als Istanbul noch Konstantinobel hieß und Sitz des Sultans des Osmanischen Reiches war es Teil der europäischen Großmachtpolitik. Heute ist Istanbul nicht mehr die Hauptstadt eines islamischen Großreiches, sondern "nur" noch die größte Stadt und Wirtschaftsmetropole der Türkei. Die Stadt am Bosporus ist das Einfallstor in die Türkei und die weltweit einzigste auf zwei Kontinenten.
Dennoch achtet die Welt darauf, was hier gewählt wird oder eigentlich auch, was in der Türkei insgesamt entschieden wird.

Am 22. Juli 2007 war es wieder soweit und die Türken schritten zur Wahl. Ungewöhnlich waren jedoch die Umstände dieser vorgezogenen Neuwahlen, denn nicht die Regierung war auseinandergefallen, sondern das Militär hatte offen gedroht. Es ist richtig, dass die AKP Erdogans eine Partei mit einer Prägung im Islam ist, nichts anderes übrigens als die deutschen Unionsparteien mit einer tiefen Verankerung im Christentum. Aber: Erdogan und die AKP haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sie gerade keine Fundamentalisten sind und einen Gottesstaat aufzubauen gedenken. Zu bekannt ist ihnen, dass ihnen hierfür die Zustimmung in der Bevölkerung fehlt.
Aber sie haben einiges geleistet: die Kurden-Problematik wurde weitgehend entschärft, wenn auch noch nicht geläst. Abdullah Öczalan sitzt in Haft und die Todesstrafe wurde im Interesse der europäischen Integration abgeschafft. Der Weg der Türkei nach Europa ist seitens der Pforte von Istanbul weit geöffnet und es liegt nun an Europa, dem Land am Bosporus eine Perspektive zu öffnen. Die Wirtschaft floriert und die Inflation ist eingedämmt.
Was die AKP nun im Frühjahr wollte ist einen der ihren zum Staatspräsidenten wählen zu lassen. Die konservative CHP - lange Jahre die politische Kraft der Türkei - hatte dies auf parlamentarischem Weg verhindert und das Militär gedroht: die Säkularität ist heilig und die Militärs werden sie zu verteidigen wissen. Das es da nichts zu verteidigen gibt, haben sie jedoch nicht erkannt.

Erdogan hat nun einen überragenden Wahlsieg eingefahren. Die Zweidrittelmehrheit erreichte er im Wohle der Demokratie nicht und so ist ihm die eigenmächtige Verfassungsänderung auch weiterhin verbaut. Aber seine Macht wurde gegenüber dem Militär deutlich gestärkt und vielleicht wird die Türkei in Zukunft auch dahingehend ein normales Land, dass nicht das Militär die Politik am Neujahr empfängt, sondern die Politik die Geselschaft und das Militär.
Und es hat sich noch etwas gezeigt: will Europa die Türkei als Partner nicht verlieren, so ist die AKP hier Partner. Die CHP ist von ihrem alten Kurs abgewichen und eine nationalistische Gruppierung geworden. Ein Europa ist mir ihr - der Partei Mustafa Kemal Atatürks - nicht mehr zu machen.

No comments: