Thursday, February 26, 2009

Testbild ZDF


Wer derzeit in die Medienseiten der deutschen Presse schaut könnte annehmen, dass hier der Weltuntergang bevorsteht. Beim ZDF steht eine Personalentscheidung an und derzeit gibt es exakt einen Bewerber für den Posten des Chefredakteurs: der Amtsinhaber Nikolaus Brender. Dem geneigten Publikum ist der noch bekannt, wie er sich mit dem gewesenen Bundeskanzler Gerhard "Don Testosteron" Schröder am Tag seiner Niederlage rumärgern musste. Er hat das gut gemeistert, hat ihm Konter gegeben und von Parteipolitik keine Spur.
Nunmehr steht die Verlängerung des Vertrages an und hierzu muss der Intendant einen Vorschlag machen und das Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat des ZDF herstellen. Hier scheint die eigentliche Krux zu liegen, denn der Stellvertretende Vorsitzende Roland Koch, im Nebenberuf hessischer Ministerpräsident, hat angekündigt, sich gegen diese Personalie zu stellen. Soweit die Fakten, sie sind unwidersprochen und dürfen wohl deshalb als Tatsachen angenommen werden.

In der vergangenen Woche haben sich nun einige leitende Mitarbeiter des ZDF der Chefredaktion für den Verbleib ihres Chefs im Amt ausgesprochen. Dieser Vorgang ist zwar eher ungewöhnlich, aber es wäre auch nicht der Erste seiner Art. Der Wortlaut ist es aber dennoch, denn sie werfen dem Verwaltungsrat Koch nichts anderes vor, als diese Funktion mit der des Ministerpräsidenten Koch zu vermischen - unzulässigerweise wohlgemerkt:
Gerade im Jahr der Bundestagswahl ist Distanz zu den Parteien unverzichtbar, um die Glaubwürdigkeit der journalistischen Leistungen im ZDF nicht in Verruf zu bringen und unsere Unabhängigkeit zu bewahren. Es wäre ein schwerwiegender Eingriff in die Rundfunkfreiheit, wenn Ihr Vorschlag abgelehnt würde. Der ZDF-Verwaltungsrat ist dem Ansehen des ZDF als unabhängigem Medienhaus und nicht den Interessen einzelner politischer Gruppen verpflichtet. Für die Berufung des ZDF-Chefredakteurs dürfen einzig und allein die Kriterien der persönlichen Integrität, professionellen Qualität und journalistischen Unabhängigkeit gelten.
Mag der Vorgang zwar ungewöhnlich, aber nicht aussergewöhnlich sein, so ist es der Inhalt jedoch schon und auch eher an der Sache vorbei. Er zeigt jedoch, wie sehr sich zwischenzeitlich Journalisten ein Sonderrecht in dieser Republik herauszunehmen glauben können. Denn Koch begründet seine Ansicht in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mehr unternehmerisch als parteipolitisch begründet:
Wenn die Verträge von leitenden Direktoren auslaufen, hat der Verwaltungsrat die Aufgabe, die Entwicklung in den Arbeitsbereichen zu prüfen. Und da haben eine Reihe von Verwaltungsratsmitglieder – auch ich – Fragen gestellt. Diese Fragen betreffen nicht, wie öffentlich kolportiert wird, parteipolitische Zusammenhänge, sondern die betreffen ganz handfest: Wie hat sich die Informationssparte des ZDF in den letzten sieben, acht Jahren entwickelt? Können wir im Wettbewerb mit anderen damit zufrieden sein? Und die Frage ist auch, wie ist das innere Klima in den Redaktionen beim ZDF? Ist da genug Freiheit und Kreativität vorhanden? Oder besteht die Möglichkeit, durch eine andere Leitung neue Impulse zu setzen? Das ist wahrlich keine illegitime Diskussion, sondern Aufgabe des Verwaltungsrates.
Man muss diese Diskussion mit ein paar Fakten beginnen, und die sind sehr bitter. „Heute“ hat seit 2002 26 Prozent seiner Zuschauer verloren. 2008 wurden wir erstmals von „RTL aktuell“ überholt, liegen also hinter „Tagesschau“ und der RTL-Sendung nur noch auf Platz 3. Das hätte sich vor fünf Jahren sicher kein Mitarbeiter des ZDF vorstellen können. Das „Auslandsjournal“ hat heute 56 Prozent weniger Zuschauer, der „Länderspiegel“ 16 Prozent. Das „Heute Journal“ hat 10 Prozent weniger Zuschauer - im Gegensatz dazu haben die „Tagesthemen“, die ja keinen privilegierten Sendeplatz haben, ihre Zuschauerzahl halten können. Es ist die Pflicht des Verwaltungsrates, solche Negativentwicklungen zu erörtern. Und es ist unsere Aufgabe, nicht jede Debatte über diese Fragen als eine politische oder gar parteipolitische diskreditieren zu lassen. Denn um eine solche Debatte geht es bei der Vertragsverlängerung des Chefredakteurs auf gar keinen Fall.
Natürlich wäre es blauäugig anzunehmen, Koch würde seine parteipolitische Zunge in einer so heiklen Frage offen tragen. Was er jedoch vorbringt, sind durchaus Gesichtpunkte, die bei einer Vertragsverlängerung in jedem Unternehmen eine zentrale Rolle spielen. Man mag nun über ein Zehntelprozent hin oder her streiten, in der Sache hat Koch jedoch die Fakten auf seiner Seite. Insbesondere das Auslandsjournal ist zwischenzeitlich so oft von einem zum nächsten Sendeplatz verschoben worden, dass es mit einem Zuschauerverlust von 59 Prozent noch recht gut bedient ist. Neben dem Intendanten ist hier vor allem der Chefredakteur verantwortlich, im Zweifel besitzt er hausintern nicht genügend Gewicht, um eine solche Fehlentwicklung zu verhindern.
Nimmt man die Kommentare ernst, so sind die Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nach Ansicht der Journalie nur noch Abnickgremien: der Intendant schlägt vor und der ZDF-Verwaltungsrat darf "JA" sagen, ein "NEIN" ist nicht zulässig - da generell in dem Verdacht stehen, parteipolitisch motiviert zu sein. Dann sollte man dies jedoch auch gleich abschaffen und nur noch dem Intendanten das Entscheidungsrecht überlassen. Denn eine Entscheidung ohne die "NEIN"-Möglichkeit ist keine Entscheidung und geriert damit auch keine Verantwortung.

Es ist deshalb absurd, Koch vorzuwerfen, er stelle die Staatsferne des ZDF in Frage, wie der hessische SPD-Vorsitzende (und selbsternannte deutscher Barack Obama) Thorsten Schäfer-Gümbel schwafelt. Koch hat sogar die Pflicht genau die Qualifikationsfrage zu stellen und jeder, der sich mit der Frage der Personalauswahl einmal näher beschäftigt hat, kennt dabei die Schwierigkeiten und die unterschiedlichen Ansicht. Man kann Brender die Schuld dafür geben, man kann es den allgemeinen Umständen anlasten. Dies ist Ansichtssache jedes einzelnen Verwaltungsrates. Dieser in seiner Gesamtheit hat jedoch eine Verantwortungsentscheidung - keine Abnickentscheidung - zu treffen. Brender ist wieder andere ZDF-Journalist Unternehmensmitarbeiter und muss sich im Zweifel den Entscheidungen der Unternehmensgremien beugen. Die Journalie ist hier keine Ausnahme, auch wenn sie sich gerne als vierte Gewalt sieht.

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