Saturday, April 12, 2008

Nato's Familienprobleme


Wenn sich die Amtszeit eines U.S.-Präsidenten dem Ende nähert, gehen regelmässig zwei Entwicklung mit diesem Niedergang einher: Der Amtsinhaber wird zur lame duck, da sich bereits alle in Politik, Medien und Gesellschaft auf den kommenden Präsidenten (oder die kommende Präsidentin) konzentrieren. Und der Amtsinhaber ist darum bemüht, seinen Platz in den Geschichtsbüchern zu finden.
Bei George W. Bush ist die Situation wieder einmal eine besondere: er hat keinen natürlichen Nachfolger, da sich weder er selbst noch sein Vizepräsident zur Wiederwahl stellt. Der Nachfolger steht daher noch offen, Bush jun. ist jedoch bereits seit längerem zur lame duck geworden. Und Bush jun. ist besitzt sowohl im eigenen Land wie global Unbeliebtheitswerte, wie sie bisher einmalig sein dürften. Gerade deshalb ist er bemüht, sein Geschichtsbild so aufzupolieren, dass er nicht als Kriegspräsident eines verlorenen Krieges in die Geschichtsbücher eingeht.

Osteuropa und die Neumitglieder
Auf dem NATO-Gipfel in Bucarest hat er wohl auch deshalb noch einmal versucht, ein Zeichen zu setzen: Raktenpläne und Osterweiterung. War die Aufnahme von Albanien und Kroatien reine Formsache, zeichnete sich im Mazedonien-Konflikt Streit mit Griechenland ab. Die USA wollten - oder konnten - sich hier nicht wirklich eindeutig positionieren und wie andere Mitgliedsstaaten versuchten sie im Hintergrund in dem teils bizarren Namensstreit vermitteln.
Interessanter wurde die Sache jedoch bei den beiden Neuaspiranten Ukraine und Georgien. Beide Länder sind bis heute geprägt von tiefen inneren Konflikten, die sich massiv auf die Stabilität des politischen Systems insgesamt auswirken. Die Ukraine ist geprägt von einem - derzeit friedlichen - Gegensatz zwischen den ethnischen Russen im Osten und den ethnischen Ukrainern im Westen des Landes. Die fast namensgleichen Juschtschenko und Janukowitsch haben sich noch vor wenigen Jahren einen erbitterten Präsidentschaftswahlkampf geliefert, die gernau an diesen ethnischen Linien entlang lief. Und bis heute sind die Konflikte nicht gelöst, sondern eher übertünscht.
Während in der Ukraine die Auseinandersetzung noch mit friedlichen Mitteln stattfindet, sind die Verhältnisse im kaukasischen Georgien noch komplizierter. Abchasien und Süd-Ossetien haben sich faktisch von Georgien abgespalten und ein eigenes politisches System entwickelt. Tiflis will dies nicht akzeptieren und wird hier von der internationalen Gemeinschaft - mit Ausnahme Russlands - auch unterstützt. Zwar sind die Konflikte derzeit "erkaltet". Aber niemand kann und will eine Garantie dafür abgeben, dass diese Konflikte rasch wieder aufleben. Nicht umsonst galt bisher der eherne Grundsatz, Länder mit ungelösten Territorialkonflikten nicht aufzunehmen.
Bush jun. hat dies nur wenig interessiert, obwohl die Nichtaufnahme gar nicht auf einem Konflikt mit dem gegen die Aufnahme protestierenden Russland in Zusammenhang zu bringen ist. Russland hat auch gegen die Aufnahme der baltischen Staaten und Osteuropas insgesamt in die NATO-Strukturen immer wieder Protest angemeldet und sich schließlich doch damit abgefunden, dass das Bündnis vor seiner "Haustür" einzieht. Die Kreml-Herren Wladimir Putin und Dimitri Medwedew hätten auch diese Kröte geschluckt, da sie gemerkt haben, dass kein (militärischer) Gegner hier Platz nimmt, sondern ein Partner, mit dem man im NATO-Russland-Rat auf das engste verbunden ist - und bei dem Russland faktisch sogar Mitglied ist.
Es waren die Sachzusammenhänge, die Angela Merkel und die europäischen Partner davon abhielten, sich schnell ins warme umschlagenden Konflikt ins eigene Haus zu holen. Rasch könnte sich der Bündnisfall realisieren, wenn auch nur ein russischer Soldat im Kampf um Abchasien und Süd-Ossetien, aber eben auch um das Militärrecht auf der Krim den Fuss auf dann NATO-Boden setzen würde. Natürlich würde dann über UN- und OSZE-Prozesse eine Beistandsverpflichtung erwachsen, die Qualität wäre jedoch eine andere. Aber es stünden sich nicht automatisch NATO- und russische Truppen gegenüber, der Konflikt könnte auch anders ausgetragen werden.


Afghanistan im Bündnisfall
Anders als im Iraq ist der ISAF-Einsatz ein NATO-Einsatz und gleicht hier dem im Kosovo in vielen Punkten sehr stark. Bereits im Vorfeld wurde seitens der USA an die Deutschen die Erwartung gerichtet, dass sie sich stärker auch im Süden engagieren - quasi in der heißen Kampfzone des battlefield. Die Empörung von links bis rechts des Plenarsaals im Berliner Reichstag war ebenso zu erwarten wie sie falsch ist, geben sie doch dem alten Sprichwort - "Die Bundeswehr ist dazu da, den Feind an der Grenze so lange aufzuhalten, bis richtiges Militär kommt." - ein um das andere Mal Recht. Sicher, zwischenzeitlich ist auch die Nordzone keine Gegend für Rucksacktouristen mehr, haben doch auch hier die Taliban zwischenzeitlich ihr zwar erschwerlicheres, aber dennoch genügsames Auskommen.
Dennoch scheint die Zurückweisung eben gerade nicht vor dem Hintergrund, denkt man nur an die Debatte der Grünen in bester Pazifisten-Tradition, die sich weigerten, die Bilder der Luftaufklärung des USA und anderen Verbündeten zur Verfügung zu stellen. Es ist noch immer nicht in den Köpfen der deutschen Politik angekommen, dass man nicht einerseits einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat (was wiederum inhaltlich falsch ist) fordern und sich andererseits in die gemütliche Stube zurückziehen kann, während andere vor der Türe bei Schneesturm für ein einigermaßen geräumten Gehweg sorgen. Die Bundeswehr ist nur noch auf dem Papier eine Verteidigungsarmee, in der Realität jedoch eine Kampfgruppe, die weltweit im Einsatz ist. Nicht zu Eroberungszwecken, sondern im Auftrag der United Nations zum Schutz und Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit. Dies bedeutet auch, dass man in Kämpfe verwickelt wird und dies bedeutet tragischer Weise auch, dass man die Bevölkerung auf Verluste vorbereiten muss.
Es bedeutet aber vor allem, dass die Bundeswehr besser ausgerüstet und ausgebildet werden muss. Dies ist keine pure Frage der Politik, sondern dient gerade auch dem Schutz der Soldaten, die das Vaterland in den Einsatz schickt - zur Verteidigung Deutschlands am Hindukusch. Erst wenn eine große Nation wie Deutschland sie sein will bereit ist, ihre Verantwortung in vollem Umfang zu übernehmen, wird es hier gestattet sein, auch in der Sicherheitspolitik in der ersten Reihe mitzudiskutieren. Zu Recht verbitten sich derzeit noch die USA, Grossbritannien und Frankreich die eine oder andere Belehrung der Berliner Oberlehrerschaft.

Deutsche Reflexe
Bände spricht der Kommentar von Rolf-Dieter Kraus in den tagesthemen vom 2. April 2008 zum NATO-Gipfel, wie die deutschen Befindlichkeiten und reflexartigen Verhalten.
Ein Staatenbündnis wie die NATO braucht Gemeinsamkeiten. Gemeinsame Überzeugungen, eine mindestens ähnliche Art mit Problemen umzugehen, auch Rücksicht und Verständnis für einander. Erst das schafft den Zusammenhalt, ohne den kein Bündnis funktionieren kann.
So gesehen sind jetzt in Bukarest einige Leute dabei, die sich in den vergangenen Jahren nach Kräften bemüht haben, die NATO zu schädigen. Wie etwa, befeuert von Washington, die NATO-Truppen in Afghanistan in deutsche Kuchenesser und tapfere angelsächsische Kämpfer unterteilt wurden, das war in der Sache falsch, in der Form unanständig. Es war aber vor allem dumm, weil dieses öffentliche Vorführen von Partnern am Zusammenhalt der Partner nagt.
Ähnliches hätte auch die Ausdehnung der NATO nach Osten bewirkt. Nehmen wir einmal Georgien. Wenn dessen Gebietskonflikte wieder aufflammen, dann stehen auf der anderen Seite sehr schnell russische Truppen. Würde irgendjemand in der NATO-Soldaten gegen russische Truppen stellen, um Südossetien oder Abchasien zu retten? Wohl nicht. Aber das Vertrauen in den beistand der Partner wäre ein für alle Mal zerstört.
Muss man die NATO in eine solche Lage bringen?
George Bush hat all das betrieben. Aber er hat mit der ihm eigenen strategischen Brillanz genug Katastrophen angerichtet. Weil einige Europäer, leider nicht alle, dagegen halten, wird es in Bukarest gelingen, die NATO nicht weiter zu schwächen. Um ihre Stärkung geht es erst im nächsten Jahr. Um eine neue Strategie, einen neuen Zusammenhalt und mit einem neuen Präsidenten. Schwer genug wird auch das.

Der Kommentar trieft nur so von Reflexen, die das Thema zwar ansprechen, an der Sache aber meilenweit vorbeigehen. Es ist letztlich ein Ammenmärchen, dass die Regierung Bush jun. nur auf die Geschichtsbücher schaut, sondern einen Masterplan im Rücken hat, wie dies nur selten der Fall war.
In der Tat und zu Recht trifft es auf nur wenig Verständnis, wenn Deutschland im immer noch recht sicheren Norden Afghanistans verbleibt und die Schmutzarbeit anderen überlässt. Und sich dann noch dazu beschwert über die Art, wie diese Arbeit erledigt wird. Sicher sind hier Seitens der USA und Grossbritanniens Fehler gemacht worden, Deutschland hat sich jedoch immer geweigert, seine Soldaten in den Kampf gegen die Taliban einzusetzen - obwohl das Ziel der Bekämpfung als richtig erachtet wurde.
Die deutsche Regierung hat zwar zu Recht sich gegen den Beitritt der beiden Staaten des früheren sowjetischen Machtbereiches gewannt. Aber eben nicht als Cotou vor Moskau, sondern aus sachpolitischen Erwägungen. Andererseits haben die USA ebenso mit einiger Berechtigung die Sicherheitsinteressen Georgiens und der Ukraine auf den Tisch gebracht, die viel zu sehr in der Diskussion der vergangenen Jahre untergegangen sind. Die "lupenreine Demokratie" á la Moskauer Geschmackswelt ist längst wieder zur autokratischen Großmachtgehabe übergegangen und genau dieses gilt zurück zu weisen. Merkel wie Bush jun. haben hier Schröders Geschwätz geerbt und auch das Augenschließen der Europäer (und der USA) vor den Versuchen der Einmischung Russlands in die inneren Angelegenheiten beider Länder. Russland hat damit auch seinen entscheidenden Beitrag zur Destabilisierung geleistet, der die nun verdeutlichte Beitrittsperspektive zumindest im Ansatz entgegen tritt. Moskau mag brüllen, Moskau wird sich wieder beruhigen. Bukarest hat jedoch das Bündnis mehr geeint und gelenkt, als es der ARD-Kommentator wahrhaben will.

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