Saturday, May 13, 2006

Nichts neues aus der Entertainment-Ecke


Ganz Deutschland wird von einer großen Koalition beherrscht. Ganz Deutschland? Nein, in der Berliner Reinhardstraße verteidigt ein kleines liberales Dorf die Freiheit

Guido Westerwelle bekannte sich, dass der Vergleich der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wenige Tage vor dem Rostocker Parteitag im gefiel. Als Chef einer Entertainment-Opposition ist der Vergleich von David gegen Golliath gut zu verkaufen. Inhalt steht dahinter selbst noch nicht.

Viel ist der liberale Shooting Star dafür gerügt worden, dass er nach der Bundestagswahl Wolfgang Gerhardt auf das Altenteil abgeschoben hat und auch den Fraktionsvorsitz übernehmen wollte. In einem politischen System wie dem deutschen ist dies jedoch so kritikwürdig wiederum nicht. Nicht nur Angela Merkel hat dies drei Jahre zuvor getan, sondern in der Geschichte unter anderem auch Rudolf Scharping. Erstere wurde wenig später erste deutsche Bundeskanzlerin und übt dieses Amt seit einem halben Jahr mit einigem Glück erfolgreich aus. Letzterer wurde schließlich ebenso beiseite geschoben. Guido Westerwelle hatte also bei seinem ersten Auftritt als Partei- und Fraktionsvorsitzender zwei Pole vor Augen, zwischen denen sich seine Zukunft abspielen wird.
Die Rede wurde daher durchaus mit einiger Beachtung erwartet. Kommt etwas neues? Man kann es gleich sagen: die Rede brachte nichts neues. Seit der Verabschiedung der Liberalen Grundsätze 1997 in Wiesbaden ist Guido Westerwelle nicht nur programmatisch stehen geblieben, sondern auch in seinen rhetorischen Versatzstücken. Fragen der Steuersenkung, der Entbürokratisierung der Wirtschaft, des Sozialstaates, der bürgerlichen Freiheiten oder Europas liegen seit her ziemlich brach und harren auf eine inhaltliche Ausgestaltung und Weiterentwicklung. Selbst das Leitthema des Parteitag, die Umweltpolitik, kann als alte Kamelle beschrieben werden. Denn was die Partei hier verkauft ist im Kern bereits seit Jahren Programmatik des liberalen Jugendverbandes.

In den vergangenen zehn Jahren ist jedoch jede Menge passiert: der Sozialstaat wurde umgebaut, Bürokratieabbau betrieben, der 11. September 2001 hat massive Veränderungen in der Sicherheits- und Bürgerrechtsarchitektur hervorgebracht und die Rolle Deutschlands im internationalen Bereich hat sich grundlegend gewandelt. Die Wiesbadener Grundsätze können von der Natur der Sache als langfristig angelegtes Grundsatzprogramm keine tagesaktuelle Ausgestaltung geben und deshalb wäre es erforderlich, dass die Programmatik der FDP weiter entwickelt wird.
Bereits Westerwelles Reden sind jedoch austauschbar: Hast Du eine gehört, hast Du alle gehört. Mal fließt eine Annektote neu mit ein und eine andere verschwindet. Bei der heutigen Rede war dies:
Wenn man Frau von der Leyen reden hört, hat man den Eindruck, dass der Bundesadler demnächst durch den Storch ersetzt werden soll.

Inhaltlich bleibt Westerwelle jedoch im Wagen. Zwar werden die Steuererhöhungspläne kritisiert, aber es fehlt an einem umfassenden Konzept, wie die Staatsausgaben gesenkt werden sollen. Zwar wird die fehlende Gesundheitsreform kritisiert, aber im Zweifel verweigert sich die "liberale" Führung bei Einschnitten für die Apotheker und hat auch kein nachvollziehbares Konzept einer Gesundheitsreform. Zwar wird der "Bildungsnotstand" kritisiert, aber wirkliche Autonomie der Bundesländer will man auch nicht zulassen.

Es wäre an der Zeit, dass eine neue programmatische Diskussion die FDP erfasst. Ob dies mit oder ohne Westerwelle geschieht, ist erst einmal zweitrangig. Den Kern des Problems hat eine andere große deutsche Tageszeitung aus München treffend vor Jahren beschrieben:
In der FDP-Führung, die wegen ihres geringen Personals nun schon seit Jahren sehr eng aufeinander sitzt, ist ja inzwischen jeder mit jedem verfeindet, hat fast jeder mit einem anderen schlechte Erfahrungen gemacht - Lambsdorff mit Genscher, Schwaetzer mit Kinkel, alle mit Möllemann, Möllemann mit allen.

Der Kreis ist nicht mehr der selbe. Westerwelle hat zwar damals - als Generalsekretär - schon mitgemischt hat, war aber noch nicht groß genug. Übrig geblieben ist er als Einzigster, der Kern des Problems des mangelnden personellen Angebots ist jedoch geblieben. Aber Westerwelle selbst hat sich gewandelt. Früher war er einmal ein grandioser Rhetoriker und und glänzender Programmatiker. Heute ist er nur noch ein Rhetoriker, der sich aus der eigenen Mottenkiste bedient und dessen Partei das Entertainment so verinnerlicht hat, dass programmtisch neues nicht mehr hochkommt.

Hier hat die FDP sich in ihrer Opposition nicht personell und inhaltlich erneuert, sondern ist in alt Bekanntem und Veraltetem stehen geblieben. Und deshalb wäre es Zeit, dass nicht mehr Gudio gegen den Rest der Welt kämpft, sondern tragfähige Antworten für die Welt findet. Nicht als One Man Show, sondern als Diskussionsleiter.

No comments: