Monday, May 29, 2006

Liberal heißt auch kritisch sein


Es ist schon erstaunlich, wie schnell sich die Argumentation an dieser Stelle als richtig heraustellt. Erst vor wenigen Tagen hatte ich auf "Expertentum" von Abgeordnetinnen der liberalen Fraktion hingewiesen. Das dies kein Einzelfall ist und der wohl nicht mehr ganz so liberalen FDP doch der liberale programmatische fundierte Grundton abhanden gekommen ist, hat sich nun sehr rasch gezeigt. Die Entertainment-Oppositionspartei des Entertainment-Oppositionsführers hat gezeigt, dass sie auch eine Entertainment-Jugendorganisation besitzt. Liberale Werte bleiben da manchmal auf der Strecke.

An dieser Stelle muss man sich die Worte aus einem Blog auf der Zunge zergehen lassen:
Was eint die Liberalen und Libertären Blogger, die ich in meiner Blogroll verlinke? Das Bekenntnis zur Marktwirtschaft, der Ruf nach einem schlanken Staat, ein fortschrittliches Gesellschaftsbild und die Würde des Menschen als Leitmotiv ihres politischen Denkens und Handelns. Aus den letztgenannten beiden Punkten leitet sich wiederum – notwendigerweise, wie ich behaupte - eine Solidarität mit Israel und den Vereinigten Staaten im Kampf gegen Islamofaschisten und Diktatoren aller Couleur ab. Diese als „prowestlich“ zu bezeichnende Haltung hat innerhalb der Blogosphäre zu einer relativ engen Verbindung zwischen Liberalen und Konservativen Bloggern geführt.


Da gibt es eine Partei, die einmal liberale Werte vertreten hat und die für die Außenpolitik mit Hans-Dietrich Genscher, Klaus Kinkel und Walter Scheel die besten deutschen Außenminister der Nachkriegszeit, deren Ursprünge mit Gustav Stresemann den wichtigsten Außenminister der Weimarer Republik hervorgebracht hat. Diese Partei hat so hervorragende Denke wie Ralf Dahrendorf hervorgebracht. Und dann wird ein Bild eines unkritischen und unter allen Umständen Israel bejubelnden, schwarz-weiß malenden Politikverständnis aus dieser Partei heraus propagiert.
Solidarität mit Israel ist eine Selbstverständlichkeit, wie mit jedem anderen Land auch. Das Existenzrecht Israels ist unbestreitbar und kann auch von niemand in Frage gestellt werden. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Israels Staatsspitze - und auch Ariel Sharon - auf massivste Weise gegen internationale Grundsätze verstoßen haben. Staatsterrorismus, Kriegsführung gegen Unschuldige, Sippenhaft waren zu keiner Zeit Instrumente, für der Liberalismus eingetreten ist. Genscher hat nicht umsonst in seinen Memoiren zur Situation 1990/91 geschrieben:
Wir Deutsche trugen gerade für die Sicherheit Israels eine besondere Verantwortung. Dort wurden verständliche Forderungen nach einem Gegenschlag zur Zerstörung ... laut, aber die Regierung in Jerusalem ließ sich nicht provozieren. Diese verantwortungsbemußte, außerordentlich beherrschte Einstellung der israelischen Führung und Bevölkerung verdiente unser aller Respekt ...


Was damals richtig war, kann heute nicht falsch sein. Die "Freiheit für Einsteiger" beginnt damit genau dort, wo die Freiheit anderer aufhört. Freiheit ist hier weit gefasst und umfasst zu förderst die Freiheit zu Leben und die Freiheit einer rechtsstaatlichen Aufarbeitung von Attentaten. Dies heißt, dass liberale Werte auch für Israel gelten. Israel kann und darf keine unkritische Haltung erwarten, egal von wem und egal zu welcher Zeit.
Und deshalb ist die Gleichsetzerei dieses vermeintlich liberalen Bloggers auch gefährlich. Sie ist zudem sachlich falsch, da gerade in der Israel-Politik zwischen allen demokratischen Parteien und der Zivilgesellschaft eine überwältigende Einigkeit bestand und besteht und kritische Anmerkungen nichts mit einer vermeintlich "linken Medienlandschaft" zu tun hat. Selbst wenn der Außenminister Joseph Fischer nicht der beste war, hier hat er einen innerdeutschen Konsens vertreten. Auch die gut-bürgerliche Frankfurter Allgemeine Zeitung jubelt Israel nicht hoch, sondern stellt in kritischer Distanz durchaus die Punkte heraus, die die israelische Politik angreifbar machen.
Es scheint jedoch ein Reflex von vermeintlich liberalen Politikern zu sein, alles sofort mit "links" zu behaften, was ihnen in ihrer unreflektierten Haltung nicht ins Konzept passt.
Schade um die Partei ...

6 comments:

msh said...

Was, werter Torsten, liest du aus dem Zitat aus Genschers Memoiren heraus, was dem Zitat aus meinem Weblog widersprechen sollte?!? Der Sinn deines Beitrags bleibt mir verborgen.

PS: Fischer, so unsympathisch er mir auch sein mag, war grade was Israel und den nahen Osten angeht ein herausragend guter Außenminister.

Swakopmund said...

Das neuerdings sogar die Verständnisfähigkeit abnimmt ... aber ums auch MSH deutlich zu machen: das neuerdings eine unkritische Haltung und Staatsterrorismus liberal seien sollten, wäre neu ...

msh said...

Die Frage ist nicht beantwortet, sorry Torsten: Wo in dem von dir zitierten Beitrag von mir findet sich ein Satz, der mit der Aussage von Genscher unvereinbar wäre?

Swakopmund said...

Also ... ich denke, so unwissend wie Du hier Dich gibst, bist Du dann doch nicht. Du weisst ziemlich genau, was gemeint ist und wie Du das Zitat einzuordnen hast.

msh said...

Na von mir aus, wenn du lieber mit Andeutungen spielst anstatt konkret aufzuzeigen, was du warum aus meinem Zitat herausliest und inwiefern es Genscher widerspricht, dann nur zu.

msh said...

Auch hier (Thema Genscher/Außenpolitik) bricht die Diskussion abrupt ab, nachdem ich dir (wiederholt) eine konkrete Frage gestellt habe. Ich hoffe du nimmst es mir nich übel, dass ich dich darauf hinweise.